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Vor der Küste MalaysiasHunderte Vermisste aus Myanmar nach Bootsunglück

Wieder ist mindestens ein Boot mit Flüchtlingen und Migranten aus Myanmar gesunken. Es gib kaum Überlebende, zwei weitere Boote werden vermisst.

Ein Mitglied der malaysischen Küstenwache sucht nach Opfern des gesunkenen Bootes aus dem myanmarischen Buthidaung Foto: Malaysian Maritime Enforcement Agency/Reuters
Sven Hansen

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Sven Hansen aus Berlin

Nach mindestens einem Bootsunglück in der Nähe der Seegrenze zwischen Malaysia und Thailand werden noch Hunderte Menschen vermisst. Zehn Überlebende und eine Tote seien entdeckt worden, teilte die malaysische Seefahrtbehörde laut der Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag mit.

Es sei zu befürchten, dass etwa drei Tage nach dem Sinken eines Bootes aus Myanmar weitere Opfer gefunden würden, sagte demnach Admiral Romli Mustafa, der Direktor der Seefahrtbehörde der beiden Bundesstaaten Kedah und Perlis im Norden Malaysias. Der Polizei zufolge wurden zwei weitere Schiffe mit einer ähnlichen Anzahl von Migranten an Bord ebenfalls als vermisst gemeldet, berichtete die Agentur AFP.

Das gesunkene Boot hatte demnach die Stadt Buthidaung im Rakhine-Staat im Westen Myanmars mit etwa 300 Menschen an Bord verlassen. Die Überlebenden wurden in den Gewässern vor der nordwestmalaysischen Ferieninsel Langkawi entdeckt. Unter ihnen seien drei Männer aus Myanmar, zwei Männer von der Volksgruppe der Rohingya und ein Mann aus Bangladesch, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Bernama unter Berufung auf den örtlichen Polizeichef Adzli Abu Shah.

Bei der geborgenen Leiche handle es sich um eine Rohingya-Frau. Die nach Malaysia reisenden Menschen seien von ihren Schleppern angewiesen worden, nahe der Grenze von einem großen Schiff in drei kleinere Boote mit jeweils etwa 100 Personen umzusteigen, sagte Polizeichef Adzli. So sollte vermieden werden, dass sie entdeckt werden. Der Verbleib der beiden anderen Boote sei unklar. Eine Such- und Rettungsaktion laufe.

Angehörige der überwiegend muslimischen Minderheit der Rohingya fliehen immer wieder aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar. Dort werden sie als illegale Einwanderer angesehen; die Staatsbürgerschaft wird ihnen verweigert und sie sind Misshandlungen ausgesetzt. Zudem herrscht dort ein Bürgerkrieg, seit sich das Militär 2021 an die Macht putschte.

Rohingya im Kreuzfeuer

Buthidaung hatte vor den antimuslimischen Pogromen 2012 und 2017 eine Bevölkerungsmehrheit muslimischer Rohingya. Die USA haben die Massenvertreibung als Genozid eingestuft. Seitdem sind rund eine Million Rohingya, meist aus dem Rakhine-Staat, ins benachbarte Bangladesch geflohen. Dort leben sie in Lagern bei der Stadt Cox's Bazar.

Doch auch in Bangladesch haben die Rohingya keine Perspektive. Weil die Regierung in Dhaka sie loswerden will, dürfen sie offiziell nicht arbeiten und sind von internationaler Hilfe abhängig. Die floss in den vergangenen Jahren immer spärlicher.

Die am Fluss Mayu gelegene Stadt Buthidaung wurde im Mai 2024 von der Rebellenarmee Arakan Army (AA) eingenommen. Die kontrolliert heute fast den gesamten Rakhine-Staat. Da die Putschjunta Rohingya-Männer zwangsrekrutiert und die Rohgingya-Terrortruppe Arsa auf Seiten des Militärs gegen die AA kämpft, geraten Rohingya nicht nur ins Kreuzfeuer des Bürgerkrieges, sondern wurden auch bereits Ziel von AA-Angriffen.

Familienzusammenführung per Flüchtlingsboot

Für Rohingya-Frauen und ihre Familien ist die arrangierte Verheiratung mit muslimischen Männern in Malaysia eine Überlebensstrategie. Legal können die Rohingya dort nicht hinreisen, weshalb auf den Flüchtlingsbooten, die von Bangladesch oder Rakhine ablegen, viele der Boat People weiblich sind. Manche reisen auch ihren Ehemännern hinterher, die schon seit einiger Zeit als Arbeitsmigranten in Malaysia, dort oft auf dem Bau oder in der Landwirtschaft, illegal beschäftigt sind.

Malaysias und Thailands Küstenwachen und Marine weigern sich oft, in Seenot geratenen Flüchtlingsbooten wirksam zu helfen. Sie übergeben manchmal nur Wasser und Lebensmittel und drängen die maroden Boote wieder auf See hinaus.

(mit Reuters und AFP)

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