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Vollgeld-Initiative in der SchweizKeine Lust auf Vollgeld

Die Schweizer lehnten am Sonntag einen Wechsel des Geldsystems ab. Nur ein Viertel stimmte für ein Konzept, das Finanzkrisen verhindern könnte.

Vollgeld, voll geil? Die Schweiz entschied dagegen Foto: dpa

Genf taz | Die SchweizerInnen wollen ihr Banken- und Währungssystem nicht sicherer machen. Eine Volksinitiative für die Einführung von „Vollgeld“ erhielt bei einer Volksabstimmung am Sonntag lediglich rund 26 Prozent Ja-Stimmen.

Die weltweit bislang einzigartige „Vollgeld“-Initiative wollte, dass künftig nur noch die als Notenbank fungierende Schweizerische Nationalbank (SNB) neues Geld schöpfen und in Umlauf bringen kann. Die Kreditvergabe durch andere Banken sollte erheblich eingeschränkt werden. KundInnen der Bank hätten der Idee zufolge Anspruch auf „Vollgeld“-Konten, die außerhalb der Bank-Bilanz geführt werden und komplett mit Geld der Notenbank gedeckt sind. Damit wären ihre Spareinlagen gesichert, wenn die Bank in eine Schieflage gerät.

Die Vollgeld-Initiative entstand infolge der Finanz-und Bankenkrise ab 2007. Damals konnte die größte Schweizer Bank UBS nur mit einem staatlichen Zuschuss von rund 90 Milliarden Franken gerettet werden.

Doch bei der Schweizer Regierung sowie Banken und Industrieverbänden stieß die „Vollgeld“-Initiative auf Ablehnung. Sie befürchten, dass Kredite teurer und die Gewinne der Banken längerfristig schrumpfen würden. Darüber hinaus warnten Banken- und Unternehmenssprecher, eine Einführung des Vollgeldes hätte „unkalkulierbare Folgen“ für den Schweizer Franken, da der Leitzins als geldpolitisches Instrument wegfallen würde.

Im Ausland stieß die Vollgeld­initiative hingegen durchaus auf Unterstützung. Nach Einschätzung der ExpertInnen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft würde das Finanzsystem dadurch stabiler. „Die bestechenden Vorteile eines Vollgeldsystems sind, dass ein Abzug von Kundeneinlagen für die betroffene Bank völlig unproblematisch ist“, erklärten sie. Hätte die Initiative bei der Volksabstimmung eine Mehrheit erhalten und wäre auch die Umstellung in den vorgesehenen zwei Jahren ohne größere Probleme gelungen, hätte das nach Einschätzung der Kieler ExpertInnen zu ähnlichen Initiativen im Euroraum führen können.

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9 Kommentare

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  • @Wurstprofessor: Also, wenn ich die Kieler Iniative richtig verstanden habe, finden Sie das Ziel eines Vollgeldsystems erstrebenswert. Das finde ich auch, insbesondere weil wir bei rückläufigen Rohstoffeserven ansonsten immer größere Bankenkrisen in immer kürzeren Abständen provozieren. Die Kieler Initiative will das Ziel aber schrittweise, z.B. durch gleichmäßige, stufenweise Anhebung der Eigenkapitalquote erreichen. Hierin gleicht sie Hans-Werner Sinn.

    • @hedele:

      Hallo!

      Die Kieler bieten nur eine Bewertung der Schweizer Initiative an, selbst hat das IfW (meineswissens!) dahingehend keine ernsthalften Ambitionen. Deren Schlußsatz lautet:

      „Doch falls eine Systemumstellung letztlich überwiegend geräuschlos gelingen sollte und das neue System im Hinblick auf die Finanzstabilität als überlegen eingeschätzt würde, so dürfte sich mittelfristig auch für den Euroraum die Frage der Einführung eines Vollreservesystems stellen.“

       

      Man beachte die extreme Konjunktivität... wenn es schmerzlos gehen "sollte" und dadurch irgendwas als besser eingeschätzt "würde" (von wem? Nicht von denen!) ... Also glauben die beides nicht ausreichend, um irgendwelche Behauptungen aufzustellen.

      Dann "dürfte sich mittelfristig... die Frage... stellen". So wachsweich und "ICH sage ja gar nix dazu!" schreibe ich jedenfalls nur, wenn ich eine Sache für absolut irre halte, aber der Meinung bin, daß dank reichlich vorhandener Irrer mann den Irrsinn irgnedwann wird wegdiskutieren müssen. Und natürlich wenn ich mir nicht ganz sicher bin, wie meine Drittmittel-Fritze darüber denken, die ich nicht vergraulen will.

      Zum Vergleich: wenn ich was richtig gut finde, meinen Arsch aber aus o.g. Gründen nicht aus der Deckung heben möchte, schreibe ich z.B. "...eine Diskussion darüber sollte gewagt werden und würde im Kontext des Wasauchimmer in Kennstenich in jedem Falle anregend wirken."

      Wissenschafter sind da außerhalb der Anonymität nicht viel aufrichtiger als Journalisten, fürchte ich.

