Waffenstillstand in Aleppo: Noch keine Rettung Verletzter möglich
Es ist hart um eine Waffenruhe in Aleppo gekämpft worden, damit Verletzte versorgt werden und Zivilisten fliehen können. Beides klappt nicht.
Rudskoj machte die moderate Opposition dafür verantwortlich, dass noch immer in Aleppo gekämpft werde. Die humanitären Korridore, über die Zivilisten den Ostteil der Stadt verlassen können, seien blockiert, kritisierte er. Ein Aufruf Russlands an die USA, Druck auf die moderate Rebellengruppen zu machen, sei nicht beantwortet worden.
Das beudeutet für die Bewohner Aleppos: Trotz der Feuerpause müssen sie weiter auf Hilfe warten. Es fehlten Sicherheitsgarantien und Unterstützung vor Ort, um Kranke und Verletzte aus der Stadt zu bringen, sagte ein UN-Sprecher am Freitag in Genf. Die syrische Regierung erklärte, sie habe längst grünes Licht gegeben und auch Busse und Krankenwagen bereitgestellt.
Aber Angriffe von Rebellen auf die ausgewiesenen Wege behinderten die Transporte. Die einseitigen Feuerpausen von Syrien und dem russischen Verbündeten gelten tagsüber. In der Nacht hingegen habe es weiter schwere Gefechte gegeben, berichtete ein Offizier der Rebellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Menschen bräuchten einen dauerhaften Waffenstillstand. Trotz des Widerstands einiger EU-Staaten seien auch Sanktionen gegen Russland möglich.
Die Lage der Bevölkerung in Aleppo ist katastrophal, nachdem die Luftangriffe vor der Feuerpause noch zugenommen hatten. Obwohl die Europäische Union (EU) Russland dafür mit verantwortlich machte, konnten sich die 28 Staaten beim EU-Gipfel in Brüssel nicht auf Sanktionen einigen.
„Dennoch sind die Weichen gestellt, dass wir nicht einfach tatenlos zuschauen, wenn sich die humanitäre Lage und die Verletzung der Rechte dort nicht verändert“, sagte Merkel. „Das betrifft unter Umständen auch Russland.“ Die britische Premierministerin Theresa May äußerte sich ähnlich. Wenn die Grausamkeiten nicht aufhörten, würden alle Optionen in Betracht gezogen, sagte sie.
Russland hat laut UN-Angaben am Donnerstag für mindestens vier Tage eine jeweils elfstündige Kampfpause für Aleppo angekündigt. Diese Phase wollten die UN nutzen, um Hunderte Verletzte aus dem belagerten Osten der ehemaligen Handelsmetropole zu schaffen sowie Lebensmittel und Hilfsgüter in die Stadt zu bringen. Das syrische Staatsfernsehen zeigte Bilder von wartenden Bussen und Krankenwagen, die Menschen aus dem Ostteil Aleppos über festgelegten Korridore herausbringen sollten.
Nur wenige Zivilisten nutzen Korridore
Diese Möglichkeit wird aber offenbar nur von wenigen Zivilisten und Rebellen genutzt. Die Rebellen lehnen die Waffenpause ab. Sie diene nur dazu, Regimegegner aus der Millionen-Stadt herauszulocken. Für die Menschen in der Stadt werde nichts getan, argumentieren sie.
Nach jahrelangem Bürgerkrieg wird eine Lösung des Syrien-Konflikts, der im Kern auf einen Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad zurückgeht, auch durch die unterschiedlichen Interessen Russlands und der USA erschwert. Während die Moskauer Regierung hinter Assad steht, unterstützen die USA gemäßigte Rebellen in ihrem Kampf gegen die Führung in Damaskus.
Auf diplomatischer Ebene zeigte sich dieser Dissens auch am Freitag: Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf dem Westen vor, auf die früher als Al-Nusra-Front bekannte Miliz für einen Sturz von Assad zu setzen. Anhänger der Gruppe weigerten sich, Aleppo zu verlassen, sagte Lawrow.
Bei einer Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf sprach der syrische Gesandte Hussam Aala von einer „Propaganda-Kampagne“ des Westens und der Golfstaaten. „Die Hysterie dieser Länder um den Ostteil von Aleppo … macht das Ziel deutlich, in dem Stadtviertel eingeschlossene Terroristen zu schützen.“ UN-Menschenrechtskommissar Seid Ra'ad al Hussein brandmarkte dagegen Bombardement und Belagerung als Kriegsverbrechen. Der Menschenrechtsrat stimmte für eine unabhängige Untersuchung zu Aleppo, um Verantwortliche für Vergehen und Verbrechen identifizieren und zur Rechenschaft ziehen zu können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt