WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich: Kein Grund zum Fürchten
Österreich redet sich zwar stark, ist es aber nicht. Exemplarisch zeigt sich das an Marko Arnautovic, der auf den kategorischen Imperativ pfeift.
WIEN taz | Aus Österreichs Hauptstadt Wien tönt in diesen Tagen ein Pfeifen, wie es Knaben ausstoßen, wenn sie sich im dunklen Wald Mut machen wollen. Das Gepfeife kommt aus dem Trainingslager der österreichischen Nationalmannschaft und wird als Zeichen des Selbstbewusstseins missverstanden. „Sie respektieren uns“, sagt ein Teamspieler. „Mit einem Tor in Führung gehen, dann werden sie nervös“, setzt ein anderer nach.
„Je länger es null zu null steht, desto größer werden unsere Chancen“, tönt der Dritte. Dann nehmen sie einander bei der Hand und machen, dass sie fortkommen. Zum Mittagessen, zur Nachmittagsruhe. Zur Massage.
Die Österreicher werden am Freitag wieder einmal gegen die Deutschen Fußball spielen (20.45, ZDF), es geht um die Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien. Das Spiel und die Aussicht, zum ersten Mal seit der WM in Frankreich 1998 wieder an einer Endrunde teilzunehmen, ist aber auch ein Grund zum Fürchten.
Nach dem 0:2 gegen die Griechen in einem Testspiel vor ein paar Wochen hat bei den Österreichern wieder das Knieflattern eingesetzt.
Zugegeben, das 2:1 der Deutschen in Wien war ein mehr dem Glück als der Souveränität geschuldeter Sieg. Die Deutschen führten 2:0, da schoss der Werder-Legionär Zlatko Junuzovic das 2:1. Statt auf die endgültige Niederwerfung der aufmüpfigen Österreicher zu drängen, ließen sie diese gewähren und mussten froh sein, dass in den letzten Sekunden des Spiels der Ex-Bremer Marko Arnautovic nicht eine Torchance ausließ, deren Verwandlung der sprichwörtlichen Oma keine Mühe bereitet hätte.
Womit das personelle und prinzipielle Problem der Österreicher angerissen wäre. Die Form und das Selbstbewusstsein wichtiger österreichischer High-Performer befindet sich im freien Fall. Arnautovic wurde in Bremen aussortiert und musste froh sein, dass ihn Stoke City aus der englischen Premier League als Ladenschlussschnäppchen erwarb. Arnautovic spielte bei Bremen in den vergangenen Spielen bestenfalls eine Rolle als Aushilfskraft, im Nationalteam darf er seine fürs Spiel unerheblichen Tänzchen drehen, ohne von Teamchef Marcel Koller Konsequenzen befürchten zu müssen.
Nicht nur wirkte Arnautovic alles andere als topfit, zum 2:1-Sieg der Österreicher über die Schweden lieferte er in 90 Minuten so gut wie keinen Beitrag, schoss gefühlte elf Mal aufs Tor, ohne es ein einziges Mal zu treffen. Im Match gegen die Griechen wirkte er phasenweise wie seine eigene Karikatur. Für ihn scheint Koller eine separate Regel festgesetzt zu haben: Während für alle anderen Kaderspieler der kategorische Imperativ der Pflichterfüllung gilt, wird Arnautovic mit dem Konjunktiv gestreichelt: Sollte er einmal das tun wollen, was wir von ihm erwarten, würden wir uns sehr freuen.
Ein derart auf Gleichheit pfeifender Teamchef riskiert, bei den Spielern unglaubwürdig zu werden. Doch noch liegt Österreich auf dem zweiten Gruppenplatz. Der Gruppenzweite darf gegen einen anderen Gruppenzweiten um ein WM-Ticket spielen. Falls Koller so weitermacht, könnte die Chance auf die Reise nach Brasilien allerdings nach den beiden bevorstehenden Spielen gegen Deutschland und Irland (am Dienstag) auch schon wieder vorbei sein.
So ist es Koller nach beinahe zwei Jahren Amtsführung nicht gelungen, ein funktionierendes Angriffskonzept auszuarbeiten. Immer noch setzt er auf den bei Trabzonspor auf die Tribüne verbannten und seriell verletzten Center Mark Janko. In der Innenverteidigung kommt immer noch der fußballerisch krass unterbemittelte Emanuel Pogatetz (1. FC Nürnberg) zum Einsatz. Er wurde bis zu den beiden Spielen sogar dem ungleich besseren Alexandar Dragovic (Kiew) vorgezogen. Im Mittelfeld stünde ihm statt des unsicheren Kantonisten Arnautovic der zwar nicht geniale, aber als Antreiber, Einfädler und Torschütze einigermaßen verlässliche Andreas Ivanschitz (Levante UD) zur Verfügung.
Dazu kommt, dass auf der linken Seite Christian Fuchs (Schalke) kriselt. Ihn mit dem besten linken Verteidiger Europas, David Alaba (Bayern München), zu ersetzen, geht freilich nicht. Alabas strategische Fähigkeiten werden im Mittelfeld gebraucht. Dort wird ihm diesmal vielleicht die Hilfe eines Zlatko Junuzovic abgehen, der an einer vom ÖFB geheim gehaltenen Verletzung laboriert.
Junuzovic ist vom restlichen ÖFB-Personal freilich nicht zu ersetzen. Sein Nebenspieler Julian Baumgartlinger (Mainz) ist ein braver Arbeiter, aber für das Spiel nach vorne kaum zu gebrauchen. Wer mit Arnautovic und also mit einem Mann weniger aufläuft, wer die Fehlpassmaschine Pogatetz zur Spieleröffnung verwendet und links und rechts in der Abwehr unkreative Handwerker einsetzt, braucht Junuzovic’ Fleiß, Ideen und Härte wie einen Bissen Brot.
Es wird also eng für die Österreicher. DFB-Teamchef Jogi Löw weiß das und hat einen Sieg versprochen. Auch er braucht wieder einmal ein eindeutig schönes Spiel, und im Unterschied zu den Österreichern senken die deutschen Krankenstände die Qualität der Mannschaft kaum. Im Gegenteil.
So gesehen ist es kein Wunder, dass die Österreicher vor Angst pfeifen.
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