Vorkehrungen für den nuklearen Notfall: 190 Mio. Jodtabletten für den GAU
2022 sollen in Deutschland keine Atomkraftwerke mehr in Betrieb sein. Gefahren lauern aber weiter – aufgrund der Reaktoren in den Nachbarländern.

Die Jodtabletten sollen an die Bevölkerung verteilt werden, sollten radioaktive Stoffe freigesetzt werden, wie zuerst der Westdeutsche Rundfunk (WDR) am Donnerstag berichtet hatte. Die Strahlenschutzkommission des Bundesumweltministeriums (SSK) hatte empfohlen, den Vorrat an Jodtabletten aufzustocken. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima hatte das Beratergremium der Bundesregierung vorgeschlagen, den Kreis der möglichen Empfänger von Jodtabletten nach einer Freisetzung von Radioaktivität erheblich auszuweiten.
Das Unglück in Japan habe zwei Dinge gelehrt, sagte der Essener Strahlenbiologe und damalige SSK-Vorsitzende Wolfgang Müller dem WDR. „Das eine ist, dass man auch mit Reaktorunfällen der Stufe INES 7 rechnen muss, also schwerer, als man vorher angenommen hat“. Zudem könne es zu mehrtägigen Freisetzungen kommen. Das bedeute, dass unter Umständen die Windrichtungen wechseln könne und viel mehr Gebiete betroffen seien.
Das Risiko eines Super-GAU schätzt Müller trotz des für 2022 beschlossenen Atomausstiegs in Deutschland als real ein. Das liege an den zahlreichen Atomkraftwerken in benachbarten Ländern. Der Bund zahlt nach Angaben des Bundesamts rund 8,4 Millionen Euro für die Jodtabletten. Sie sollen nach den ländereigenen Konzepten dezentral gelagert und im Bedarfsfall von den Bundesländern verteilt werden.
2017 waren in der Region Aachen Jodtabletten an Bürger bis 45 Jahre sowie schwangere und stillende Frauen ausgeteilt worden. Die Behörden wollten damals Vorsorge treffen für den Fall eines schweren radioaktiven Vorfalls im belgischen Atomkraftwerk Tihange, das nur wenige Kilometer jenseits der deutschen Grenze liegt. Der dortige Atommeiler gilt wegen seines Alters und zahlreicher Risse als stör- und pannenanfällig.
Die rechtzeitige Einnahme von hoch dosiertem, nicht-radioaktivem Jod soll nach einem schweren Reaktorunfall verhindern, dass sich radioaktives Jod in der Schilddrüse eines Menschen einlagert, wo es Krebs auslösen kann.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens