Vorwürfe systematischen Dopings: Paralympics ohne Russland
Radikaler Schnitt: Das Internationale Paralympics Komitee sah in der Affäre um vermeintliches Staatsdoping die Kollektivstrafe als unausweichlich an.
Das IPC hatte noch vor seiner Verkündung weitere Informationen des kanadischen Juristen Richard McLaren erhalten, der die Untersuchung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zum vermeintlichen Staatsdoping leitete. Seine Ermittlungen ließen dem IPC aus dessen Sicht nun keine andere Wahl als die Kollektivstrafe für die Russen bei den Paralympics vom 7. bis 18. September. Russland reagierte mit Empörung auf die Entscheidung und kündigte einen Einspruch vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS an.
„Der McLaren-Report markierte meiner Ansicht nach, und auch der Ansicht des IPC-Vorstands nach, einen der dunkelsten Momente des Sports“, sagte Craven. Russland sei „nicht in der Lage, dem Anti-Doping-Code des IPC und dem Anti-Doping der WADA zu entsprechen.“
Im Gegensatz zum IPC hatte das Internationale Olympische Komitee Ende Juli noch auf einen historischen Komplett-Bann verzichtet. Stattdessen nahm das Gremium die internationalen Sommersportverbände in die Pflicht, nach strengen Auflagen über Ausschluss oder Start der Russen zu entscheiden. „Das ist deren Entscheidung“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams zum IPC-Beschluss. „Der russische Verband war in die Sotschi-Ereignisse verwickelt, und das wiegt am schwersten.“ Ihn überrasche ein kompletter Ausschluss nicht.
Entrüstung in Moskau
Das Votum des IPC fiel einstimmig. „Die Entscheidung ist nicht gegen einzelne Sportler gerichtet, sondern dagegen, dass der russische Verband seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann“, ergänzte Craven. Zugleich wolle sein Verband die Nachkontrollen aller russischen Proben von Sotschi veranlassen, kündigte der Brite an. „Ihre Gier nach Ruhm unter allen Umständen hat die Integrität und das Image des Sports schwer beschädigt.“
Russland reagierte entrüstet. Die Entscheidung des IPC sei gegen den gesunden Menschenverstand, sagte Sportminister Witali Mutko der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Der Schritt sei politisch motiviert und nahezu willkürlich. „Der Ausschluss der russischen Mannschaft ist gemein und grausam. Es ist ein Verrat an den höchsten menschenrechtlichen Standards, die eine moderne Welt ausmachen“, teilte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa mit.
Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) lobte die harte Linie als „unmissverständliche und mutige Entscheidung“. DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher erklärte: „Es handelt sich um ein wichtiges Signal hin zu einem konsequenten Anti-Doping-Kampf – im Sinne des Fair-Play-Gedankens im Sport ist diese harte Linie der völlig richtige Weg. Im Gegensatz zum IOC hat der Paralympische Sport diese historische Chance wahrgenommen, von der wir uns nachhaltige Auswirkungen auf gerechte Wettkämpfe erhoffen.“
Der McLaren-Report hatte hohe Wellen geschlagen. Dem Dossier zufolge waren im Zusammenhang mit den Winterspielen in Sotschi nicht nur Dopingproben von Olympia-Teilnehmern, sondern auch von Paralympics-Startern manipuliert wurden.
Einzelverbände kritisch
Das IPC hatte die Namen von 35 Sportlern erhalten, die in Verbindung mit verschwundenen positiven Dopingproben aus dem Moskauer Kontrolllabor stehen sollen. Am Samstag wurden zehn weitere Proben von neun Sportlern vom McLaren-Team vorgelegt.
„Tragischerweise ist die Situation so, dass es sich nicht um Athleten handelt, die ein System betrügen, sondern um ein vom Staat geführtes System, das die Athleten betrügt“, kritisierte Craven.
Neben der Internationalen Reiterlichen Vereinigung kritisierte auch der Weltverband der Bogenschützen den Komplett-Ausschluss scharf. Man sei mit dem Bann überhaupt nicht einverstanden, teilte der Verband am Sonntag mit. Das Urteil des IPC verstoße gegen die „Prinzipien der Inklusion und des Fair Play“.
Bei den Winter-Paralympics 2014 hatte der Gastgeber die Nationenwertung haushoch gewonnen. Mit 30 Gold-, 28 Silber- und 22 Bronzemedaillen heimsten russische Sportler eine bei Winterspielen nie zuvor erreichte Anzahl an Plaketten ein. Rio de Janeiro findet nun ohne Russlands Athleten statt.
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