Von der Liebe zum Pürierstab: Der Zauberstab des Savoir-vivre

Unser Autor reist ins Land der Grande Cuisine und entdeckt dort die Magie eines besonderen Küchengeräts: der Stabmixer.

Pürierstab mit Schneidemesser

Er ist wie die Welt, die sich auch zu schnell dreht, um sie verstehen zu können Foto: Cigdem Simsek/Alamy/mauritius images

Wozu der Stabmixer uns nicht schon alles verhalf. Zu fein­sämigen Kartoffelsuppen, zu Salsa aus flambiertem Gemüse, zu einer schaumig gequirlten Soße im Blanquette de Veau oder zu würzigen Oliventapenaden, die sehr munden zu altem Brot, das durch Rösten wiederaufbereitet wird. Upcycling quasi. Doch dieses wundervolle Gerät besitzt noch andere Zauberkräfte, wie mir mein Freund Stephan mal verriet. Seine Idee hatte nichts Weltbewegendes, und sie war wahrscheinlich auch nicht mal neu. Mir aber hat sie die Augen geöffnet.

Wenn ich eine Mayonnaise mit dem Schneebesen aufschlage, kann ich dabei zugucken, wie sich eine Emulsion bildet, wie Eigelb, Senf und Öl sich miteinander verbinden. Wenn ich eine Sauce béarnaise mache, dann ist das eigentlich das Gleiche, nur muss ich ein Wasserbad aufsetzen, separat einen Sud aus Estragon, Weißweinessig, Wein, Pfeffer und Schalotten reduzieren, die Eigelbe mit dem Sud auf dem Wasserbad verquirlen und peu à peu die Butter hinzufügen. Eine holprige Angelegenheit!

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„Mit dem Stabmixer funktioniert das immer!“, ist Stephan überzeugt. „Du musst nicht mal das Eiweiß vom Eigelb trennen, kannste alles zusammenschmeißen“, prahlt er über seine Entdeckung. Wer einmal versucht hat eine Mayo mit ganzen Eiern zu schlagen und nicht verzweifelt ist, der ist kein Mensch. Aber Stephan ist äußerst klug und äußerst faul. So gelangt er immer an einfache Lösungen. „Eine Abkürzung zu kulinarischen Hochgenüssen!“

Nun sitze ich Ende Juli im Land der kulinarischen Hochgenüsse, im Land der Grande Cuisine und des Savoir-viv­re, in Frankreich also, und während ich froh bin, den Schwarzbrotgesichtern Deutschlands entflohen zu sein, an meinem Pastis schlürfe und eine Honigmelone löffle, bekomme ich mächtigen Hunger. Steak soll es sein und dazu eine Sauce béarnaise, Pommes de terre fondantes und ein Salat mit einer Vinaigrette.

Es geht um Sauce béarnaise

Die Zutaten sind schnell besorgt. Während man in Deutschland seinen Biosalat mit dem SUV einkaufen geht, sieht man in der Bretagne jede Menge alte, verbeulte Renaults. Die Preise für Lebensmittel sind gepfeffert, dafür benutzen die Franzosen keinen 1.000-Euro-Weber-Grill für den 2,50-Euro-Schweinenacken. Hier macht man sich das Entrecôte zur Not auf einem umgestülpten Einkaufswagen.

Und ich stehe im Super U und bin auf der Suche nach einem Stabmixer, finde aber nur den „Esge-Zauberstab“, gewissermaßen die Mutter dieses Küchengeräts. Erfunden hatte ihn der Schweizer Roger Perrinjaquet und 1950 das Patent dafür angemeldet, einige Jahre später ging das Patent an die neugegründete Firma Esge. Heute schneidet der Esge-Zauberstab bei Stiftung Warentest leider am schlechtesten ab. Und am teuersten ist er mit 160 Euro auch noch. Ich frage einfach die Nachbarn, ob sie mir einen Pürierstab leihen können.

Und dann fange ich an zu kochen. Wie man ein Steak zubereitet, muss ich nicht erklären. Die Pommes de terre fondantes – sechseckige Kartoffelsäulen, die erst in Öl angebraten und dann in Butter geschwenkt werden, bevor sie sich im Bräter mit kräftiger Gemüse- oder Rinderbrühe vollsaugen – sind interessant und irgendwie aristokratisch anmutend, das Rezept kann man aber einfach im Internet nachschlagen. Hier hingegen geht es um die Sauce béarnaise. Hier geht es um die Magie des Rührstabs.

