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Vor 15 Jahren starb Oury JallohRassistisch korrupt

Heute vor 15 Jahren verbrannte Jalloh in einer Zelle der Polizei in Dessau. Erschüttert uns der Aufwand, mit dem eine Aufklärung verhindert wird?

Demonstration zum Gedenken an den jährlichen Todestag von Oury Jalloh in Dessau 2018 Foto: Christian Schroedter/imago-images

Ein Mann verbrennt in einer Gewahrsamszelle der Polizei. Die Beamten in der Polizeidienststelle behaupten, er habe seine Matratze angezündet und sei dann im Feuer umgekommen. Die Ermittler, die den Ort des Todes untersuchen, finden kein Feuerzeug. Zwei Tage später taucht plötzlich eins auf. Die Faserspuren am Feuerzeug sind allerdings andere als die der Matratze und der Kleidung des Mannes. Ach ja, der Mann, der sich selbst angezündet haben soll, war mit Handschellen gefesselt.

Würde Sie das beunruhigen? Würden Sie nicht unbedingt wissen wollen, wie so etwas passieren kann? Aus Mitgefühl? Aus der diffusen Angst, dass solche Polizisten ja auch Sie beschützen, in Gewahrsam nehmen, in irgendeiner Weise für Ihre Gesundheit und Ihr Leben verantwortlich sein könnten?

Würde es Sie unruhig machen, wenn Sie wüssten, dass die Videoaufnahme von der Begehung des Tatortes genau an der Stelle abbricht, als die Ermittler die Zelle betreten, es also kein Filmmaterial vom Ort nach dem Brand gibt? Wenn Sie wüssten, dass die Ermittler fast neun Jahre lang nie eine andere These verfolgen, als dass der Mann in der Zelle sich selbst angezündet hat? Dass zentrale Erkenntnisse, die andere Schlüsse zulassen, durch die Initiative und mit dem Geld von Privatleuten gesammelt worden sind. Wie zum Beispiel das Gutachten eines Brandexperten, der zu dem Schluss kommt, der Mann in der Zelle könne sich unmöglich selbst angezündet haben.

Würde es Sie vielleicht einen kurzen Moment hoffen lassen, dass fast neun Jahre nachdem der Mann verbrannt ist, der ermittelnde Oberstaatsanwalt sagt, man müsse vielleicht doch in Betracht ziehen, dass der Mann in der Zelle ermordet worden sei. Würde es Ihnen dennoch den Magen umdrehen, dass diese Erkenntnis so lange gebraucht hat und dass der Oberstaatsanwalt dafür erst ein Video mit einer Nachstellung des Brandes sehen musste, das ebenfalls Privatleute bezahlt haben?

Was würden Sie denken, wenn der ermittelnde Staatsanwalt zwölf Jahre nach dem Tod des Mannes einen Aktenvermerk schreibt, der Mann sei schon vor Ausbruch des Feuers in seiner Zelle „mindestens handlungsunfähig oder sogar schon tot“ gewesen? Dass er vermutlich mit Brandbeschleuniger angezündet wurde.

Würden Sie am Rechtsstaat zweifeln? Würden Sie weinen?

Würden Sie am Rechtsstaat zweifeln, wenn der Staatsanwalt kurz danach für den Fall des verbrannten Mannes nicht mehr verantwortlich ist und das Verfahren eingestellt wird?

Würden Sie weinen, wenn fast 15 Jahre nach dem Tod des Mannes in der Zelle sich ein Radiologe aus Frankfurt am Main noch einmal die Röntgenaufnahmen und Fotografien des verbrannten Mannes ansieht und feststellt, dass er vor seinem Tod schwer misshandelt wurde. Jemand hatte ihm damals Schädeldach, Nasenbein, Nasenscheidewand und eine Rippe gebrochen.

Würde es Sie noch berühren, dass das zuständige Oberlandesgericht einen neuen Prozess ablehnt? Würden Sie nur noch zynisch lachen, weil das Parlament des Bundeslandes, in dem das alles passiert ist, sich nicht zu einem Untersuchungsausschuss durchringen kann, sondern zwei Männer beauftragt, sich die bekannten Akten noch einmal anzusehen? Würde es für Sie noch eine Rolle spielen, dass Sozialdemokraten und Grüne in der Regierung sitzen und das mittragen?

Hassen Sie Fragen nach Ihren Gefühlen, nach Empathie, möchten Sie damit lieber nicht behelligt werden?

