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Waffenexporte stark gestiegen„Völlig außer Kontrolle“

Im ersten Halbjahr 2015 wurden bereits so viele Rüstungsexporte genehmigt wie im gesamten vergangenen Jahr. Die Opposition ist empört.

Verantwortungsvoller Rüstungsverkaufgenehmiger: Sigmar Gabriel. Foto: ap

Berlin afp | Die Opposition hat die Rüstungspolitik der Bundesregierung angesichts deutlich gestiegener Waffenexporte im ersten Halbjahr 2015 scharf kritisiert. „Die deutschen Waffenexporte sind völlig außer Kontrolle“, erklärte der Linken-Außenpolitiker Jan van Aken am Samstag in Berlin. Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger warf dem zuständigen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, mehr „Wert auf die Interessen der Rüstungslobby als auf Menschenrechte und Frieden“ zu legen.

Hintergrund sind die Genehmigungen der Bundesregierung für Waffenexporte im ersten Halbjahr 2015: In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden Ausfuhren von insgesamt 6,35 Milliarden Euro genehmigt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage van Akens hervorgeht. Der Wert ist damit bereits fast so hoch wie im gesamten vergangenen Jahr, als die Bundesregierung Exporte im Gesamtwert von 6,5 Milliarden Euro erlaubte.

Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, die Zahlen allein seien „kein tauglicher Gradmesser für eine bestimmte Rüstungsexportpolitik“, da diese durch Großaufträge schwankten. „Entscheidend sind vielmehr Art der genehmigten Rüstungsgüter, ihr Verwendungszweck und das konkrete Empfängerland“, teilte das Ministerium mit und verwies darauf, dass im ersten Halbjahr der Anstieg der Genehmigungen vor allem auf vier Tankflugzeuge für Großbritannien – ein EU- und NATO-Partner – zurückgehe.

Das Ministerium räumte ein, dass etwa der Wert für Genehmigungen für Saudi-Arabien von etwa 65 Millionen Euro auf circa 177 Millionen Euro gestiegen sei – entscheidend sei jedoch die Art der Güter. „So wurden für Saudi-Arabien keine Panzer, G36-Gewehre oder sonstige Kleinwaffen genehmigt, sondern vorwiegend Zulieferungen von Komponenten an europäische Partner, insbesondere Fahrgestelle für von Frankreich gelieferte unbewaffnete Transporter“, teilte das Ministerium mit. „Dies zeigt: die Bundesregierung führt eine verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik.“

Hemmungslos wie die Vorgänger

Die Opposition sieht das jedoch anders. „Das sind dramatische Zahlen, die vor allem für Sigmar Gabriel und seine SPD hochnotpeinlich sind“, sagte van Aken. Daran zeige sich, „dass diese Regierung genau so hemmungslos Waffen in alle Welt liefert wie ihre Vorgänger“.

Gabriel hatte angekündigt, die deutschen Waffenlieferungen ins Ausland verringern zu wollen. Die Zahlen des vergangenen Jahres lagen auch 1,8 Milliarden Euro unter dem Wert von 2013.

Angesichts der nun bekannt gewordenen Daten für das erste Halbjahr 2015 kritisierte Brugger, damit zeige sich „das wahre und hässliche Antlitz der schwarz-roten Bundesregierung bei den Waffengeschäften“. Gabriel habe Waffenexporte zwar als Geschäft mit dem Tod bezeichnet, „jenseits von markigen Sprüchen und leeren Versprechen aber kaum geliefert“.

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17 Kommentare

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  • Der Zusammenhang zwischen stetig steigenden Rüstungsexporten, immer neuen Krisenherden und immer größer werdenden Flüchtlingsströmen, ist natürlich rein zufällig und noch lange kein Grund für aufkeimenden Sinn.

    • @Rainer B.:

      Genau! So deutlich sichtbar wie bei den Flüchtlingsströmen, auch in seiner Kausalität, wird das Gesetz des Karma selten

  • Zitat: "entscheidend sei jedoch die Art der Güter."

     

    Na, klar. Und was hindert die daran, sich die Einzelteile so zusammen zu bauen, dass sie am Ende tödlich wirken???? Scheiß Heuchler.

