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Volkswagen investiert in der TürkeiAutofabrik für Autokraten

VW sorgt für Arbeitsplätze in der konservativen Region Izmir. Das ist ein wirtschaftlicher Erfolg für den isolierten Staatschef Erdoğan.

In der Türkei gebaute Volkswagen sollen künftig in Istanbul im Stau stehen Foto: Imago/Emrah Oprukcu

Istanbul taz | Ein neues großes Automobilwerk wird der Volkswagen-Konzern nach ARD-Informationen in der Türkei aufbauen. Nachdem zuletzt als Standorte noch Bulgarien, Saudi-Arabien und die Türkei für das neue Werk im Rennen waren, sei jetzt die Entscheidung für die Türkei gefallen, schrieb der ARD-Türkeikorrespondent Oliver Mayer-Rüth unter Berufung auf Informationen aus Berlin.

Laut ARD ist der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan VW dafür weit entgegengekommen. Nicht nur was Subventionen für den Standort in Manisa bei Izmir angeht; sondern er soll auch zugesagt haben, die Steuern beim Verkauf der Neuwagen, die bis zu 40 Prozent des Verkaufspreises betragen können, signifikant zu senken.

Ausschlaggebend bei dem Votum für die Türkei war wohl, dass der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil als Vertreter für das Land Niedersachsen, das knapp 20 Prozent der Anteile an VW hält, keine Bedenken wegen der Menschenrechtslage in dem Land geäußert hat. Lediglich die Vertreter der Gewerkschaft hätten die Entscheidung für die Türkei bis zuletzt kritisch gesehen.

Für die Türkei spricht der eigene große Binnenmarkt bei 80 Millionen Einwohnern und die günstige Lage für Exporte in den Nahen Osten und nach Asien. Außerdem waren die beiden Konkurrenzstandorte in Bezug auf Rechtssicherheit, Menschenrechte und speziell Arbeitnehmerrechte auch keine Champions.

VW will in Manisa ein großes Werk bauen, in dem sowohl der Passat als auch Modelle von Škoda und Seat produziert werden können. Letztlich geht es darum, dass VW sukzessive die Produktion von Diesel- und Benzinfahrzeugen an die Peripherie verlagern will und die Fabriken in Deutschland nach und nach voll auf die Produktion von Elektromodellen umstellen will.

In Deutschland setzt VW auf E-Mobilität, in der Türkei dagegen weiter auf Diesel und Benzin

Dabei gehen die Manager in Wolfsburg wohl zu Recht davon aus, dass Umweltauflagen für Verbrenner-Autos in der Türkei wie im gesamten Nahen Osten und großen Teilen von Asien wohl für längere Zeit denen in der EU noch weit hinterherhinken werden und deshalb Autos mit alter Technologie in diesen Teilen der Welt noch lange verkauft werden können.

Für Staatspräsident Erdoğan wäre der Schritt von VW ein großer Erfolg. Gerade in dem Moment, in dem er außenpolitisch sehr isoliert ist und sowohl mit den USA wie auch mit der EU im Clinch liegt, könnte er ein neues VW-Werk in der Türkei als Vertrauensbeweis für sich persönlich ausschlachten. Außerdem wäre das Signal auch angesichts der derzeitigen ökonomischen Krise im Land wichtig. Kommt der Großkonzern VW mit einem neuen Werk ins Land, könnten auch andere Investoren, die angesichts der politischen Lage und der zunehmenden Rechtsunsicherheit schon länger einen Bogen um die Türkei gemacht haben, wieder zurückkommen.

Konkret würde das Werk mehrere Tausend neue Arbeitsplätze für den Großraum Manisa bedeuten. Der Ort in der Nähe von Izmir war eine der wenigen Großstädte an der Ägäisküste, die die Koalition aus Erdoğans AKP und rechtsradikaler MHP bei den Kommunalwahlen im März dieses Jahres gewinnen konnte. Auch deshalb wäre das Werk gerade in dieser Stadt ein schöner Erfolg für Erdoğan. Kommt nicht im letzten Moment noch etwas dazwischen, sollen die Verträge im Oktober unterschrieben werden.

