Vorwürfe gegen Philosoph Omri Boehm: Eklat vor Rede an historischem Ort
Der israelisch-deutsche Philosoph Omri Boehm trat bei den Wiener Festwochen auf. Seine Rede sorgte schon im Voraus für Kontroverse.
Die Rede des israelisch-deutschen Philosophen Omri Boehm in Wien sorgte, noch ehe sie gehalten wurde, für erbitterten Streit zwischen den veranstaltenden Wiener Festwochen und Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde. Diese werfen Boehm vor – etwa in seinem Buch „Haifa Republic“ (Deutsch: „Israel eine Utopie“) –, mit seinen Thesen zum Nahostkonflikt und zur Zukunft des jüdischen Staates Israel in seiner Existenz zu delegitimieren.
Eine Bank sprang als Hauptsponsor der „Rede an Europa“ ab, auch das Wiener Jüdische Museum zog sich aus der Kooperation mit den Festwochen und dem Wiener Institut für die Wissenschaft von Menschen (IWM) für die Veranstaltung am Dienstagabend zurück.
Boehm war eingeladen, um über den israelisch-palästinensischen Konflikt und seine Auswirkungen auf Europa zu sprechen. Seine Gegner werfen ihm vor, den Holocaust in seiner Einzigartigkeit zu relativieren. Für Ariel Muzicant, den Präsidenten des Europäischen Jüdischen Kongresses, und andere Vertreter der israelitischen Kultusgemeinde ist es „die falsche Rede am falschen Ort“.
Der Journalist und Präsident der liberalen jüdischen Gemeinde Or Chadasch Eric Frey hingegen sieht bei Boehm zwar „verschrobene Ansichten“ zum Nahostkonflikt, aber sicher keinen Antisemitismus. Seine Gegner störe, so Boehm, „dass ich die Aufklärung vertrete“.
Nicht irgendein Ort
Der Ort der Rede unter freiem Himmel ist nicht irgendeiner. Am Wiener Judenplatz gedenkt Österreich der 65.000 in der Shoah ermordeten österreichischen Jüdinnen und Juden. Ihr Mahnmal steht mit Ablagerungen aus Jahrhunderten dazwischen letztlich auf den Trümmern des mittelalterlichen Ghettos, das 1420 in der „Wiener Geserah“ zerstört wurde.
Selten bildet ein Ort die Kontinuität jüdischer Verfolgungsgeschichte derart in einer geografischen Einheit ab. Von der gegenüberliegenden Seite blickt eine Lessing-Statue auf das Ensemble herab und verspricht eine bessere Zukunft im Geist der Aufklärung; in einer Stadt, die in den vergangenen Jahrzehnten vielfältiges jüdischen Leben hervorgebracht hat.
Dieses Vertrauen ist nach dem 7. Oktober auch in Wien erschüttert. Zentrale Vorwürfe gegen Boehm mögen der Überprüfung am Text nicht standhalten. Dennoch wäre eine andere Auseinandersetzung mit der Verunsicherung von Jüdinnen und Juden in dieser Stadt wünschenswerter als ein Theaterskandal nach bewährtem Wiener Muster. Der Judenplatz ist nicht „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard in umgekehrter Richtung.
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