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Waffenexporte nach IsraelDeutschland liefert trotz brüchigem Waffenstillstand

Die scheidende Bundesregierung hat im Januar Rüstungsexporte für fast 2 Millionen Euro nach Israel genehmigt. Darunter Komponenten für Landfahrzeuge.

Bild der Zerstörung: Menschen bahnen sich ihren Weg durch das vom israelischen Militär zerstörte Gaza Foto: ap

Berlin taz | Trotz des fragilen Waffenstillstands im Nahen Osten liefert Deutschland weiter Rüstungsgüter nach Israel. Im Januar genehmigte die scheidende Bundesregierung aus SPD und Grünen Exporte im Wert von fast 2 Millionen Euro an Israel. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des BSW vor, die der taz vorliegt. Demnach wurde zuletzt auch die Ausfuhr von Komponenten für militärische Ketten- und Radfahrzeuge erlaubt.

BSW-Politikerin Sevim Dağdelen kritisierte die Exportgenehmigungen scharf. „Die Bundesregierung muss die Waffenlieferungen an Israel umgehend einstellen.“ Dies müsse erst recht mit Blick auf die Pläne von Donald Trump geschehen. Der US-Präsident hatte vergangene Woche angekündigt, den Gazastreifen „übernehmen“ zu wollen, und dabei auch mit der Vertreibung der im Gazastreifen lebenden Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen gedroht. „Deutschland darf nicht zum Beihelfer eines massiven Verbrechens der ethnischen Säuberung gemacht werden“, so Dağdelen.

Auch die Bundesregierung hatte Trump für seine Äußerungen kritisiert. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einem „inakzeptablen und völkerrechtswidrigen“ Vorstoß des US-Präsidenten. Zu den jetzt erfolgten Ausfuhrgenehmigungen wollte sich das von ihrem Parteikollegen Robert Habeck geführte Wirtschaftsministerium auf taz-Anfrage nicht äußern. Ein Sprecher verwies auf die Praxis der Bundesregierung, Einzelgenehmigungen generell nicht zu kommentieren.

Aus der Antwort auf die Anfrage des BSW geht hervor, dass im Januar neben dem Export von Komponenten für Landfahrzeuge auch die Ausfuhr von militärischer Elektronik, Software und Technologie im Wert von insgesamt 1.990.500 Euro nach Israel genehmigt wurden. Worum es sich dabei konkret handelt, ist nicht bekannt. Der Bundessicherheitsrat, der aus Mi­nis­te­r*in­nen der Regierung besteht und der über die Genehmigung „besonders bedeutsamer“ Ausfuhren und Kriegswaffen zu entscheiden hat, tagt geheim.

Es könnten noch mehr Genehmigungen folgen

„Es ist ein Problem, dass wir nicht erfahren, um welche Rüstungsgüter es sich handelt“, sagt der Wissenschaftler Max Mutschler vom Bonner Konfliktforschungsinstitut BICC. Die Aussagekraft der Genehmigungswerte für einen Monat hält er für begrenzt. So erscheine der Wert der genehmigten Exporte im Januar im Vergleich zu den Vorjahren gering. 2023 erlaubte die Bundesregierung Ausfuhren im Wert von 326 Millionen Euro nach Israel, 2024 waren es 161 Millionen Euro.

Mutschler verweist auch auf eine andere Beobachtung aus den vergangenen Jahren: 2021 habe die scheidende Bundesregierung aus Union und SPD, die nur noch geschäftsführend im Amt war, noch einen Tag vor der Amtseinführung von Olaf Scholz als Bundeskanzler einen großen Rüstungsexport mit drei Fregatten nach Ägypten unterzeichnet. „Eventuell kommt auch diesmal die nächste große Genehmigungswelle erst im Februar, so dass die Zahlen erst nach der Bundestagswahl bekannt werden“, erklärte Mutschler.

Insgesamt ist Israel bei den Empfängerländern von deutschen Waffenexporten auf den hinteren Listenplätzen. Die Bundesregierung genehmigte im vergangenen Jahr Ausfuhren von Kriegswaffen und militärischer Ausrüstung für 13,33 Milliarden Euro – so viel wie nie zuvor. Weit mehr als die Hälfte davon ging mit 8,15 Milliarden Euro an die Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriff. Israel war mit dem Volumen von 161 Millionen Euro aber auch in den Top 10 der Importstaaten deutscher Waffen.

Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri kamen in den Jahren von 2019 bis 2023 etwa 30 Prozent der israelischen Waffenimporte aus Deutschland. Dabei handelte es sich vorrangig um Marinetechnologie. Laut dem Institut machten aber Motoren für gepanzerte Fahrzeuge auch 8,5 Prozent der deutschen Lieferungen aus. Diese Komponenten sollen auch in Gaza zum Einsatz gekommen sein.

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7 Kommentare

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  • Es wurden feiernde Menschen nach Gaza entführt - und es sind immer noch nicht alle wieder frei - ich halte es für selbstverständlich, dass wir Rüstungsgüter liefern - und echt! 2 Mio. sind doch die berühmten Peanuts.

  • „Es ist ein Problem, dass wir nicht erfahren, um welche Rüstungsgüter es sich handelt“- Ja sehe ich auch so. Das überhaupt in Deutschland Rüstungsexporte ohne zumindest eine parlamentarische Mitwirkung gemacht werden dürfen, wundert mich angesichts unserer Geschichte schon. Das sollte man auch mal überarbeiten. Selbst bei den Amerikanern müssen große Waffenexporte vom Kongress genehmigt werden. Das auch noch im Geheimen zu machen und man nie wirklich erfahren kann was da nun eigentlich geliefert wurde, finde ich mehr als bedenklich.



    Und die Politiker möchten vielleicht gegenüber der taz keine Rechenschaft ablegen, aber dem IGH gegenüber werden sie es irgendwann müssen. Zur Erinnerung die Klage wegen Beihilfe zum Völkermord ist nicht vom Tisch.

  • Die Lieferungen stehen in garkeinem Zusammenhang mit dem 'Waffenstillstand.' Wo haben die Palästinenser eigentlich ihre Waffen hergeholt ?

    • @Max Sterckxc:

      "Wo haben die Palästinenser eigentlich ihre Waffen hergeholt?"

      Das würde mich auch sehr interessieren, da Gaza ja als blockiert gilt.

      • @*Sabine*:

        Ein Teil der Waffen sind selbst hergestellt. Es ist durchaus möglich eine Pistole oder Gewehr auseinanderzunehmen und die Metallteile Stück für Stück zu kopieren. Eine einfache Rakete ist im wesentlichen nur ein Metallrohr mit Antriebsmaterial und einem Anteil Sprengstoff. Letzteres lässt sich aus Blindgängern entnehmen, aber m.W. auch aus Düngemittel herstellen. Diese Raketen Marke Eigenbau sind entsprechend ungenau und minderwertig, jede 6-7. fällt noch im Gazastreifen zu Boden.

        Und dann Schmuggel. Es war ein Fehler seitens Israels die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor Ägypten zu überlassen, weil es dort offenbar an Entschlossenheit mangelt den Schmuggel zu unterbinden. Lange Zeit lief dieser über Tunnel; es wurden viele Verschlossen, aber ich vermute, dass sie mit der Zeit obsolet wurden, weil sich mit der Zeit Schmugglernetzwerke gebildet haben müssen. An sonst gesperrten Grenzen, wo Leute für (Schmier)Geld ausreisen können,



        taz.de/Crowdfundin...aus-Gaza/!5994610/



        können wohl auch Waffen rein.



        Ich habe auch schon von Versuchen gehört, mit Drohnen Waffen in den Gazastreifen zu bringen.

  • Da deals derzeit auch politisch ein Thema sind, möchte ich Folgendes zu bedenken geben:



    wir wollen unsere Verteidigungsfähigkeit erweitern und einen europäischen Schutzschirm gegen Raketen aufbauen.



    Bisher sind entsprechende Systeme in Israel nur bestellt, der dortige Krieg verzögerte die Auslieferung.



    Ist es wahrscheinlich, dass Israel liefert, wenn wir schon beim Reifenwechsel abwinken?

    • @Philippo1000:

      Wie und wo testet denn Israel diese Syteme? Ich empfehle dazu das Buch: The Palestine Laboratory von Antony Loewenstein. Gab hier in der taz vor einigen Monaten auch mal einen kurzen Artikel dazu.