     

    Sarkasmus: Ich verteil dann mal an die Nachbarn der verantwortlichen Politiker Einzelteile für Waffen und wenn denen was auf die Nerven geht, dann sollen sie sich grad zusammen tun um die Waffe zusammen zu bauen. Ich hab ja dann nix schlechtes gemacht. Ich hab nur Einzelteile verkauft mit denen man niemanden töten kann....

  • Profite der Rüstungsindustrie gehören zu den wesentlichen Kriegsgründen weltweit. Gut also, daß die TAZ berichtet. Aber mir ist das viel zu wenig! Ich wünschte mir tiefgehende Analysen, die - nationale wie internationale - Lobbynetzwerke, Verbindungen zwischen Politik, Militär, Rüstungsindustrie und Medien zeigte, Korruption und Erpressung, die Staaten immer wieder Waffen kaufen lassen, ich wünschte mir, daß Namen genannt und Beweise gesammelt würden. Das tut die TAZ nicht. Stattdessen: "Pädophilie in Kreuzberg".

    • @Albrecht Pohlmann:

      "Rüstungslobby": wer gehört ihr denn konkret alles an?

      • @Angelika Oetken:

        Der Zusammenhang zwischen stetig steigenden Rüstungsexporten, immer neuen Krisenherden und immer größer werdenden Flüchtlingsströmen, ist natürlich rein zufällig und noch lange kein Grund für aufkeimenden Sinn.

        • @Rainer B.:

          Sorry, ist hier nur so reingerutscht. Gehört eigentlich nach oben!

      • @Angelika Oetken:

        Gute Frage! Nach den Lobbyisten der Rüstungsfirmen an erster Stelle, die mit illegal bereitgestellten Hausausweisen tagtäglich im Bundestag rumlungern, im Grunde genommen alle, die mit Rüstungsgeschäften direkt und indirekt Geld verdienen und auch alle, die es weiterhin zulassen, dass damit überhaupt Geld verdient werden kann.

    • @Albrecht Pohlmann:

      Zu "Pädophilie in Kreuzberg": Übergriffigkeit gilt in unserer Kultur nicht ohne Grund als Erfolgsprinzip. Beide Themen, die Bildung korrupter Netzwerke zum Zwecke der Wirtschaftskriminalität und die organisierte sexuelle Ausbeutung von Kindern haben viel mehr miteinander zu tun, als man erstmal denken würde.

       

      Wo Sie Leute schmieren, weil es viel Geld abzuzocken gibt und wo Sie Männern die Gelegenheit geben, ihre beeinträchtigte sexuelle Kompetenz und Identität durch Kriegsspielchen zu kompensieren, wird unter Garantie auch mit Kindern gehandelt http://m.welt.de/vermischtes/article143879658/Auf-den-Spuren-der-verlorenen-Kinder.html

       

      Nähern wir uns dem Thema, geraten einige Übereinkünfte ins Wanken. Zum Beispiel das von der fürsorglichen Mutter und dass Frauen nicht missbrauchen.

      • @Angelika Oetken:

        Sie haben grundsätzlich recht damit, daß diese Dinge zusammenhängen. Allerdings auf eine sehr vermittelte Weise - und wenn ich etwas über die Zusammenhänge von Politik, Bürokratie, Militär, Medien und Rüstung wissen möchte, dann bewege ich mich auf einer anderen Ebene, als der individual- und sozialpsychologischen, die Sie ansprechen. - Mein Beispiel "Pädophilie in Kreuzberg" war gewiß provokant gewählt und sollte die Schlagseite der TAZ in Richtung "weicher" Themen verdeutlichen, nicht etwa das Thema selbst als unwichtig hinstellen. - Schließlich noch zu Ihrer ersten Frage: Zur "Rüstungslobby" im engeren Sinn gehören die Leute, die von der Rüstungsindustrie bezahlt werden, um an den jeweiligen Regierungssitzen gegenüber den Politikern die Interessen dieser Industrie durchzusetzen. Im weiteren Sinn würde ich darunter all jene oben genannten Gruppen verstehen, die im engen Zusammenwirken dafür sorgen, daß Krieg ein gutes Geschäft bleibt.

