Vorstoß für Olympia 2036 in Berlin: Moralgold für Deutschland
Innenministerin Nancy Faeser will die Olympischen Spiele in die Hauptstadt der Superdemokratie Deutschland holen. Das kann nicht gutgehen.
K ürzlich hatte Nancy Faeser eine Idee. Die war so gut wie der Buntbindenexport ins Emirat Katar. Innenministerin Faeser, die auch Sportministerin und Heimatschützerin ist, möchte die Olympischen Sommerspiele im Jahr 2036 nach Berlin holen, weil, und jetzt wird es interessant, eine Austragung die Glaubwürdigkeit Deutschlands beim Einsatz für Menschenrechte bei Großveranstaltungen im Ausland erhöhen würde.
Vereinfacht gesagt: Die SPD-Politikerin, die zum Zeitpunkt ihres Spieledesiderats wahrscheinlich nur noch Äppelwoi in ihrer Heimat Hessen verkostet und mithin das Erbe ihres Ideenreichtums leicht angedüdelt von der Ferne aus betrachtet, möchte einen zweistelligen Milliardenbetrag ausgeben, damit die moralisch aufgeladene Außenpolitik der Bundesregierung nobilitiert und legitimiert wird. Über den Sport. Mit Steuergeld.
Die Spiele würden, sollte das Szenario tatsächlich so über die Bühne gehen, in einer Weise politisiert, die Bauchgrimmen macht. Wo eben noch Gigantomanie, Dopingmissbrauch und Kommerzialisierung des Sports gegeißelt wurden, da herrscht nun offenbar die Übereinkunft, dass man fette Kröten schlucken müsse, damit die Welt sieht, wie ernst es Deutschland mit seiner Sicht der Dinge ist.
Oder anders: Weil wir die Nase so gern in die Angelegenheiten anderer stecken und ein Müffel-Ranking von eins bis zehn erstellen mit Stinkeländern in Nahost, Südamerika oder Rüpelregierungen in Asien, zeigen wir der Welt, wie Pril-frisch und Ariel-rein Deutschland ist, niemals korrupt, immer straight, dufte und schnieke. Top in Sachen Richtigmacherei. Eine Eins mit Sternchen stellt sich die Regierungstruppe um Nancy Faeser gern aus – und wundert sich vielleicht, warum die anderen, etwa die basisdemokratische Jury eines europäischen Sangeswettbewerbs, die Selbsteinschätzung der Deutschen nicht uneingeschränkt teilt.
100 Jahre nach den Nazispielen
Sollten sich die Visionen von Nancy Faeser materialisieren, würden aus Sportspielen im Jahr 2036 Überzeugungsspiele, die in noch nicht vom Wohl des Westens überzeugten Gegenden vielleicht Gängelungsspiele genannt werden würden.
Ganz schlimme Autokraten könnten unter Umständen sogar, horribile dictu, von Propagandaspielen sprechen, was dann dazu führte, dass gewisse Stimmen eine eindeutige Botschaft versuchten anzubringen – und zwar nicht nur im Wellenbereich des Nachrichtensenders Al-Jazeera: 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin sollten die Deutschen besser nicht klotzen, sondern sich demütig von der Bühne der Selbstdarstellung stehlen. Selbst dann, wenn man ankündigte, vorbildlichster Erinnerungskultur zu frönen.
Die hitleristische Instrumentalisierung der Spiele unter weitgehender Duldung der damaligen Sportgemeinschaft wirkt bis heute nach, erzeugt einen Albdruck, der ein lustiges Sportfest in Berlin-Mitte, Zehlendorf oder Pankow zur Groteske macht. Berlin bleibt ein olympischer Unort. Das Gelände ist belastet. Noch die hehrsten Ideen der kontrapunktischen Aktivität sind mit Spuren des alten Giftes kontaminiert.
Und in diesem toxischen Klima sind sie alle gescheitert, die bisherigen Olympiabewerbungen der deutschen Hauptstadt-Funktionäre – sang- und klanglos. Berlin, vor allem seine Politiker, sollten sich endlich von der Spiele-Idee lossagen. Jeder neue Anlauf, egal, welches PR-Etikett auch immer auf den Bewerbungsmappen klebt, sollte ins Reich der Vergeblichkeit verwiesen werden. Noch mehr: Es wäre ein Gebot des Anstands und der (sport-)politischen Klugheit, Berlin aus dem Ringe-Reigen herauszuhalten. Für immer.
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