piwik no script img

Vorgeschlagene ReisebeschränkungenBerlin als Sperrgebiet

Manuela Schwesig und Daniel Günther wollen Ein- und Ausreiseverbote für „Hochrisikogebiete“. Konkret im Blick haben sie Berlin-Neukölln.

Hochrisikogebiet? Abstrich bei einem Coronatest in Berlin-Neukölln Foto: Kay Nietfeld/dpa

Rund acht Stunden konferierte Angela Merkel am Mittwoch mit den 16 Regierungschef:innen der Länder – angesichts der dürftigen Ergebnisse erstaunlich lang. Aber möglicherweise ist es auch besser, dass nicht viel mehr herausgekommen ist. Denn offenkundig wurde bei dem Treffen im Kanzleramt auch über recht merkwürdig klingende Vorschläge intensiv diskutiert.

Ein erster Hinweis darauf kam kurz nach Beratungsende. „Die Stadt war in ihrer Geschichte mehrfach abgeriegelt, das ist für mich keine Option“, verkündete da Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. Beruhigend für Menschen, die in Berlin leben – und eigentlich eine Selbstverständlichkeit angesichts der Berliner Historie. Aber warum sah sich Müller überhaupt zu einer solchen Feststellung veranlasst?

Inzwischen ist das bekannt. Denn am Donnerstag plauderte bei „Illner“ im ZDF Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig über einen Vorschlag, für den sie gemeinsam mit ihrem schleswig-holsteinischen Amtskollegen Daniel Günther beim „Coronagipfel“ geworben hatte: Aus- und Einreisebeschränkungen für sogenannte Hochrisikogebiete. „Deswegen muss man ja nicht gleich ganz Berlin lahmlegen“, gab sich Schwesig generös.

Aber Neukölln schon: Explizit benannte sie den Berliner Bezirk mit seinen aktuell 168 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner:innen binnen sieben Tagen. Schwesig hätte auch noch gut den Bezirk Mitte aufführen können, wo es mit 140 Neuinfizierten ebenfalls nicht gerade gut aussieht. Dann hätte die Sozialdemokratin auch noch den Bundestag und die Bundesregierung im Sperrgebiet gehabt. Das wäre zwar konsequent gewesen, verkniff sie sich jedoch lieber.

Aus- und Einreiseverbote innerhalb Berlins? Wer auf solch eine irrwitzige Idee kommt, muss entweder eine stille Sehnsucht nach der guten, alten Zeit vor dem 9. November 1989 hegen – oder geschichtsvergessen sein. Ob die Polizei reichen würde, um die Bezirksgrenzen zu bewachen – oder bräuchte es Grenzsoldat:innen? Warum nicht gleich ein Anticoronaschutzwall?

Machbar ist vieles. In China sind ganze Millionenstädte abgeriegelt worden. Aber eine „chinesische Lösung“ war noch nie eine gute Empfehlung für Deutschland, das erkannte sogar schon die Staats- und Parteiführung der DDR 1989. Und das gilt heute immer noch – selbst bei der Bekämpfung des Coronavirus. Da kann, sollte und muss man vieles machen. Aber: Berlin muss grenzenlos bleiben. Pascal Beucker

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • genau ...

    laßt alle wild durch die republik tanzen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Zitat: „Deswegen muss man ja nicht gleich ganz Berlin lahmlegen“, gab sich Schwesig generös."

    Ich verstehe, dass Frau Schwesig Infektionen aus ihrem Bundesland fernhalten will - die alte Peststrategie.

    Das alles wäre aber gar nicht nötig gewesen, wenn man frühzeitig durchgegriffen hätte. Besonders negativ sind mir M. Herrmann und von Dassel aufgefallen - zwei grüne Totalversager!

  • ..... Aber eine „chinesische Lösung“ war noch nie eine gute Empfehlung für Deutschland, das erkannte sogar schon die Staats- und Parteiführung der DDR 1989.....



    Habe ich im Laufe der Zeiten Erinnerungsveränderungen bekommen:

    Warum die SED-Führung die „chinesische Lösung“ lobte

    www.welt.de/geschi...ische-Loesung.html

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @Ringelnatz1:

      Das widerspricht sich nicht: Ja, die SED-Führung hat die „chinesische Lösung“ gelobt - aber sich dann zum Glück dagegen entschieden, sie sich zum Vorbild zu nehmen.

      • @Pascal Beucker:

        Danke.



        Einverstanden.

      • @Pascal Beucker:

        Nannte sich das früher nicht etwa so:

        “Links blinken - Reaktionär abbiegen?“



        Volkers 👄 tat‘s einst so & ähnlich kund.



        & Däh! Doch Doch. Jedoch: Bayernkurier



        Heut besteht dank PU die Schwierigkeit:



        Fjutscher2 Immergriiens: Blinkern breit!



        & Liggers - mal ehrlich! dir & mir - 🤫 -



        Rudolf Walther hat da ganz recht scho!



        “Wenns löwt - dann löwt‘s! & eh eso! 🤑

      • 8G
        83492 (Profil gelöscht)
        @Pascal Beucker:

        Können Sie mir dann bitte erklären, warum die Infektionszahlen in China so niedrig sind? Haben die noch einen Lock-Down, testen die nicht, fälschen die Zahlen, oder ist am Ende doch ein striktes Handeln die langfristig beste Option?

        www.worldometers.i...rus/country/china/

        • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
          @83492 (Profil gelöscht):

          Anders als die Menschen in China leben wir glücklicherweise in einer Demokratie.

          • 8G
            83492 (Profil gelöscht)
            @Pascal Beucker:

            "Anders als die Menschen in China leben wir glücklicherweise in einer Demokratie."

            Das beantwortet leider nicht meine Frage. Bzw. könnte Ihre Antwort so gedeutet werden, dass Demokratien solche Krisen nicht bewältigen können. Die Wahl wäre dann Unfreiheit oder Pandemie.

  • Wenn man jemandem aus Hanoi diesen Text vorlegt, lacht er/sie/* sich mit ziemlicher Sicherheit kaputt. Für Auckland und Helsinki gilt das Gleiche.

    Kein Pathogen hat sich jemals für das interessiert, was seine Wirte gerne hätten. Und Viren sind da besonders speziell: die spulen ein festgelegtes Programm ab, und sind absolut rigide und nicht in der Lage, externe Faktoren einzubeziehen. Wenn man sie versteht, sind selbst Pocken, Ebola und Tollwut keine große Gefahr. Wenn nicht, dann halt nicht. Der Preis für Ignoranz wird in Menschenleben gezahlt.

  • 0G
    01068 (Profil gelöscht)

    " Berlin muss grenzenlos bleiben."



    Ganz genau!



    Und nicht nur Berlin! Aus- und vor allem Einreisebeschränkungen haben schon im März auf europäischer Ebene nicht funktioniert, aus politischen, praxistauglichen und sozialen Gründen.



    Warum holt man es jetzt wieder hervor?



    Für mich ein Zeichen von blindem Aktionismus.

    • @01068 (Profil gelöscht):

      Na, weil sie sich in Ländern wie Neuseeland eigentlich bewährt haben.

  • Ich wünsche diesen Ländern für die nächsten Jahre einen nachhaltigen Effekt und leere Küsten. Neben dem besseren Wetter, den netteren Menschen findet man am Mittelmeer als Süddeutscher in gleicher Entfernung inzwischen die angenehmeren Gastgeber in Politik und Verwaltung.