Vorkaufsrecht in Neukölln: Für Pears nur saure Birnen
Die Ausübung des Vorkaufsrechts gestaltet sich in Corona- Zeiten nochmal schwieriger. Beim Luftbrückenhaus im Schillerkiez klappt es dennoch.
Doch das ist aus gleich drei Gründen schwieriger geworden: So kann Protest aufgrund der Coronaverordnung nicht wie gewohnt stattfinden; eine große öffentliche Aufmerksamkeit ist kaum noch zu erzielen. Dazu kommt, dass Bezirksämter und Wohnungsbaugenossenschaften momentan nur eingeschränkt arbeitsfähig sind. Und drittens – das ist entscheidend – müssen potenzielle staatliche oder genossenschaftliche Käufer aufgrund der Einnahmeverluste durch den Mietendeckel noch strenger prüfen, ob sie zusätzliche Ankäufe stemmen können.
Beim aktuell prominentesten Fall handelt es sich um das sogenannte Luftbrückenhaus an der Ecke Leine-/Oderstraße im Neuköllner Schillerkiez – ein markanter gelber Block mit 164 Wohnungen und 320 BewohnerInnen.
Erst vor Kurzem hatten diese mithilfe des Wissenschaftlers Christoph Trautvetter von der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgefunden, wer ihr Haus erworben hat: Es sind die Pears-Brüder, bekannt geworden durch ihren Versuch, die Kiezkneipe Syndikat aus ihren Räumlichkeiten zu schmeißen. In Berlin besitzen die Londoner über diverse Unternehmen mehr als 3.000 Wohnungen; viele davon sind bereits zu Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Im Schillerkiez sind bereits ein Drittel aller Wohnungen umgewandelt, fast doppelt so viele wie noch 2016. Das hatte Bezirksbaustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) erst kürzlich beklagt.
Pears-Brüder gehen leer aus
Dieses Szenario müssen die BewohnerInnen im Leine-Oder-Block aber nun wohl nicht mehr fürchten. Wie Biedermann am Mittwoch im Gespräch mit der taz verkündete, ließen die Pears-Brüder die Frist zur Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung, mit der sie sich zu bestimmten MieterInnenschutzzielen verpflichtet hätten, ungenutzt. Es sei „nchts eingegangen“, so Biedermann.
Somit übe der Bezirk das Vorkaufsrecht aus, zugunsten des Beamten-Wohnungs-Vereins, einer Genossenschaft mit einem Bestand von mehr als 7.000 Wohnungen. Die Kaufsumme liege im „deutlich zweistelligen Millionenbereich“, so Biedermann. Er sprach von „viel Herzblut meiner Kolleg*innen aus dem Stadtentwicklungsamt“, die in diesem Vorgang stecke und dazu geführt habe, dass Neukölln zum ersten Mal das Vorkaufsrecht für eine Genossenschaft ausüben konnte.
Dagegen können die Pears-Brüder nun zwar noch Widerspruch einlegen, allerdings mit mäßigen Erfolgsaussichten. Die BewohnerInnen werden damit belohnt für eine professionelle Protest-Kampagne, die sie in den vergangenen Wochen gestemmt hatten, inklusive mehrerer lautstarker Balkon-Proteste. Noch am Dienstagabend erhielten sie Beistand von AktivistInnen mittels einer Videokundgebung. An die Bewohnerschaft gerichtet hieß es da: „Ihr seid schon jetzt Risikokapital.“
Sorge in Kreuzberg
Weiter auf ihre Rettung hoffen die MieterInnen eines Hauses an der Ecke Manteuffel-/Muskauer Straße in Kreuzberg. Für das Gebäude mit 21 Wohnungen will der Käufer Florian Grotmann dem Vernehmen nach fünf Millionen Euro auf den Tisch legen. Eine Abwendungsvereinbarung zur Verhinderung des Vorkaufes, die etwa aufwändige Modernisierungen für die nächsten 20 Jahre und den Verkauf einzelner Wohnungen für zehn Jahre ausschließen würde, will Grotmann nicht unterschreiben. Ein weiterer Kaufinteressent dagegen habe dies angeboten, teilten die BewohnerInnen mit.
In einem Brief appellieren sie an die Politik: „Lassen Sie es nicht zu, dass unsere Stadt zusehends weiter zersetzt wird durch die Kräfte der Immobilienspekulation.“ Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts läuft am kommenden Montag aus. Laut Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) prüft die Gewobag einen Erwerb.
Vergangene Woche hatte das Bezirksamt Pankow das Vorkaufsrecht für zwei Häuser ausgeübt. Ein Haus in der Hadlichstraße 29 nahe des Rathauses Pankow mit 28 Wohnungen ging in den Besitz der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau über. Baustadtrat Vollrad Kuhn hatte darauf verwiesen, dass in dem Gebäude „ausschließlich sozial schwächere Einkommensschichten“ lebten. Mieterhöhungen hätten „unmittelbar eine verdrängende Wirkung auf die Bewohnerschaft“.
Bei einem Objekt an der Ecke Lychener Straße/ Stargarder Straße im Milieuschutzgebiet Helmholtzplatz erhielt die Genossenschaft Am Ostseeplatz den Zuschlag. 28 Wohnungen und fünf Gewerberäume wurden dadurch vor der Privatisierung geschützt.
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