Heute auf den Tag genau vor 15 Jahren verbrannte Oury Jalloh in einer Zelle der Polizei in Dessau. Sein Tod und die als Aufklärung getarnte Vertuschung eines wahrscheinlichen Mordes an einem Schwarzen Mann durch Polizisten sollte uns erschüttern. Aus Mitgefühl. Und weil sein Fall wie der Fall NSU für die rassistische Korruption in diesem Land steht. Für das bis ins Tödliche reichende Nichtfunktionieren staatlicher Institutionen für Schwarze Menschen, Geflüchtete, Menschen, deren Eltern und Großeltern nicht in Deutschland geboren wurden. Für eine zivilisatorische Lücke, für die weiße Deutsche verantwortlich sind und die wir schließen müssen.

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Seit vielen Jahren verfolge ich mit Entsetzen die Verdunkelungs und Mauertaktik der beteiligten Behörden und Parteien. Da werden unwiderlegbare Beweise ignoriert, mit eherner Kraft an der Polizeiversion festgehalten. Dazu passt auch die Aussage: Es gab keine Hetzjagden, und die Teilnehmer der Demo waren keine Nazis...(M. Kretschmer). Das schlimme ist doch, das uns die Politiker für dumm verkaufen wollen, und ihnen dabei von willigen Journalisten die passende Presse, Bild, Welt, Focus TS, Heute usw. die passende Berichterstattung geliefert wird. Versprach nicht die Kanzlerin vollständige Aufklärung der NSU Verbrechen, oder nach diversen Terroranschlägen? Jedesmal gibt es mehr Fragen als Antworten, sogar der Anschlag aufs Oktoberfest beantwortet nicht, wem die am Tatort gefundene Hand gehört. Stattdessen wie üblich bei rechtem Terror, die Mär vom Einzeltäter. Da wundern sich die Politiker von CDU/CSU/SPD/FDP wenn ihnen die Wähler ich Scharen davon laufen. Irgendwann kommt ihr damit nicht mehr durch!

  • Tatsächlich gab es zwei weitere Ermittlungsverfahren im selbigen Polizeirevier. Hans-Jürgen Rose wurde im Dezember 97 nach einer Polizeikontrolle wenige Meter von dem Revier leblos aufgefunden. Er verstarb an innerlichen Verletzungen. Mario Bichtemann wurde 2002 auf dem Revier in Gewahrsam genommen. Beim öffnen der Zellentür fanden die Polizeibeamten Mario B. mit einen Schädelbasisbruch tot auf dem Boden liegend .



    Mir fehlen einfach die Worte . Trauer, Wut und Schmerz aber auch Fassungs- und Hilflosigkeit drücken es noch am besten aus. Ich danke der TAZ das Sie da dran bleiben und an alle die mit fehlenden Belegen argumentieren - es verhält sich genau andersrum. Es gibt keine Belege dafür das sich Oury Jalluh selbst getötet hat.

  • Ungeachtet der eleganten Rhetorik fehlen die Belege um hier den Begriff Mord verwenden zu können.

    • @alterego:

      Die Belege werden in dem Artikel klar benannt! Schädeldach, Nasenbein, Nasenscheidewand und eine Rippe gebrochen und er war unmöglich in der Lage das Feuer selbst gelegt zu haben. Und da stehen noch einige Ungereimtheiten die den Schluss zulassen das es sehr wahrscheinlich ein brutaler Mord war der vertuscht wird. Auch wenn es nicht in ihr Weltbild passt.

      • 9G
        90618 (Profil gelöscht)
        @Andreas J:

        Meine These: Es war kein Mord, aber



        Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlag. Die Polizisten haben den Mann "zu hart angefaßt", d.h. es wurde brutal auf ihn eingeprügelt, vielleicht ist er dabei auch mit Handschellen gestürzt, was die Kopfverletzungen erklären könnte. Um die schwere Straftat zu vertuschen, die den Polizisten Job und Pension kosten würde, wurde dann der Brand gelegt, natürlich in Hektik, übereilt, daher war es so schlecht gemacht, wurde vergessen, ein Feuerzeug in der Zelle zu hinterlassen usw. So oder so: Lügen, nichts als Lügen.

  • Die "Aussagen" der Polizei zur diesjährigen Silvesternacht zeigen, dass sich das Verhältnis der Polizei zur Wahrheit nicht geändert hat. :-(

  • Hat oder hatte die Zelle nicht einen zweiten Eingang und ist dort nicht vorher schon einmal jemand verbrantt (worden) ?