Vorwürfe wegen Polizeigewalt: Polizei weiß mal wieder (fast) nichts
Die Polizei weist Vorwürfe wegen des eskalierten Einsatzes am Kottbusser Tor zurück. Grünen-Abgeordnete June Tomiak kritisiert mangelhaften Aufklärungswillen.
Die Berliner Polizei sieht offenbar keinen Bedarf an einer selbstkritischen Aufarbeitung des aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatzes Ende September am Kottbusser Tor. Das ergibt sich aus den bislang unveröffentlichten Antworten auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten June Tomiak, die der taz vorliegen. Darin heißt es etwa zu den Vorwürfen zweier Jugendlicher, sie hätten sich auf der Polizeiwache vor mehreren Beamten nackt ausziehen müssen und seien rassistisch beschimpft worden, dies könne „von der Polizei Berlin nicht bestätigt werden“ und „ein solcher Sachverhalt ist nicht bekannt“.
Am Nachmittag des 27. September war die Festnahme eines randalierenden jungen Mannes derart eskaliert, dass sich eine Gruppe von Schaulustigen – laut Polizei bis zu 250 Menschen – mit ihm solidarisierte, aus der heraus teilweise mit Gegenständen nach den Beamten geworfen wurde. Auf einem Video, das später bei Twitter kursierte, ist zu sehen, dass irgendwann vier Beamte den Mann am Boden halten, als ein fünfter dazukommt und ihm mit voller Wucht in den Bauch tritt.
Ein anderes Video zeigt, wie Beamte die Menge mit Körpereinsatz und gezückten „Reizstoffsprühgeräten“ zurückhalten – einer zieht sogar eine Waffe. Dies habe er aus „Eigensicherungsgründen“ getan, heißt es in der Antwort der Innenverwaltung.
Am Ende waren drei Beamte verletzt, „zum Teil längerfristig“, so die Antwort, gegen drei Polizisten werde wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, gegen drei Beteiligte liefen Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
„Nicht auskunftsfähig“
Auf die Frage Tomiaks, welche Erkenntnisse der Senat darüber habe, warum auch einem der oben erwähnten Jugendlichen, die laut Medienberichten an der Sache nicht beteiligt waren und dennoch festgenommen wurden, der Kiefer gebrochen wurde, heißt es: „Mögliche Verletzungsbilder sind Teil des Ermittlungsverfahren und somit nicht auskunftsfähig.“
Auf die Frage, wie man den Einsatz im Nachhinein aufarbeite, heißt es: Man lege dabei „einen besonderen Focus auf Aspekte der Eigensicherung“ sowie der „Nachsorge von verletzten bzw. traumatisierten Dienstkräften“.
June Tomiak (Grüne)
Gegenüber der taz nennt June Tomiak die Antworten „befremdlich. Es ist kein Wille zu einer tiefergehenden Aufklärung des Sachverhaltes zu erkennen. Wenn eine Festnahme so eskaliert, dass 250 Einsatzkräfte beteiligt werden und einzelne Beamt*innen ihre Schusswaffe ziehen, erwarte ich von der Berliner Polizei eine kritische und detaillierte Aufarbeitung des Einsatzes.“ Auch dass die Vorwürfe der beiden Jugendlichen nicht geklärt wurden, sei „nicht akzeptabel“. Solche Vorwürfe müssten „ernst genommen und transparent aufgearbeitet werden“.
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