  • Ich habe jetzt die Handreichung aus Kiel gelesen, und die Art, wie sie hier wiedergegeben wird, kann man eigentlich nur als unfassbar schmierig bezeichnen. hier der Link:



    https://www.ifw-kiel.de/medien/medieninformationen/2018/vollgeld-2013-was-eine-neue-geldordnung-leisten-kann







    [Die Moderation: Kommentar gekürzt, bitte bemühen Sie sich um Sachlichkeit.]

  • Das Vollgeld-System ist nicht wirklich sicherer, nur sehr anders. Und es "könnte" Krisen verhindern, ebenso wie eine vollständige Verstaatlichung aller Banken dies "könnte", oder die Zerschlagung aller Banken, die größer als eine mittlere Sparkasse sind, oder der Goldstandard - nämlich eigentlich nicht. Die nächste Krise sähe nur sehr viel anders aus.

    Völlig richtig ist hingegen, daß es unkalkulierbare Folgen gäbe, weil es ja keine echten Präzendenzfälle gibt, an denen man sich orientieren könnte.

    Jedenfalls ist die Darstellung des Vollgelds als klar "besser" und der daraus folgende "diese doofen reaktionären Schweizer"-Unterton in diesem Artikel ziemlich daneben.

  • Übrigens: wenn einem das Geschäftsgebaren der Banken nicht passt, dann kann man für anderes, sinnvolleres als Vollgeld einstehen:

    - Erhöhung der Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen

    -Erhöhung der Mindestreservesätze (wäre eine Annäherung an Vollgeld)

    - Reduktion der Markteintrittshürden (was aber faktisch bedeuten würde, die Regulierung zu verringern..)

    - Oder aber auch Bonusschranken.

     

    Vollgeld ist aber tatsächlich eine Massnahme, die versucht, alle Ziele auf einmal zu erreichen - und dass unklar ist, wie so etwas ausgeht, ist offensichtlich. Wie es scheint, sind die Schweizer doch nicht ganz so dumm...

  • Wenn Vollgeld eine so grossartige Idee ist, warum ist es noch nirgends eingeführt?

    Und warum war auch die Zentralbank in der Schweiz dagegen, obwohl deren Bedeutung sprunghaft angestiegen wäre?

    Nein, so einfach ist das nicht: Vollgeld kann zum Teil "Bank Runs" verhindern, aber nicht Finanzkrisen per se (weil weder falsche Anreizsysteme noch falsche Risikoeinschätzungen verhindert werden).

    Zudem lag ein riesiges Problem darin, dass die Initiative "schuldfreies" Geld schaffen wollte: das heisst, die Geldmenge würde dadurch vergrössert, dass die Zentralbank nicht Devisen und Wertpapiere kaufen, sondern Geld verschenken würde (an Bund, Kantone, Gemeinden Bürger, etc). Wie aber die Geldmenge dann in einem Boom wieder reduziert werden soll, die Antwort blieben die Initianten schuldig.

  • Geld in unserem heutigen Sinne ist ausschließlich auf Vertrauen gestützt.

     

    Es würde auch nichts bringen, wenn die Konten quasi bei der Notenbank geführt werden, denn die kann es ja selber drucken.

    Seit die Goldbindung abgeschafft wurde, bürgt die Notenbank mit dem auf dem Geldschein befindlichen Betrag in gleicher Höhe und kann ihn selber herstellen.

     

    Wenn jemand Geld zur Bank trägt, tauscht er immer den Geldschein, im Vertrauen, gegen die Zusicherung, ihn wieder zu bekommen, wenn er ihn will.

    Wenn die Bank also pleite macht, ist es genauso, als wenn der, den ich einen Kredit gegeben habe pleite macht, das Geld ist futsch.

     

    Somit bleibt einem in jeden Fall nur der Weg übrig, das Institut auszuwählen, welches am vertrauenswürdigsten ist.

     

    Das Geld bei der Notenbank abzusichern, verkennt, das Geld vielmehr ist als nur die bedrucken Papierscheinchen der Notenbank. Geld kann alles sein was Vertrauen ausstrahlt, auch der Schuldschein oder der Wechsel.

    Auf dieser Basis schaffen es die Banken mehr Geld zu kreditieren als sie an Einlagen haben.

     

    Es bringt auch nichts die Papierscheinchen zu Hause aufzubewahren, denn ist das Vertrauen weg ist auch der Wert auf dem Schein weg; kann man gerade live in Venezuela anschauen.

    • @Andreas Severidt:

      So ist es. Ein Vollgeldwirtschaft würde nur die Finanzierung der Banken verteuern und die Kreditvergabe behindern. Mit Finanzkrisenverhinderung hat das nichts zu tun.

       

      Wer Finanzkrisen verhindern will, verbietet den Banken, riskante Kredite zu vergeben. Also zB Kredite an Italien oder Griechenland, oder Baufinanzierungen mit hoher Kreditbelastung. Das geht auch heute - will nur keiner, politisch.

    • @Andreas Severidt:

      Geld ist immer das Verspreche daß Jemand dafür einen Dienst leisten wird.

       

      Warum meinen Sie, daß man beim Einlagern unbedingt einen Kredit geben müsse? Ist es denn auch so, daß wenn der Garagenvermieter Pleite macht, man dann das Auto verlieren muß? Da ist eine alternative Lösung nicht nur denkbar. Man bekommt halt keine Zinsen aufs Auto.