Vorwahlen in den USA: Warnung für Biden, Sieg für Trump
Joe Biden und Donald Trump haben die Vorwahlen ihrer Parteien in Michigan erwartungsgemäß klar gewonnen. Doch ihre Siege sind nicht ungetrübt.
Auch der frühere US-Präsident Donald Trump siegte bei der Vorwahl der Republikaner klar gegen seine Konkurrentin Nikki Haley und holte Prognosen zufolge rund 67 Prozent der Stimmen, wobei die Auszählung noch nicht abgeschlossen war. Doch trotz der fast 40 Prozentpunkte Vorsprung kann der 77-Jährige sich nicht zurücklehnen.
Ein Duell zwischen Trump und Biden bei der Präsidentenwahl am 5. November gilt als sehr wahrscheinlich. Trump liegt in parteiinternen Umfragen bei den Republikanern weit vor Haley und hat bereits bei Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und South Carolina klar gegen die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen gewonnen, die einst Trumps Außenpolitik auf internationaler Bühne zu vertreten hatte.
Bei den Demokraten hat Biden keine ernst zu nehmende Konkurrenz. Die Republikaner küren ihren Kandidaten auf einem Parteitag Mitte Juli, die Demokraten Mitte August.
Große muslimische Gemeinde in Michigan
Michigan liegt im Norden der USA und zählt rund 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Der industriell geprägte Bundesstaat gilt als sogenannter Swing State, der weder Demokraten noch Republikanern fest zugerechnet werden kann.
Viele Bewohner Michigans arbeiten für Autokonzerne oder deren Zulieferer, Gewerkschaften haben eine große Bedeutung. Die einflussreiche Gewerkschaft der Automobilarbeiter (UAW) unterstützt Amtsinhaber Biden. Doch bei der Vorwahl lag das Augenmerk auf einem außenpolitischen Thema.
Die Abstimmung in Michigan galt als Stimmungstest dafür, wie sich Bidens Politik im Nahen Osten auf die Wahlen im November auswirken könnte, denn Muslime sind in dem Bundesstaat eine bedeutende Wählergruppe. Nach Angaben der Interessengruppe Emgage leben dort etwa 200.000 muslimische Wählerinnen und Wähler. Sie könnten im November einen merklichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben. Bei der Präsidentenwahl 2020 hatte Biden in dem Bundesstaat mit rund 155.000 Stimmen Vorsprung vor Trump gewonnen.
Für Biden war der Sieg bei der jetzigen Vorwahl in Michigan zwar Formsache. Doch er dürfte vor allem auf die Zahl derer schauen, die „unentschieden“ gewählt haben. Bei den letzten drei Vorwahlen der Demokraten in Michigan stimmten jeweils rund 20.000 Demokraten „unentschieden“. Am Dienstagabend lag die Zahl bei erst 41 Prozent der ausgezählten Stimmen bereits bei rund 50.000.
Biden wegen Unterstützung für Israel in der Kritik
Vor der Wahl hatten mehrere Gruppen aus Protest gegen Bidens Politik im Nahen Osten dazu aufgerufen, mit „unentschieden“ zu stimmen. Sie fordern einen sofortigen Waffenstillstand im Gaza-Krieg und ein Ende der US-Militärhilfe für Israel.
Doch nicht nur Muslime dürften Biden in Michigan ihre Stimme verwehrt haben. Auch jüngere, progressive Demokraten kritisieren den Präsidenten angesichts der vielen zivilen Opfer im Gazastreifen.
Biden verschärfte zwar in den Wochen nach dem beispiellosen Massaker am 7. Oktober, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen im Süden Israels verübt hatten, seine Tonart gegenüber der israelischen Regierung. Die US-Regierung betont aber gleichzeitig immer wieder Israels Recht auf Selbstverteidigung und lässt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach Empfinden vieler weiterhin gewähren.
Eigentlich sind Muslime als Wählergruppe in den USA tendenziell eher den Demokraten als den Republikanern zugewandt. Auch gilt es als unwahrscheinlich, dass Muslime, die wütend über Bidens Unterstützung für Israel sind, bei der Präsidentenwahl zu den Republikanern abwandern.
Haley will nicht aufgeben
Für Biden könnte es in einem wichtigen Swing State wie Michigan jedoch auch dann eng werden, sollten viele Wählerinnen und Wähler für einen unabhängigen Drittkandidaten stimmen oder sich dazu entscheiden, gar nicht zu wählen. In einer ersten Mitteilung seines Wahlkampfteams nach Veröffentlichung der Prognosen zum Wahlausgang ging der 81-Jährige weder auf das Thema Gaza-Krieg noch auf den hohen Anteil der Unentschiedenen ein.
Wie Biden konnte auch Trump mit einem klaren Sieg bei den Vorwahlen seiner Partei in Michigan rechnen. Doch Haley holte nach Auszählung von rund der Hälfte der Stimmen immerhin gut 27 Prozent, während der Rest für unentschieden stimmte oder sich auf aussichtslose Kandidaten verteilte.
Die Frage wird sein, wie viele dieser Haley-Anhänger bei der Präsidentenwahl im November am Ende für Trump stimmen werden, falls er antreten sollte. Einige von ihnen schließen nicht aus, sogar Biden zu wählen, um eine zweite Amtszeit Trumps zu verhindern. Dies dürfte zwar nicht für die Mehrheit der Haley-Unterstützer gelten. Aber sollte diese Gruppe nicht zur Wahl gehen oder einen dritten, unabhängigen Kandidaten unterstützen, könnte das zum Problem für Trump werden.
„Super Tuesday“ am 5. März
Nun liegt ein besonderes Augenmerk auf dem 5. März, dem sogenannten Super Tuesday. An diesem Tag finden in 15 Bundesstaaten gleichzeitig Vorwahlen der Republikaner statt. Haley hatte am Dienstagabend in einem Interview mit dem Sender CNN deutlich gemacht, mindestens bis zum Super Tuesday im Rennen bleiben zu wollen.
Trump hat sich in der Vergangenheit darüber echauffiert, dass die ehemalige Gouverneurin von South Carolina trotz mangelnder Erfolgsaussichten nicht aus dem parteiinternen Rennen aussteigen wollte. Denn solange die 52-Jährige nicht aufgibt, kann er sich nicht ausschließlich auf seinen politischen Gegner Biden konzentrieren. Stattdessen muss Trump weiterhin Geld und Zeit aufwenden, um Wahlkampf gegen Haley zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Türkei und Israel nach Assad-Sturz
Begehrlichkeiten von Norden und Süden
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz