Vorschau auf Bayern-Sevilla-Spiel: Genialer Wahnsinn
Mit welchem FC Sevilla bekommt es der FC Bayern im Viertelfinale der Champions League zu tun? Mal zaubern die Spanier, mal verzetteln sie sich.
Nun kommt der FC Bayern zum Champions-League-Viertelfinale. Die Deutschen erwartet nicht nur eine der stimmungsvollsten Atmosphären im europäischen Fußball. Sondern eben auch „Doktor Jekyll und Mister Hyde“, wie das lokale Diario de Sevilla eine Mannschaft bezeichnet, die wunderbaren Fußball spielen kann, aber ein spektakuläres Effizienzproblem hat, und bei der man deshalb nie weiß, was man kriegt.
Das Sevilla, das in der Liga sieben Tore weniger geschossen als kassiert hat und 16 Punkte hinter einem Champions-League-Rang liegt? Oder jenes, das im Pokal nach zwei Siegen gegen Atlético Madrid das Finale erreichte (21. April gegen Barcelona) und gegen Manchester United völlig zu Recht sein erstes Viertelfinale im wichtigsten Europapokal seit 60 Jahren?
Auch Trainer Vincenzo Montella war nach dem Abpfiff am Samstag wütend: „Uns haben Tore gefehlt, nicht zum ersten Mal, wir werden schlecht schlafen. “Aber da lächelte er schon wieder dieses verschmitzte Lächeln, das eine gute Portion Dramatik aus der Sache nimmt.
Taktische Balance
Der Neapolitaner, 43, kommt gut an in Sevilla, wo er zum neuen Jahr von Eduardo Berizzo übernahm, entlassen unter grenzwertigen Umständen kurz nach der Rückkehr von einer Krebsoperation. Zwar eröffnete er gleich auf schlimmste Weise mit einem 3:5 gegen den verhassten Lokalrivalen Betis, bekam zwei weitere Male fünf Gegentore und verschlechterte Sevillas Position in der Liga. Aber die Heldentaten im K.-o.-Modus tragen ebenso klar seine Handschrift.
Montella hat einen Schlüsselspieler wie den zentralen Mittelfeldmann Steven N’Zonzi zurückgewonnen, der mit Berizzo im Clinch lag und auf den es heute umso mehr ankommen wird, weil Spielmacher Éver Banega wegen einer Gelbsperre fehlt. Der Coach hat dem Team taktische Balance vermittelt und klassische Tugenden wie Aggressivität und Umschaltspiel wiederbelebt.
Gegen Manu deutete allerdings wenig bis nichts auf sevillanische Tore hin, ehe zwanzig Minuten vor Schluss des Rückspiels der flinke Wissam Ben Yedder eingewechselt wurde. Der Franzose traf mit den ersten Ballkontakten. Wie so oft: Er ist mit acht Toren (in 506 Spielminuten) der zweitbeste Champions-League-Schütze nach Cristiano Ronaldo.
Gespür für freie Räume
Dass er bei Montella trotzdem meist nur Ersatz ist, resümiert alle Widersprüche dieser Mannschaft. Die von einem ehemaligen Stürmer gecoacht wird, der offenbar alles gut trainiert außer Angriffssituationen. Vor der Anstellung in Sevilla wurde er beim AC Mailand gefeuert, nachdem vier Heimspiele nacheinander die eigene Null stand.
Andererseits ist es auch so, dass der Kolumbianer Muriel, teuerster Einkauf der Klubgeschichte (21,5 Millionen Euro von Sampdoria Genua), ein hervorragendes Gespür für freie Räume hat, der junge Argentinier Joaquín Correa so fabelhaft kicken kann wie bei seiner Volleyannahme samt Pirouette vor dem Assist zum ersten Tor gegen Barcelona und der ehemalige Futsal-Spieler Ben Yedder dagegen oft nur auf dem Bierdeckel des Strafraums operiert.
Dass sich Montella also oft für die Gesamtkomposition und gegen die Effizienz entscheidet. Wie er es gegen die Bayern tun wird, ist noch offen. Die Münchner können bloß hoffen, dass nicht genau in dieser Nacht mal beides zusammenfällt.
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