Waffenaffäre um Landesinnenminister: Lorenz Caffier tritt zurück

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister kaufte eine Waffe von einem Prepper. Im Kampf gegen rechts agierte er mindestens stümperhaft.

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier während der Innenministerkonferenz im Juni mit Mund-Nasenbedeckung

Ist zurückgetreten: Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier Foto: Jacob Schröter/imago

BERLIN taz | Lorenz Caffier (CDU), der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, tritt von seinem Amt zurück. Das teilte er am Dienstagnachmittag in Schwerin mit. „Ich muss erkennen, dass ich in dieser Situation nicht mehr die nötige Autorität besitze, um das Amt des Innenministers mit ganzer Kraft bis zum September 2021 ausüben zu können“, schrieb er in einer ausführlichen “persönlichen Erklärung“.

Caffier zieht damit Konsequenzen aus der Affäre, die sich an der Frage entsponnen hat, ob er privat eine Waffe bei einem früheren Mitglied der Preppergruppe Nordkreuz gekauft hat. Diese Frage hatten die taz und andere Medien an ihn gestellt, das Innenministerium hatte jedoch nur ausweichend oder gar nicht darauf geantwortet, monatelang. Als die taz Caffier diese Frage am Donnerstag auf einer Pressekonferenz stellte, antwortete er: Es handele sich um eine Privatangelegenheit.

Diese Äußerung hatte im Nordosten und bundesweit für Empörung gesorgt. Caffier erklärte daraufhin am Freitag in einem Interview zunächst, die Waffe tatsächlich gekauft zu haben. Seine Antworten haben aber neue Fragen aufgeworfen, unter anderem, warum seine Behörden nicht nachdrücklicher eigene Informationen zur Person T. gewannen.

Caffier nannte die vergangenen Tage in seiner schriftlichen Rücktrittserklärung “eine unerträgliche Belastung“, er wolle “Schaden von der Regierung, von der Koalition und letztlich damit auch vom Land abwenden“. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte ihn am Samstag zur Klärung des Sachverhalts aufgefordert. Großflächige Kritik aus Koalitionskreisen in Schwerin war bislang ausgeblieben.

Kommt ein Untersuchungsausschuss?

Der SPD-Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik sieht mit Caffiers Rücktritt die Aufklärung nicht für beendet. Er fordert die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. “Die Problematik hat sich ja nicht geändert, nur weil jetzt der Minister abdankt“, sagte er der taz. Es gebe noch viele Fragen zu klären, insbesondere was die Rolle des Verfassungsschutzes im Land angehe.

Zuletzt hatte eine Expertenkommission geurteilt, das Landesamt habe offensichtlich “über wenig eigene Erkenntnisse“ verfügt. Eine andere von Caffier eingesetzte Kommission sollte ein Lagebild zu Preppern erstellen – bis heute ohne Ergebnis.

Peter Ritter, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion sagt: “Die Nordkreuz-Affäre ist mehr als der Waffenkauf von Lorenz Caffier. Die Fragen sind nicht beantwortet und auch durch den Rücktritt von Caffier nicht gelöst.“ Erst die Entscheidung, wer das Amt künftig übernimmt, werde zeigen, ob die regierenden Parteien SPD und CDU den Rücktritt für einen Neuanfang nutzten.

Mehrere Mitglieder der Nordkreuz-Gruppe aus Mecklenburg-Vorpommern sind als rechtsextrem eingestuft. Gegen zwei von ihnen ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen Terrorverdachts. Der Admin der Gruppe, der Ex-SEK-Polizist Marko G., wurde Ende 2019 unter anderem wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Kürzlich hatte er der New York Times gesagt: Das Netzwerk sei noch immer aktiv. Auch gegen Frank T. wird ermittelt, wie zuerst der NDR berichtete.

Die Aufarbeitung des Nordkreuz-Komplexes hat eine bundesweite Dimension. Seit knapp zwei Jahren beschäftigt sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags damit. Es geht auch um den Zusammenhang zu Prepper-Gruppen in anderen Regionen, dem sogenannten Hannibal-Netzwerk. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst befassten sich mehrfach mit der Gruppe und ihren Mitgliedern.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

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■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

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