Wichtig ist wie immer das Timing. Wenn die Kartoffeln fast fertig sind und die Steaks nur noch ruhen, sollte der Estragon-Essig-Sud der Béarnaise schon fertig reduziert sein. Die Butter muss nun wirklich heiß aus der Mikrowelle oder dem Topf kommen, denn man braucht mit Stephans Methode ja kein Wasserbad mehr.

Nichts kalt werden lassen

Regel 17 aus den „Grundzügen des Gastronomischen Anstands“ von Grimod de la Reynière: „Wenn ein Gast dem andern eine Schüssel reicht, muß man sich beeilen, sie ohne Zögern anzunehmen; denn jeder Wettstreit um den lächerlichen Vorrang, wer von Zweien zuerst zugreifen soll, führt zum Erkalten der Speisen, wodurch man sich gegen sich selbst, wie gegen alle Andern so hart versündigt, daß Niemand dafür Dank weiß.“ Soll heißen: Essen lässt man nicht kalt werden. Niemals.

Ich mixe den Sud und die Eigelbe für die Sauce béarnaise schaumig, kippe währenddessen die heiße Butter in das Gefäß und schaue, was passiert. Mit dem Pürierstab ist der Prozess unwirklich. Aus verschiedenen Flüssigkeiten, die sich eigentlich gegenseitig abstoßen, wird auf einmal eine perfekte Soße, und ich habe nicht verstanden, wie. Zu schnell dreht sich der Stabmixer. Er ist wie die Welt, die sich auch zu schnell dreht, um sie verstehen zu können.

So funktioniert auch, was Stephan schon gesagt hat. Man kann die Sauce béarnaise, die Mayonnaise oder auch eine Sauce Hollandaise sogar mit ganzen Eiern machen. Aber ich rate davon ab. Leckerer wird sie, macht man sich die Arbeit, das Eiweiß vom Eigelb zu trennen. Das übrige Eiweiß kann am nächsten Morgen ins Rührei, oder man mengt es seinem Hund ins Essen. Geht auch.

Sauce béarnaise

Zutaten: 50–60 ml Weißweinessig, 120–130 ml Weißwein, 1 gewürfelte Schalotte, 8–10 Pfefferkörner, 1 Zweig frischer Estragon, 4 Eigelb, 200 g Butter, 1 EL gehackter frischer Estragon, Salz und evtl. eine Prise Zucker

Zubereitung: Den Estragonzweig kleinhacken und einen EL zur Seite legen. Wein, Essig, die gewürfelte Schalotte, die Pfefferkörner und den Rest des Estragons in einem Topf einkochen, bis nur noch 3 bis 4 EL Flüssigkeit übrig sind. Vom Herd nehmen und absieben. Die Butter richtig heiß machen, man darf ihr schon ein bisschen beim Köcheln zusehen. Die Eigelbe mit der Estragonreduktion in einem hohen Gefäß mit dem Mixstab schaumig schlagen, dann die kochend heiße Butter hinzufügen und mit dem Mixstab untermixen. Den EL frischen Estragon unterrühren. Mit Salz und ggf. Zucker abschmecken und anrichten.

Mayonnaise

Zutaten: 1 Eigelb, 1 knapper TL Senf (hinterher kann man immer noch was drantun), ca. 150 ml geschmacksneutrales Öl (am besten Distelöl), Ein Spritzer Zitrone (nach Geschmack), Salz zum Abschmecken, 1 Zehe Knoblauch (wer es mag), 1–3 TL Crème fraiche

Zubereitung: Eigelb und Senf verrühren, dann das Öl dazu. Mit dem Mixstab alles vermengen. Die Crème fraiche unterrühren – sie macht die Mayonnaise etwas leichter und frischer, man braucht sie aber nicht zwingend.

Sarholz’sche Vinaigrette

Zutaten: 200 ml geschmacksneutrales Öl (Sonnenblumenöl ist nicht geschmacksneutral!), 100 ml Balsamicoessig (rot oder weiß, ist wurscht), 2 TL Senf (ich nehme am liebsten Dijonsenf),1 TL Salz, 2–3 TL Honig oder Zucker (Honig ist natürlich leckerer), 1 – 2 Zehen Knoblauch (wenn man’s mag)

Zubereitung: Ist der Honig nicht flüssig, sollte er ein paar Sekunden in die Mikrowelle. Ist er flüssig, vermengt man ihn mit dem Essig, Senf und dem Salz, dann kommt das Öl dazu. Vermixt man das alles mit einem Stabmixer hat man eine recht dicke, sämige Salatsoße, die sich für ein paar Wochen im Kühlschrank, für ein paar Tage auch außerhalb hält. Man braucht den Mixstab nicht zwingend, ist aber geiler.

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