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11 Kommentare

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  • So viele Wiedersprüche..



    So viele Vorurteile.



    Man könnte meinen die sprechen von Nord Korea..



    İzmir konservativ ?? Die chp gewinnt dort jede Wahl. Die Partei die von dem Westen so stark unterstützt wird.



    Mhp Rechtsradikal ? Die sind so weit rechts wie die CDU im Deutschland.

  • Bulgarien wäre die bessere Option für VW gewesen.

    Bezüglich der Türkei wäre ich nicht so optimistisch wie VW. Mit Erdogan geht es bergab - und der gibt seine Macht nicht ab, ohne aufs Ganze zu gehen und zum Äußersten zu greifen. Es könnte ziemlich turbulent und gewalttätig werden in der Türkei in den kommenden zwei, drei, vier Jahren.

    Ob sich dann die Investition für VW noch lohnen wird?

    Schon möglich, dass es nicht so schlimm kommt. Aber die Entscheidung von VW ist unvorsichtig.

  • Hey, super Meinung. Es geht hier ja gar nicht um Erdogan,nur Selbsterhaltungstrieb der Firma VW. Erdogan möchte Arbeitsplätze schaffen , wie die Politiker hier.Er ist der Konzern wahrscheinlich am meisten entgegengekommen und strategisch liegt die Türkei am Profitapeten

  • Der Untertitel, Izmir sei eine konservative Region ist in gänze Falsch! In Izmir als auch in der Region um Izmir war und ist die CHP immer mit Mehrheit gewählt worden. In der Türkei lässt es sich nach Istanbul nirgends freier Leben als in Izmir. Manisa ist etwas anderes, aber das sollte man dann auch dazu schreiben!

    • @bui1907:

      das kann ich auch Bestätigen, dass Izmir definitiv kein konservative metropole ist.

  • „Konkret würde das Werk mehrere Tausend neue Arbeitsplätze für den Großraum Manisa bedeuten. . . . Auch deshalb wäre das Werk gerade in dieser Stadt ein schöner Erfolg für Erdoğan“



    Man muss kein Freund Erdoğans sein – ich bin es auch nicht – aber den mehreren tausend Arbeitslosen sei es gegönnt, dass sie in Lohn und Brot kommen. Dank eines Investors aus einem Staat, der dem System Erdoğan bekanntlich kritisch gegenübersteht.



    Ansonsten leben wir im Kapitalismus, und Kapitalisten investieren vor allem dort, wo die Profitaussichten stimmen. Die Politik ist zweitrangig. Weshalb wohl zieht es Investoren noch viel mehr nach China, dessen kommunistisches System bestimmt nicht demokratischer ist?

  • In diesem Leben garantiert keine Produkte von VW mehr.Dieser Konzern ist wirklich das allerletzte.Von sienen bisherigen sehr sehr zweifelhaften Vorständen von Pter Hartz über Ferdinand Piech ui Martin Winterkorn und auch dergegewärtige Chef,Herbert Diess, ist offensichtlich nicht aus der Art geschlagen.



    Nein danke,nie mehr VW.



    Ist sowieso hoffnungslos überteuert.Irgendwer muss die "Party" ja schließlich bezahlen.

    • @Markus Müller:

      VW ist Brotgeber für das Volk. Du bist auch froh wenn du Arbeit Hast. Wie schön, dass Firmen kein Kleingeister sind.

  • Das ist ein Grund mehr, keinen VW mehr zu kaufen

  • Da hatten die Porsche/Piechs schon mit Hitler keine Probleme und die brasilianische Militärdiktatur war den Geschäften auch nur förderlich. Ob in der Ahnengalerie der Erdoğan noch den Kohl fett macht, wage ich zu bezweifeln.