        • @Albrecht Pohlmann:

          Die organisierte sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen betrachte ich als ziemlich hartes Thema. Diese Art von multimodaler Kriminalität finden wir überall dort, wo Leute sich zusammenrotten, um sich auf Kosten anderer unrechtmäßig zu bereichern. Die dabei angewandten Methoden sind an Menschenverachtung und Brutalität kaum zu toppen und erinnern nicht von ungefähr an Kriegsverbrechen http://www.vielfalt-info.de/index.php/rituelle-gewalt/definitionen http://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2013/dezember/detailansicht-dezember/artikel/sexueller-missbrauch-von-kindern.html http://www.taz.de/Sexuelle-Gewalt-im-Kongo/!5040453/

           

          Sexualität und Aggression sind in fast allen Gesellschaften kulturell eng verknüpft. Mit einer ausreichenden Portion Drogen und Alkohol, mit entsprechenden Filmen und Hassreden kann man sicherlich sehr viele Männer dazu bringen, Frauen, Kinder und auch andere Männer mittels sexualisierter Handlungen regelrecht abzustechen. Es fällt vielen Menschen schwer, sich das vorzustellen. Wenn man nicht darauf vorbereitet ist, sollte man es auch nicht tun. Aber Leute, die Kinder und auch Erwachsene in übelster Form sadistisch quälen und manchmal dabei auch töten und sich dann, wenn sie keine Gelegenheit dazu haben, entsprechende Filme angucken, leben auch mitten unter uns. In der Zeit des deutschen Faschismus konnte man diese Art von sadistischen Folterknechten sehr gut verwenden. Und diese Vorzeigedeutschen haben sich nach 45 fast nahtlos wieder in die Gesellschaften integriert. Sie saßen überall mit an den Kaffeetafeln. Wir blenden das gern aus. Aber finden an vielen Stellen Hinweise darauf http://www.dachau-institut.de/psychologie.html

           

          Insofern: gucken wir doch mal, welche Personen und Organisationen zur "Rüstungslobby" gehören und nehmen wir sie unter die Lupe. Der äußere Anschein ist dabei vollkommen irrelevant.

  • Sigmar, die rosa Krawatte, ein Vorzeige Sozialdemokrat. Pfui!

  • Saudi-Arabien - war dss nicht das Land, das derzeit im Jemen eine Kolition von Kriegsverbrechern anführt? Dass die mehr Rüstungsgüter brauchen (und, anders als die Griechen, dank Ölgeschäft auch immer noch bezahlen können), ist verständlich, finde ich. Dass ausgerechnet Gabriel diesen Bedarf decken muss, verstehe ich noch nicht so ganz. Liegt das nun daran, dass der Mann seiner Chefin gegenüber kein Rückgrat hat, daran, dass er was dafür bekommt, oder gibt es noch andere "gute Gründe"?

  • Die SPD weiß schon,wieso sie es sich sparen kann, einen Kanzlerkandidaten zu nominieren.Obwohl,die Rüstungsexporte laufen schließlich seit Generationen gegen den Willen des Großteils der Bevölkerung reibungslos,wie auch die Wiederbewaffnung.

    Dank der Forschung von Prof. Foschepoth wissen wir auch seit einiger Zeit,dass Deutschland niemals souverän war,sondern nur so getan hat und selbst ein Willi Brandt

    vor versammeltem Bundestag auf Anfrage dreist gelogen hat.Wer also an die SPD noch eine Erwartung hat,der ist mit "hoffnungsloser Optimist",noch sehr wohlwollend charakterisiert.

    • @Markus Müller:

      Unbegreifbar, daß viele "kleine Leute" die SPD immer noch für "unsere Partei" halten, entgegen allen Erfahrungen der letzten 20 Jahre. Nicht die Hoffnung stirbt zuletzt, sondern die Dummheit.

  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    Wer Waffen säät, wird Flüchtlinge ernten.

     

    Aber man muß anerkennen, die SPD bleibt sich seit 1913 treu: sozialdenmokratische Ideale und ihre Basis/ Wählerschaft kontinuierlich verraten.

    • @23879 (Profil gelöscht):

      Ein Sozialdemokrat kommt ja gewöhnlich schon als Sachzwang auf die Welt und der Rest verläuft dann eben ähnlich zwanghaft.