Volkswirt über EU-Hilfsfonds: „Ein wichtiger Beitrag“

Der EU-Hilfsfonds soll die europäische Wirtschaft wieder ankurbeln und gleichzeitig Solidarität signalisieren, sagt Volkswirt Sebastian Dullien.

Frau bei der Autoproduktion

Arbeiterin in der Produktion des Toyota-Werks in Onnaing, Nordfrankreich Foto: Michel Pingler/ap

taz: Herr Dullien, der EU-Fonds für die Coronahilfen soll 500 Milliarden Euro umfassen. Reicht das?

Sebastian Dullien: Die 500 Milliarden Euro können einen wichtigen Beitrag zur Erholung der Wirtschaft Europas leisten. Man darf sich aber nicht vertun: Auf drei Jahre gestreckt sind das nur etwa ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung, viel weniger als die tatsächlichen Krisenkosten. Der Großteil der Lasten wird bei den Nationalstaaten hängen bleiben.

Das Programm soll erst 2021 starten. Ist das zu spät?

Schön wäre natürlich ein früherer Start. Da es aber um Investitionsprojekte gehen soll, braucht man einen gewissen Planungsvorlauf. Wenn wirklich Anfang 2021 das erste Geld fließt, ist das noch vertretbar.

Der EU-Hilfsfonds soll mit „Reformauflagen“ verknüpft werden, die die Krisenländer zu erfüllen haben. Eine gute Idee?

Nein, Reformauflagen halte ich bei diesem Programm für ungeeignet. Es geht darum, schnell und unbürokratisch die europäische Wirtschaft wieder anzukurbeln und gleichzeitig den besonders getroffenen Ländern Solidarität zu signalisieren. Wenn die Mittel an Bedingungen geknüpft werden, die in den einzelnen Ländern unpopulär sind, wird dieses Ziel zumindest zum Teil verfehlt.

Das Programm soll so gestaltet sein, dass ein großer Teil als Zuschüsse an besonders betroffene Länder geht. Ist das so großzügig, wie es klingt?

Sebastian Dullien,

45, ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Zugleich ist er Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Wir kennen die Details noch nicht, aber es ist richtig, die Mittel als Zuschüsse statt als Kredite zu vergeben. Wie großzügig das ist, hängt am Ende von der genauen Zuteilung ab. Wenn einige Staaten plötzlich darauf beharren sollten, proportional zu ihrem EU-Beitrag Mittel zu erhalten, wäre das aber nicht so großzügig, wie es derzeit klingt.

Ab 2025 sollen die Schulden wieder zurückgezahlt werden. Ist das realistisch?

Es ist gut denkbar, dass sich die Wirtschaft bis 2025 so weit erholt hat, dass sie eine Rückzahlung verkraften kann. Makroökonomisch sinnvoller wäre es allerdings, das Programm mit einer ewigen Anleihe oder zumindest sehr langen Tilgungsfristen zu finanzieren. Denn die Zinsen sind momentan extrem niedrig, und die Finanzanleger sind händeringend auf der Suche nach sicheren Anleihen.

Das EU-Programm kann erst starten, wenn alle 27 nationalen Parlamente zugestimmt haben. Es gibt aber schon Widerstand aus Ländern wie Dänemark oder Österreich. Rechnen Sie damit, dass die Einwände überwunden werden können?

Ich kann nur hoffen, dass auch diese Länder am Ende zustimmen und nicht durch unsinnige Änderungen das positive Potenzial des Fonds zerstören. Derzeit steht die Zukunft des europäischen Binnen­markts auf dem Spiel, weil sich einzelne Länder von der EU abwenden könnten. Der Binnenmarkt aber ist zentral auch für den Wohlstand von Ländern wie Dänemark, ­Österreich – genauso wie für Deutschland.

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