Wachsender Schuldenberg in Italien: Brüssel droht mit Defizitverfahren
Die EU-Kommission stellt wegen des wachsenden Schuldenbergs die Weichen für ein Strafverfahren. Bundesfinanzminister will verhandeln.
Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis kritisierte den „Schaden, den der Politikwechsel [der neuen Regierung in Rom] verursacht“ habe. Durch die umstrittenen Entscheidungen der Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung sei die Zinslast gestiegen. Rom müsse für den Schuldendienst mehr ausgeben als für das gesamte Bildungswesen. Als Ausweg empfahl Dombrovskis weitere Strukturreformen und Ausgabenkürzungen.
Es ist bereits der zweite Versuch der EU-Kommission, die ausgabenfreudige Politik der populistischen Regierung in Rom zu stoppen. Ein erstes Defizitverfahren wurde im Herbst 2018 nach wochenlangem Tauziehen zurückgezogen – offenbar mit Rücksicht auf den beginnenden Europawahlkampf.
Brüssel gab sich damals mit kleinen Korrekturen am Budgetentwurf für 2019 zufrieden. Doch die Hoffnung, so den Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die rechte Lega und ihr Chef Matteo Salvini haben bei der Europawahl deutlich zugelegt.
Zu spät und zu schwach, aber alternativlos: So wurde die Empfehlung der scheidenden EU-Kommission in Brüssel kommentiert. „Wir hätten bei einigen Ländern früher eingreifen müssen“, sagte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU). „Nun ist es bei Italien eher fünf nach zwölf als fünf vor zwölf.“ Auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold erklärte, an einem Defizitverfahren führe „kein Weg vorbei“.
Nachdenklichere Töne kamen aus Berlin. Wie schon im Herbst setze er auch diesmal auf Gespräche mit Rom, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Die Eurozone sei stabil, das Problem lasse sich durch Verhandlungen lösen.
Der stellvertretende italienische Regierungschef Luigi Di Maio kritisierte das drohende Defizitverfahren. Ein Land mit sechs Millionen Arbeitslosen dürfe nicht dafür bestraft werden, dass es in Wachstum, Arbeitsplätze und Steuersenkungen investieren wolle, erklärte der Chef der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung auf Facebook.
Als Nächstes müssen nun die Euroländer entscheiden, ob sie der Empfehlung aus Brüssel folgen. Zuständig ist der Wirtschafts- und Finanzausschuss. Er hat zwei Wochen Zeit, die Angaben der EU-Kommission zu prüfen. Eine Stellungnahme wird noch vor dem nächsten Treffen der Eurofinanzminister am 13. und 14. Juni erwartet.
Fällt sie zustimmend aus, kann die EU-Kommission ein Defizitverfahren einleiten. Bis es zu Geldbußen kommt, sind allerdings viele weitere Schritte nötig. Die Strafe könnte sich auf bis zu 0,5 Prozent des BIP belaufen – derzeit zehn Milliarden Euro.
Noch härtere Strafen drohen auf den Finanzmärkten. Wenn sie Italien herabstufen und noch höhere Zinsen verlangen, könnte dies eine neue Eurokrise auslösen. Die würde dann nicht mehr nur Rom treffen, sondern auch Brüssel und Berlin.
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