Wachstum bei Rügenwalder und Wiesenhof: Veggie boomt auch wegen Corona
Rügenwalder Mühle verbucht erstmals mehr Umsatz mit vegetarischen als mit Fleischprodukten. Das liegt auch an Bedingungen in der Fleischindustrie.
Auch die Wettbewerber, die lange nur auf konventionelle Waren setzten, spüren den Trend. „Der Bruzzler Veggie zum Beispiel liegt gegenüber dem Vorjahr mit über 44 Prozent Absatzzuwachs deutlich im Plus“, sagt eine Sprecherin des Hähnchenproduzenten Wiesenhof. Rügenwalder habe mit seinen Produkten als eine der ersten Firmen „auf einen Trend reagiert, den wir seit langem fordern“, sagt Martin Geilhufe vom BUND Naturschutz in Bayern.
Er verweist auf die Klimabilanz von Lebensmitteln und fordert „einen geringeren CO2-Abdruck.“ Vegetarische Produkte wären zwar ein Fortschritt für das Tierwohl, man müsse aber die Ökologie als Ganzes betrachten. Die Aktualität der Fälle beim Fleischhersteller Tönnies zeige, „was wir in der Landwirtschaft verändern müssen“, so Geilhufe.
Inzwischen setzt selbst der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé auf Veggie – und steigerte im ersten Halbjahr 2020 seinen Umsatz mit pflanzenbasierten Produkten um 40 Prozent. Gerade hat Nestlé im Heimatmarkt eine vegane Alternative zu Thunfisch auf den Markt gebracht. „Vuna“ – auf der Basis von Erbsen- und Weizenprotein und mit natürlichen Aromen soll bald auch in Deutschland verkauft werden.
Zuwachs überdurchschnittlich
Zielgruppe seien die „Flexitarier“, so Stefan Palzer, Nestlés Chief Technology Officer. Also Leute, die aus Gesundheits-, Klima- oder Tierschutzgründen weniger Fisch und Fleisch essen, aber auf den Geschmack solcher Produkte nicht verzichten wollen oder können.
Alternativprodukte machen bisher zwar nur einen kleinen Anteil am Umsatz von Fleisch aus, sie wachsen aber überdurchschnittlich im Vergleich zum konventionellen Fleischsektor: Dieser legte zuletzt um sechs Prozent zu, die fleischlosen Alternativen um 25 Prozent im vergangenen Jahr. Fleischlose Burger oder vegane Wurst sind damit keine Nischenprodukte mehr, sondern bei der Masse der Verbraucher angekommen.
Studien gingen davon aus, dass 10 bis 40 Prozent der tierischen Produkte durch alternative Proteinquellen ersetzt werden, sagt Godo Röben, Mitglied der Geschäftsleitung bei Rügenwalder Mühle: „Es gibt jetzt ein wahnsinniges Wachstum. Und es gibt keinen Lebensmittelhersteller, der das Thema nicht aufgreift.“ Noch ist Rügenwalder allerdings nur ein mittelgroßes Unternehmen mit knapp 700 Mitarbeiter*innen und einem Jahresumsatz von etwa 242 Millionen Euro im Jahr 2019.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland