WERTE: Henkel hört zu
Innensenator Frank Henkel diskutierte mit SchülerInnen im Wedding über Gewalt.
Bushido oder Sido oder den Rapper Kollegah, der mit seinem aktuellen Album „Jung, brutal, gutaussehend 2“ gerade Heino von Platz 1 der Albumcharts vertrieben hat, hätten sie auch ganz gern zu Gast gehabt. Doch nun ist es Innensenator Frank Henkel (CDU), der in der Herbert-Hoover-Schule im Wedding mit ZehntklässlerInnen über Gewalt und Werte diskutiert. Vorangegangen ist für die SchülerInnen ein mehrtägiger Workshop zum Thema. Für den Innensenator ist der Schulbesuch Teil eines „Wertedialogs“, der ihn schon zu Neuköllner Jugendprojekten und in die Haftanstalt Plötzensee geführt hat.
Von einem Gangster-Rapper hat Henkel nun rein gar nichts. Mit grauem Anzug und weiß-rosa Krawatte gibt er stattdessen den Prototyp des langweiligen Politikers. Und wirkt anfangs fast ein wenig unsicher angesichts der spürbar erwartungsvollen Jugendlichen, die geduldig zuhören, als er seine Einführung in den Dialog in einen zehnminütigen Monolog fasst: „Mir obliegt die Sicherheit der Stadt.“
Doch am Ende kriegt Henkel die Kurve – und hat tatsächlich eine Menge Fragen an die jungen Weddinger. Der Tod des 20-jährigen Jonny, der im Oktober auf dem Alexanderplatz von anderen Jugendlichen totgeprügelt worden war, habe ihn erschüttert – und zu diesem Wertedialog gebracht: „Wie kann es sein, dass es unter uns Menschen gibt, für die ein Menschenleben offenbar keinen Wert mehr hat?“, fragt der Senator. Und will von den Jugendlichen wissen: „Was können wir dagegen tun?“
„Respekt!“, lautet deren Antwort. Auf Flipcharts haben sie die Ergebnisse ihres Workshops zusammengefasst. Wo erleben sie Gewalt? „Auf der Straße.“ Wo Respekt, Werte? „In der Moschee.“ Henkel nickt und hört zu. Er wolle „mit Menschen ins Gespräch kommen, und dabei Unterschiede achten, weil sie mir wichtig sind“, hatte er eingangs gesagt.
Sein Respekt bringt die Jugendlichen zum Reden. Man müsse versuchen, sich auch in die hineinzudenken, die man nicht gleich versteht, raten sie ihm. Und schwärmen von ihrem Kiezpolizisten, der das könne. Als Henkel fragt: „Was tätet ihr, wenn ihr einen Tag an meiner Stelle wärt?“, dürften die Antworten ihm nicht alle gut gefallen: Mehr Streifenpolizisten fordern die Jugendlichen und auch mehr Jugendprojekte. Und: „So viele Schulen wie möglich besuchen – und dabei einen Rapstar mitnehmen. Damit wir das alles nicht immer nur von langweiligen Menschen hören.“ Der Innensenator dankt herzlich.
Am Montag um 15.30 Uhr wird Henkel seinen Wertedialog fortsetzen: Bei einer Diskussionsrunde im Kulturzentrum „Weiße Rose“ in Schöneberg – mit Jugendlichen, VertreterInnen von Polizei und Jugendsozialarbeit und der Schwester des getöteten Jonny.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern