Vorwürfe wegen Bezahlsystem: EU droht Apple mit hoher Strafe
Apple hat eine starke Marktstellung. Die EU-Kommission glaubt, dass das Unternehmen Innovationen beim mobilen Zahlen mit Smartphones behindert.
Nutzt Apple seine starke Marktstellung bei Smartphones, um seiner digitalen Geldbörse Apple Pay Vorteile zu verschaffen? Die EU-Kommission hat vorige Woche ein Beschwerdeschreiben an Apple verschickt, das für Apple noch teuer werden kann. Das Smartphone hat schon viele Funktionen. Man kann Telefonieren, Zeitung lesen, Fotografieren und inzwischen auch an der Ladenkasse seine Einkäufe bezahlen. Banken haben hierzu entweder eigene Apps entwickelt oder sie nutzen die digitalen Geldbörsen von Google (Google Pay) oder Apple (Apple Pay).
In der Regel erlauben Banken das kontaktlose Zahlen bei Beträgen bis 25 Euro ohne weitere Authentifizierung (etwa durch eine PIN). Die Kund:in hält nur das Smartphone nahe an das Terminal im Laden, schon ist die Zahlung angewiesen. Diese verschlüsselte Nahfeldkommunikation (Near Field Communication, NFC) nutzt die RFID-Technologie und ist heute der Standard beim mobilen Bezahlen. Das iPhone 6, das 2014 auf den Markt kam, war das erste Apple-Smartphone, das einen NFC-Chip aufwies. Apple sorgte jedoch dafür, dass nur seine eigene Geldbörse Apple Pay diese NFC-Schnittstelle nutzen kann.
Die Apps von Banken dürfen auf iPhones nicht auf die NFC-Technologie zugreifen. Auch Entwickler von konkurrierenden digitalen Geldbörsen erhalten keinen NFC-Zugriff. Apple begründet dies mit Sicherheitsbedenken. Allerdings gibt es diese Beschränkungen beim konkurrierenden Betriebssystem Android von Google nicht, das auf über 70 Prozent der Smartphones läuft. Die EU-Kommission hatte schon im Juni 2020 eine förmliche Untersuchung gegen Apple eingeleitet. Zuvor hatte sich zum Beispiel der Zahlungsdienst Paypal beschwert, der zwar eine digitale Geldbörse für Android-Smartphones entwickeln konnte, nicht aber für Smartphones mit dem iOS-Betriebssystem von Apple.
Jetzt hat die EU-Kommission ihre Untersuchung vorläufig abgeschlossen. Sie kam zum Zwischenergebnis, dass Apples Verhalten den Wettbewerb behindert und Verbraucher damit benachteiligt. iPhone-Nutzer:innen hätten keine Auswahl, welche digitale Geldbörse sie nutzen; für sie stehe nur Apple Pay zur Verfügung.
Fehlender Wettbewerb könnte Fortschritt verhindern
Der fehlende Wettbewerb hindere auch Innovationen, kritisierte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Während digitale Geldbörsen auf Android-Phones auch ergänzende Services anbieten, wie „buy now, pay later“ oder leicht zugängliche Finanzübersichten, fehlten solche bei Apple Pay. Nach Ansicht Vestagers sind sogar Android-Kund:innen von Apples Blockade negativ betroffen. Da die Entwicklung einer mobilen Zahlungs-App teuer ist, hätten schon manche Firmen auf diesen Schritt verzichtet. Das Risiko sei zu groß, wenn man nur Android-Kund:innen, nicht aber iPhone-Nutzer:innen erreicht.
Apple kann zu den Vorwürfen der EU-Kommission nun Stellung nehmen. Wenn die Kommission am Ende immer noch überzeugt ist, dass Apple eine marktbeherrschende Stellung missbraucht hat, kann es eine Geldbuße verhängen. Maximale Höhe: 10 Prozent des Vorjahresumsatzes von Apple (das 2021 einen Jahresumsatz von 365 Mrd. Euro erzielte). Sollte Apple nicht reagieren, könnte die Kommission zusätzlich tägliche Zwangsgelder in Höhe von 5 Prozent des Tagesumsatzes anordnen. Apple könnte gegen solche Sanktionen aber auch Rechtsmittel beim Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg einlegen.
Für die EU-Kommission ist dieses Verfahren nur ein Vorspiel für die Anwendung des Digital Markets Act, eine EU-Verordnung, die kurz vor der Verabschiedung steht und wohl ab Anfang 2023 gelten wird. Dann sind Digital-Konzerne, die als Gatekeeper gelten, direkt verpflichtet, die Interoperabilität (Zusammenarbeitsfähigkeit) ihrer Hard- und Software sicherzustellen. Dazu gehöre auch der NFC-Zugang beim mobilen Bezahlen, betonte Kommissarin Vestager.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge