Vorhang auf für Friedrich Merz: Machtmännertheater, letzter Akt
Wer hätte das gedacht? Friedrich Merz ersetzt im Coronajahr die Sehnsucht nach dem Theater. Nur leider ist das Stück schon ziemlich alt.
G erade gibt es so einiges, was ich vermisse: die Zeit, in der ich noch nie von Querdenkern gehört habe. Das unbeschwerte Gedränge in Bars. Unbeschwertheit ganz allgemein. Und ich vermisse Theater. Zum Glück gibt es zumindest für das letzte Problem eine Lösung und die heißt Friedrich Merz. Vor 2020 hätte ich nie gedacht, dass Friedrich Merz mal die Lösung für eines meiner Probleme sein könnte. Aber tatsächlich kann man auch von Merz’ darstellender Kunst etwas lernen. Vorhang auf.
Spot an: Ein Montag im Oktober. Ein tödliches Virus tobt auf der Erde. In Berlin ist die Sonne bereits untergegangen. Eilmeldung: Der Nürnberger Christkindlmarkt wird im Coronajahr nicht stattfinden können. Und: Auch der CDU-Parteitag muss verschoben werden.
Joachim Friedrich Martin Josef Merz diktiert seinem Social-Media-Team (tm) einen Tweet. Ob er dabei in einem Büro voller afrikanischer Kunst sitzt, wie Der Spiegel zuletzt über den Virologen Hendrik Streeck herausfand, ist unklar. Aber ähnlich wie im Duell Streeck vs. Drosten steckt auch Friedrich Merz in einem obermännlichen Zweikampf.
Der wertkonservative Held kämpft längst nicht mehr nur gegen Armin Laschet um den Parteivorsitz der CDU. Nein, es stellen sich ihm auch Teile des Parteiestablishments entgegen. Sehen wir eine moderne Interpretation von David gegen Goliath? Oder eine kluge Trump-Satire?
Das Netz als Bühne
In der CDU laufe der letzte Teil der Aktion „Merz verhindern“, lässt Merz im Netz verkünden. Und: „Ich habe klare Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu verbessern. Ich führe ja auch deutlich in allen Umfragen. Wenn es anders wäre, hätte es in diesem Jahr sicher noch eine Wahl gegeben.“
Zweiter Spot auf die andere Seite der Bühne: Eine Gruppe Menschen in blauen Hoodies und mit Papiertüten über den Köpfen verkörpert das Internet. Lederne Handschuhe halten ausgedruckte Merz-Memes in die Luft. Ein Chor aus schlechten Wortwitzen und selbstgerechter Häme cancelt das wenige, was Mann auf der anderen Seite der Bühne noch sagen darf: „Ihr zermürbt mich nicht!“, wiederholt Merz stoisch, immer wieder. Plötzlich: Alle Spots aus, Stille, Dunkelheit. Nach 20 Sekunden eine Stimme: „Und? Was jetzt? Wollt ihr gar nicht wissen, wer gewinnt?“
Saallicht an: Kein Publikum, wegen Corona haben alle besseres zu tun. Nur eine Kritikerin geht live auf Instagram: „Hab das Stück mit dem Politik-LK schon mal gesehen. Nichts Neues. Geht um Typen mit Gasluftballonegos, die lieber wichtig sein als Verantwortung tragen wollen – same old, das langsame Ende des Patriarchats. Irgendwie Vintage.“ Eine Reinigungskraft wuchtet einen Eimer Wasser auf die Bühne und schüttet ihn direkt neben Merz aus. „Ich bitte Sie!“, ruft der. Die Frau zückt den Wischmopp und zuckt mit den Schultern: „Ne, ich bitte Sie. Runter jetzt, Vorhang zu. Ich muss hier nämlich arbeiten.“
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