Vorwürfe um Störfall bei Tesla: „Sie vertrauen Tesla blind“
Die Chemie-Havarie bei Tesla in Grünheide – nur eine kleine Panne? Der kommunale Wasserverband wirft dem Landkreis Verharmlosung vor.
Die Betriebsstörung in Grünheide und die vielen Unklarheiten, die sich anfangs darum rankten, hatten sogar Comedian Jan Böhmermann zu einem sarkastischen Tweet animiert: „150.000 Liter Chemikalien aus der Brandenburger Tesla-Fabrik ins Wasserschutzgebiet ausgelaufen. Was hat Elon vor? Brandenburg ein zweites Brandenburg auf dem Mars verkaufen?“ Dies rief das Umweltministerium in Potsdam auf den Plan, das ein paar Dinge gerade rückte. Es habe sich nur um 15.000 Liter gehandelt, die zudem komplett aufgefangen worden seien. Im Freien ausgelaufen seien dann „2–3 Liter“, und zwar aus den Schläuchen des Entsorgungsunternehmens – eine Mini-Panne also.
An diesem Montag nun veröffentlichte die Plattform „FragDenStaat.de“ ebenfalls per Twitter Dokumente, die sie beim Landesumweltamt auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes angefordert hatte. Vieles davon ist auf Bitte von Tesla geschwärzt – damit sollen „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ geschützt werden.
Augenscheinliche Widersprüche in der Darstellung des Vorfalls
Nachvollziehbar wird jedoch eine Korrespondenz von Ende April bis Anfang Mai – zwischen dem Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE), der die Wasserversorgung in der Region sicherstellt, und der Unteren Wasserbehörde des Landkreises Oder-Spree in Beeskow. Diese ist unter anderem für die Überwachung von Störfällen zuständig, die die Trinkwasserversorgung gefährden.
Anhand eines Fotos, das auch die Wasserbehörde verbreitet hatte und das eine rosafarbene Substanz neben der Tesla-Halle zeigt, moniert der Verband „augenscheinliche Widersprüche“ zu Aussagen der Behörde. Dass die Chemikalien angeblich nicht in die Schmutzwasserkanalisation gelangt seien, erschließe sich nicht – auf dem Foto erkenne man, dass die durch das Bindemittel erzeugte Färbung bis zu einem Gullydeckel reiche. Auch habe die Behörde zu Unrecht jede Gefährdung des Grundwassers ausgeschlossen: Das Foto zeige eine unversiegelte Fläche direkt neben dem großen pinken Fleck.
All dies erwecke „den Anschein“, so der WSE in seinem Schreiben, „dass Sie nicht beabsichtigen, solche Störfälle konsequent nachzuverfolgen“. Zumal der Wasserverband erst mehrere Tage nach dem Vorfall und auch nur auf Nachfrage darüber informiert worden sei.
„Bindemittel großzügig aufgebracht“
Den weiteren Fortgang der Korrespondenz hat der Verband auf seiner Website publik gemacht. So erwiderte die Untere Wasserbehörde, man sei sehr wohl vor Ort gewesen: am 13. April nämlich, also zwei Tage nach dem ursprünglichen Havarie und einen Tag nach der Sache mit den Schläuchen.
Da seien die Spuren aber schon durch die Tesla-Werksfeuerwehr beseitigt worden. Die habe auch erklärt, das Bindemittel sei bis zum Gully und bis zum unbefestigten Erdreich „als vorsorgliche Barriere großzügig aufgebracht“ worden – offenbar der Grund, warum es scheint, als sei die Chemikalie bis dorthin vorgedrungen.
Der Briefwechsel endet mit einem Rückschreiben des Wasserverbands, in dem man trotz dieser Beteuerungen „den nötigen Ernst“ im Handeln der Behörde vermisst. Beigefügt ist eine Drohnenaufnahme, die noch am 15. April Spuren auf der unversiegelten Fläche zeigt.
Blindes Vertrauen in die Angaben von Tesla
Das wäre Anlass genug für eine Untersuchung des Erdreichs gewesen, so der Verband. Tatsächlich hatte die Wasserbehörde eine „organoleptische Beprobung“ dieses Bereichs erwähnt – auf gut Deutsch ist das aber wenig mehr als eine Riechprobe. Das Urteil des Verbands über die Untere Wasserbehörde: „Wir müssen weiter davon ausgehen, dass Sie den Angaben von Tesla blind vertrauen und die Verantwortung für unsere Trinkwasserzone gänzlich ignorieren.“
Auf taz-Anfrage schließt sich Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide dem an. „Wir sind uns mit dem Wasserverband einig, dass man mit einer solchen Sache nicht so lax umgehen kann“, so der Tesla-Kritiker, der in dieser Sache auch für den Brandenburger Nabu und die Grüne Liga spricht.
Keine Kontrolle trotz Wasserschutzgebiet
Da die Tesla-Autofabrik größtenteils in einem Wasserschutzgebiet liege, sei ein hoher Schutzaufwand nötig. „Bei einem Störfall muss am besten innerhalb weniger Stunden eine Kontrolle vor Ort erfolgen.“ Das sei hier nicht geschehen, und lange sei auch gar nicht bekannt geworden, welche Substanzen ausgetreten waren.
„Ein Beispiel, wie man es nicht machen darf“, findet Schorcht. Die Bürgerinitiative werde weiter genau hinsehen und über jeden Verdachtsfall informieren – oder gleich Anzeige erstatten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe