Vorwahl in Frankreich: Rechte Lust und linke Unlust
Eitel Freude herrscht derzeit bei der konservativen Opposition in Frankreich. Im linken Lager findet man dagegen nur tiefen Frust.
Doch Mélenchon fuhr ihn gleich an: „HERR Cohn-Bendit, ich ersuche Sie, mich nicht mit dem Vornamen anzusprechen, wir sind nicht befreundet, wie Sie wissen, lassen wir die Komödie!“ Die im Studio anwesenden Journalisten waren über diesen aggressiven Ton und Mélenchons herablassende Reaktion ebenso verdutzt wie vermutlich die meisten Zuschauer. Nach einer Schrecksekunde konterte Cohn-Bendit: „MONSIEUR Mélenchon, Sie sind unglaublich lächerlich, Sie nehmen sich zu wichtig.“
Diese Karambolage wäre bloß eine kleine Anekdote am Rand eines Fernsehabends zum Sieg von François Fillon bei der bürgerliche Vorwahl gewesen, wenn dieser peinliche Zwischenfall nicht so charakteristisch wäre für den Zustand und die Stimmung in der französischen Linken.
Während die bürgerliche Rechte nach diesem triumphalen Sieg von Fillon so geschlossen ist wie schon lange nicht mehr, liefert das gespaltene linke Lager ein desolates Bild. „Die Rechte schließt die Reihen, die Linke zerreißt sich“, kommentierte Le Figaro am Montag das Landschaftsbild der französischen Politik.
Umfrage: Fillon vor Le Pen
Während die konservative Opposition jetzt ihre Kräfte gemeinsam in den Wahlkampf werfen kann, um im Mai 2017 in einer Stichwahl gegen Marine Le Pen die Macht zurückzuerobern, verausgaben sich Sozialisten, Grüne, Radikale, Linkspartei und Kommunisten in internen Rivalitäten, die den LinkswählerInnen noch lächerlicher vorkommen müssen als das Gehabe von Mélenchon.
Eine neueste Wahlumfrage illustriert die unweigerliche Folge: die Abwesenheit der Linken in der Entscheidungsrunde um die Staatspräsidentschaft. Selbst wenn François Fillon noch Konkurrenz vom bürgerlichen François Bayrou erhält, der derzeit 6 Prozent der Stimmen erhalten würde, läge er dennoch mit 26 Prozent vor Marine Le Pen vom Front National mit 24 Prozent.
Weit dahinter folgen Exwirtschaftsminister Emmanuel Macron (14), Jean-Luc Mélenchon (13), der Grüne Yannick Jadot (3), der Nationalkonservative Nicolas Dupont-Aignan (3) und diverse Vertreter der extremen Linken. Der amtierende Präsident François Hollande oder sein Premierminister Manuel Valls müssten sich dagegen mit geradezu lächerlichen 9 Prozent abfinden!
Sozialistisches Dilemma
Am Sonntag hatte Valls öffentlich erklärt, er sei in den Startlöchern und halte sich für eine Kandidatur an Hollandes Stelle bereit. Dieses Vorpreschen seines Regierungschefs hat den in Madagaskar weilenden Hollande fürchterlich geärgert, aber seine Karten hat er deswegen nicht aufgedeckt. Für die Sozialisten, die sich bereits halbwegs mit einer vernichtenden Niederlage bei der Präsidenten- und den anschließenden Abgeordnetenwahl abgefunden haben, wird das Gerangel in der Chefetage unerträglich.
Regierungssprecher Stéphane Le Foll konnte ihnen nur versichern, es werde „auf keinen Fall“ eine Vorwahl Hollande gegen Valls geben. Mit diesen Szenen der Zerrissenheit angesichts einer drohenden Wahlschlappe kontrastiert die gegenwärtige Euphorie im bürgerlichen Lager.
Noch am Wahlabend hat Alain Juppé dem Sieger seine Unterstützung zugesichert. Er konnte dabei nicht ganz verbergen, wie schmerzlich für ihn die Niederlage sein muss, nachdem ihm die Umfragen in den letzten Monaten einen klaren Sieg vorausgesagt hatten. Den aus dem Hintergrund gestarteten Fillon, der von einer rechtskonservativen Grundwelle getragen wurde, hat er übersehen und unterschätzt.
Die Vorwahl hat es der konservativen Rechten erlaubt, die politische Debatte in den Medien über Monate fast vollständig zu dominieren. Selbst von der sonst so selbstsicheren Marine Le Pen hörte man nichts mehr. François Fillon hat indes nur eine Etappe gewonnen.
Die Entscheidung fällt erst im Frühling, wenn nicht nur die Rechtswähler, sondern alle Wahlberechtigten entscheiden. Um dann eine Mehrheit zu bekommen, muss Fillon seine Wählerbasis nach rechts und zur Mitte hin erweitern. Das ist ein taktischer Hochseilakt. Fillon verkündet deshalb, er wolle als Präsident tatsächlich das umsetzen, was er verspreche.
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