Vorauseilender Jahresrückblick: So wird’s gewesen sein
Die Elbvertiefung wird beschlossen, die Rinne nach Helmut Schmidt benannt, es gibt Mückenplage und Eispreisbremse: das taz-Orakel zum Jahr 2016.
Januar
„Mehr Bürgernähe, Integration heute“ – diese Losung hat der Hamburger Senat für das Jahr 2016 ausgerufen und lässt zum ersten Mal den Neujahrsempfang im Hamburger Rathaus auf Videoleinwände in die Stadtteile übertragen. „Integration ist gelebtes Miteinander“, sagt Oberbürgermeister Olaf Scholz in Richtung der 120 geladenen Flüchtlinge, die vor dem Rathaus in einem Zelt bei Erbsensuppe und Hagebuttentee mitfeiern.
Aber nicht nur in Bezug auf die Einbindung der Zugezogenen wolle der Senat den Bürgern ein Vorbild sein, auch sonst stünde das neue Jahr unter dem Zeichen der Bürgernähe, sagte Scholz und versprach „viele tolle Überraschungen“ für die Bürger. Der Hashtag, um über Twitter auf dem Laufenden zu bleiben: ÜfBü.
Nachdem das Museum für Kunst und Gewerbe wegen der Zurschaustellung von Großkonzernen wie Ikea und Apple in die Kritik geraten ist, hat man sich entschieden, mal wieder etwas Eigenes zu machen und zeigt die Wanderausstellung des Goethe Instituts „Geniale Dilletanten“, die die Subkultur der 80er beleuchtet. In der Nacht zur Eröffnung schleichen sich Überlebende der hanseatischen Kulturdürre ins Museum und überkleben die Bilder mit Fotos aktueller Senatsmitglieder. Olaf Scholz erklärt das Museum zum „Gefahrengebiet“. Passanten und Besucher werden auf Klobürsten und Teebeutel untersucht.
Karin Beier inszeniert im Schauspielhaus Michel Houellebecs Stück „Unterwerfung“. Proteste bleiben aus. Entnervt „von der geringen Unterstützung der Hamburger für meine Arbeit“ wirft die Intendantin hin.
Februar
Unter #ÜfBü1 wird die erste „Überraschung für Bürger“ bekannt gegeben: Zum ersten Todestag von Helmut Schmidt, am 10. November soll der Flughafen in „Helmut Schmidt Flugport“ umbenannt werden. Nicht durchsetzen konnte sich Katharina Fegebank mit ihrer Forderung, die Terminals nach den Nebenfrauen des Altkanzlers zu benennen.
März
Der Verlag Gruner & Jahr gibt seinen Umzug für September bekannt. Mit Unterstützung des Senats wurden im Hafengelände alte Schuppen gefunden, die zum „Media-Innovation-Center“ umgebaut werden. Der HVV sagt zu, ab Februar 2017 in der Zeit von 8 bis 19 Uhr einen im Stundenrhythmus verkehrenden Busservice ab der S-Bahn-Haltestelle Veddel einzurichten.
Die Stadt übernimmt das Gebäude am Baumwall zu einer nicht genannten Summe. Die Nutzung als Musicaltheater ist im Gespräch.
Der Senat gibt #ÜfBÜ2 bekannt: Der Preis für eine Kugel Eis wird auf maximal einen Euro festgelegt. Überschreitungen sind strafbar.
April
Der Axels Springer Verlag verhandelt mit der Stadt das geplante Singspielhaus mit einer Uraufführung eröffnen zu können. Das Musical „Axel – Wurzel des Glücks“ erzählt die bewegende Geschichte des Verlagsgründers vom Murmelspieler zum Verlegerkönig.
#ÜfBÜ3: Die Baubehörde gibt überraschend die Fertigstellung der Elbphilharmonie und deren vorzeitige Eröffnung im August bekannt. Die Senatorin für Kultur Barbara Kisseler wird mit den Worten zitiert: „Bevor noch jemand auf die Idee kommt, da Flüchtlinge unterzubringen, machen wir doch lieber Musik!“
Mai
Die umstrittene Elbvertiefung wird beschlossen. Im Zuge derer gibt der Senat seine #ÜfBü4 bekannt: Die Rinne wird nach Helmut Schmidt benannt.
