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Waffen in PrivatbesitzBallermänner aus dem Norden

In keinem Bundesland gibt es pro Kopf so viele Kleine Waffenscheine wie in Schleswig-Holstein. Die Schreckschusswaffen sind eher Gefahr als Schutz.

Nachher sieht keiner, dass nur Platzpatronen drin sind: Schreckschusspistole Foto: Uli Deck/dpa

Hamburg taz | Schwarz, klobig, bedrohlich: Eine Schreckschusswaffe unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von einer echten Pistole. Ihren Trägern vermittelt sie wohl ein falsches Gefühl von Sicherheit. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Zahl der Menschen, die Kleine Waffenscheine beantragen, steigt.

Das Land mit den meisten Inhabern solcher Waffenberechtigungen im Verhältnis zur Einwohnerzahl ist nicht etwa ein Stadtstaat wie Hamburg – sondern Schleswig-Holstein.

In dem Nordland kommen auf 1.000 Menschen 10,4 Besitzer des Kleinen Waffenscheins. In Hamburg sind es nur 4,4. Das geht aus einer Umfrage der Rheinischen Post hervor. Sie dürfen Schreckschuss-, Reizstoff- oder Signalwaffen in der Öffentlichkeit tragen und in Notwehrsituationen auch einsetzen.

Die Polizei im niedersächsischen Nien­burg hat vor einiger Zeit ein Foto einer Schweineschwarte veröffentlicht. Viele kreisförmige, schwarze Wunden sind darauf zu sehen. Die Ermittler hatten mit einem rechtsmedizinischen Gutachter überprüft, welchen Schaden eine Schreckschusswaffe mit Pfefferpatrone anrichtet, wenn man sie auf die Haut aufsetzt und abdrückt. Die Verletzungen seien „verheerend“.

Nach einem Schuss mit der Schreckschusswaffe zeigt die Schweineschwarte schwarze Wunden

Tim Radtke, der Pressesprecher des Kieler Innenministeriums, hält die „höhere Präsenz von Waffen in der Öffentlichkeit“ für kritisch. „Dieser vermeintliche Selbstschutz birgt mehr Gefahren, als dass er Sicherheit schaffen würde.“ Seit dem Frühjahr würden alle Antragssteller vom Verfassungsschutz überprüft und ab September könnten die Behörden sie auch persönlich vorsprechen lassen.

Auch die Gewerkschaft der Polizei empfindet es als „besorgniserregend“, dass so viele Schreckschusswaffen im Umlauf sind. Sie erzeugten eine „Scheinsicherheit“, sagt Landeschef Torsten Jäger.

„Offenbar glauben viele Menschen nicht mehr uneingeschränkt an die Fähigkeit des Staates, für die Sicherheit in ausreichendem Maße zu sorgen.“ Ein Grund könne sein, dass in Schleswig-Holstein in der Fläche Polizeidienststellen geschlossen worden seien.

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3 Kommentare

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  • den beiden vorherigen Kommantaren nach wären dann mehr aber eben kleinere Polizeiwachen die Lösung bei gleichen Kosten.

  • Die Polizei kann Bedrohungen nicht verhindern, sondern wenn dann eher im Nachinein, außer es wird permanent und vor Zeugen gedroht. Wer öfter in Bedrohungssituationen gerät, denkt dann wohl, mit so ner kleinen Waffe wäre es sicherer. Ist es wohl nicht

  • Naja, wenn man die Geschichte des US-Waffenrechts kennt leuchtet das ein - die Staatsgewalt war damals Tagesreisen entfernt [und in einigen Provinzen ist das noch heute so] - also musste man selbst für die "notwendige Staatsgewalt" sorgen.

    Wenn der deutsche Staat das auch so haben will wird das sicher gelingen.