Vollpfosten des Jahres 2018: Alles Astro, Alter?
Wie jedes Jahr kürt die taz zum Jahresende liebevoll die Vollpfosten des Jahres. Auch 2018 gab es reichlich Kandidat*innen.
Es ist Tradition, Ende Dezember das Jahr Revue passieren zu lassen. Was war gut, was war schlecht? Wer hat besonders genervt? Seit einigen Jahren kürt die taz liebevoll die Vollpfosten des Jahres. Auch 2018 konnten wir es nicht lassen – Kandidat*innen gibt es, es wird Ihnen nicht entgangen sein, mehr als genug. Legen wir also los.
Es gibt Fragen, die wird die Weltgemeinschaft nicht los. Anscheinend gehört auch „Ist die Erde eine Scheibe oder eine Kugel?“ noch immer dazu. Zumindest schoss sich der US-Amerikaner Mike Hughes mit einer selbstgebauten Rakete gut einen halben Kilometer selbst in die Luft, um zu beweisen, dass die Erde flach ist. Ergebnis: Flach ist die Erde nicht, Hughes aber kann man getrost als Flachpfeife bezeichnen.
Alexander Gerst wiederum weiß aus eigener Anschauung, dass die Erde keine Scheibe ist. Allein: Da sieht er also monatelang die Erde, ihre Schönheit, ihre Weite, ihre Größe. Und wohin kehrt er zurück? Nach Deutschland. Genauer: nach Köln. Puh. Und der Spitzname erst: Astro-Alex. Immerhin – wenn's für die ESA nicht mehr reicht, wird er unter diesem Label hervorragend Horoskope an Klatschmagazine verkaufen können.
Ach Andrea Nahles, was waren Sie als oberste Sozialdemokratin 2018 für ein Bremsklotz. Die Causa Maaßen, die Debatte um Paragraphen 219a, der Abgasskandal – alles schöne und wichtige Gelegenheiten, um hart durzugreifen und die Position der SPD von der der CDU abzugrenzen. Hat eher mäßig bis gar nicht geklappt.
Wir könnten diese Aufzählung vollstopfen mit den Trumps, Orbáns und Putins dieser Welt. Aber wir können sie alle nicht mehr sehen. Deswegen beschränken wir uns hier auf eine kleine Auswahl. Ein Muss: der pomadige Frischling unter den konservativen Regierungsvertretern, Sebastian „Deutsch soll der Schlüssel zum Zugang zur Mindestsicherung sein“ Kurz, seit Ende 2017 Bundeskanzler in Österreich.
Was bei ihm manchmal ein bisschen wie Trauer aussieht, ist in Wirklichkeit Hass. Hass auf Nicht-Weiße, Hass auf Frauen, Hass auf queere Menschen. So zumindest lässt sich die Politik von Jair Bolsonaro, der im Oktober zum Staatspräsident Brasiliens gewählt wurde, erklären. Also: Sollten Sie die Kapazitäten haben, schicken Sie diesem alten weißen Vollpfosten doch ein bisschen Liebe. Brasilien wird es Ihnen danken.
Gehört in die Kategorie „Nervt schon ewig“: „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt. Dieses Jahr aber besonders, nachdem er im Februar die erste weibliche Chefredakteurin des Blattes, Tanit Koch, weggeek … nunja, weil sie wegen „professionellen Schwierigkeiten“ gegangen ist. Und weil er sich weigerte, die wohlverdiente Auszeichnung für unterirdische Berichterstattung „Goldene Kartoffel“ abzulehnen, weil sie – Achtung! – rassistisch sei.
Vollpfosten des Jahres 2018
Die Gedanken des politischen Gegners zu kennen ist ja das eine. Sie auch noch zu verbreiten und mit dem Verkauf zu unterstützen ist das andere. Deswegen geht eine weitere Auszeichnung zum „Vollpfosten des Jahres“ an den Buchhändler aus München, dem Margarete Stokowski eine Lesung abgesagt hat, weil er Bücher eines rechtsextremen Verlags verkaufte.
Ohne Friedrich Merz ist diese Aufzählung unvollständig. (Dafür ersparen wir Ihnen Horst Seehofer – ist der eigentlich noch im Amt?) Wie der nach Jahren plötzlich wieder auftaucht, schlecht abliefert und sich trotzdem auch noch als potentieller Minister ins Spiel bringt – das schreit ja förmlich „Vollpfosten!“
Und wo wir schon bei merkwürdigen weißen Männern der deutschen Politik sind: Was geht eigentlich bei Hans-Georg Maaßen, der vom Verfassungsschützer zum Verschwörungstheoretiker mutiert ist? Und bei all jenen (wir nennen an dieser Stelle keine Namen, vor allem nicht den von Horst Seehofer), die mit dafür verantworlich waren, dass er – anstatt sofort entlassen zu werden – erstmal befördert wurde? Vollpfosten, allesamt!
Nein, Sahra Wagenknecht wartete am Sonntag nicht auf den ADAC-Pannendienst. Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag ist in eine neongelbe Warnweste geschlüpft, um vor dem Berliner Kanzleramt für die Sammlungsbewegung „Aufstehen“ zu werben. Darunter lugt ihr Pelzkragen hervor. Funktioniert so die Anbindung an die macronkritischen Gelbwesten-Proteste in Frankreich? Eher nicht.
Wir enden mit der Personifizierung eines Sprichworts. „Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr“ passt wunderbar zu Til Schweiger. Denn wieso der die Probleme seines langjährigen Freundes Jan Ullrich in die Aufmerksamkeit der geifernden Presse zieht, ist uns ein Rätsel.
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