Und: Die „Helmut-Schmidt-Rinne“ wird Teil eines großen „Hafen- und Flüchtlingsförderkonzepts“, das „zwei Herausforderungen auf einmal anpackt“, wie es von Seiten des Senats heißt. Die Notwendigkeit, die Bevölkerung vor den durch den Klimawandel zu erwartenden Wassermassen zu schützen und den Flüchtlingen Arbeit zu geben. Losgehen soll es noch diesen Sommer. „Schaufeln sind bestellt!“, ließ Frank Horch, Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, wissen.
Labskaus wird „offizielles Essen der Stadt Hamburg“.
Juni
Die seit zehn Tagen anhaltende Hitze von Temperaturen über 30 Grad wird auch für die kommenden Wochen vorhergesagt.
Erste Ansammlungen von Mücken als „schwarze Wolke“ werden an der Ostseite der Alster beobachtet.
Juli
Die „schwarzen Wolken“ werden nun um die gesamte Alster gesichtet. Mehrmals wurden in den frühen Morgenstunden Jogger von den Insekten angegriffen. Darunter auch Johannes B. Kerner. Wegen Schwellungen im Augenbereich musste er die Moderation der ZDF-Gala „Tausend Sterne – eine Niere für Charlene“ absagen.
Fliegengitter werden im Internet zu Preisen von bis zu 350 Euro gehandelt.
Nach dem Eklat um die Worte der Kultursenatorin wird die Elbphilharmonie mit einem Auftritt des Blankeneser Flüchtlingschors eröffnet. Überschattet wird das Ereignis von dem Auftritt zweier Syrer, die sich die von Ladage & Oelke gestifteten Matrosenanzüge vom Leib reißen und rufen: „Wir sind Mensch! Nicht eure Gewissensfolklore!“
Nach dieser sprachlichen Blamage versprach die zuständige Senatorin für Integration zügig weitere Sprachprogramme aufzulegen.
30. August
Die „Queen Mary 2“ läuft ein. Zeitgleich fällt bei „Elbgold“ im Schanzenviertel ein Sack Kaffee um.
September
Mit dem Auszug Gruner & Jahrs aus dem Verlagsgebäude am Baumwall offenbart sich der Stadt Hamburg das Ausmaß der Mäuseplage. Versuche des Verlags, der Misere mittels Mitarbeiterinnitiativen wie „Bring your Cat“ zu bannen, waren fehlgeschlagen.
Die Frage, ob die Mäuse Teil des mitzunehmenden Inventars sind und im Sinne einer „besenreinen Übergabe“ von Gruner & Jahr hätten entfernt werden müssen, oder ob diese zum „Übernahmeinventar“ gehören, wie der Verlag den Kaufvertrag auslegt, beschäftigt die Medien unter dem Titel „Der Mäusezirkus vom Baumwall“ über Wochen.
Oktober
Til Schweiger gibt seine Pläne bekannt, ein Flüchtlingsheim im Niendorfer Gehege zu errichten.
#ÜfBü5: HVV nach 20 Uhr für umme.
November
Tausende Hamburger versammeln sich vor dem Rathaus, um dem verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt an seinem Todestag mit dem Rauchen einer Zigarette zu gedenken. Angeführt vom Mützenmacher Eisenberg formen sie eine „1962“.
Schnee.
Dezember
Die HSH Nordbank veranstaltet das „1. Kochlympia“. An den Herdplatten die Creme der Hamburger TV-Kulinarik: Poletto, Henssler, Mälzer, Rach. Nach drei Stunden werden die Kochstars mit schweren Bewusstseinsstörungen ins UKE eingeliefert.
Ebenso wie 120 Gäste. Wem das Crystal Meth gehörte, das die Köche mit den Meersalzkristallen des Sponsors Maldon verwechselten, ist unklar.
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