Vor allem in der Zeitarbeit: Arbeitslosigkeit steigt
In diesem März passierte, was zuvor noch nie geschah: Es gibt mehr Erwerbslose als im Februar.
BERLIN taz/AP/rtr/afp Die Wirtschaftskrise hat den Arbeitsmarkt im März voll erfasst. Üblicherweise sinkt die Zahl der Arbeitslosen im März nach Ende des Winters, weil zum Beispiel auf dem Bau und in der Landwirtschaft wieder mehr gearbeitet wird. Nun gibt es erstmals seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen im Jahr 1928 im März mehr Arbeitslose als im Februar. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im März knapp 3,6 Millionen Menschen ohne Arbeit - 34.000 mehr als im Februar und 78.000 mehr als vor einem Jahr.
Dieser abrupte Anstieg im März hat auch BA-Chef Frank-Jürgen Weise "überrascht". Im Jahr 2009, so Weise, seien 4 Millionen Erwerbslose möglich. Die OECD sieht die Lage noch pessimistischer. Sie rechnet 2010 mit über 5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland. Die Wirtschaftskrise treffe Deutschland wegen "der drastischen Nachfrageeinbrüche" im Export besonders hart. Die deutsche Wirtschaft werde dieses Jahr um 5,3 Prozent schrumpfen. Die OECD fordert daher, dass die Bundesregierung die Inlandsnachfrage stärker stützt als das Konjunkturpaket bisher vorsieht.
Neben der Arbeitslosenzahl ist auch die Zahl der Ankündigungen von Kurzarbeit, mit der Entlassungen vermieden werden, drastisch gestiegen. Seit Oktober haben mehr als 60.000 Betriebe für rund 2,2 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt. Allein im März waren es 740.000. Wie viele davon wirklich in die Kurzarbeit gehen, ist aber erst Ende Mai klar.
Sicher ist indes, dass die Krise vor allem Zeitarbeiter getroffen hat. Die Zahl der Beschäftigten in der Zeitarbeit sank laut BA von August 2008 bis Januar 2009 von 715.000 auf 563.000.
Die Arbeitslosigkeit kostet die BA viel Geld. Das Defizit von 11 Milliarden Euro 2009 kann die BA aus ihren Rücklagen von 16,7 Milliarden Euro finanzieren. 2010 wird die Behörde auf Darlehen des Bundes angewiesen sein.
Gegen Arbeitslose sind 2008 zudem so viele Strafmaßnahmen verhängt worden wie nie zuvor. In 741.115 Fällen wurde die Auszahlung des Arbeitslosengeldes zeitweise gesperrt. Das waren 16 Prozent mehr als 2007.
Andrea Nahles, SPD-Vizechefin, forderte angesichts der Lage eine "aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik" und lobte die Regierung. Kurzarbeit könne "leichter und flexibler eingesetzt werden". Für die Linkspartei kritisierte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dass der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung kürzlich auf 2,8 Prozent gesenkt wurde. "Damit hat die Regierung der Arbeitsagentur finanzielle Fesseln angelegt, die einen arbeitsmarktpolitischen Kurswechsel verhindern." Zu diesem Kurswechsel gehöre eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate.
SR
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen