Volkskongress in China: Todesstoß für Hongkongs Demokraten
Beim Volkskongress in China sickern Details der geplanten Wahlreform für die frühere britische Kronkolonie durch. Die Staatsführung agiert paranoid.
Die ersten Details der von Festlandchina aufgezwungenen „Wahlreform“ für die Sonderverwaltungsregion sind ein endgültiger Todesstoß für das pro-demokratische Lager: Demnach muss jeder Politiker, der künftig für das Parlament kandidieren will, von einem Pro-Peking-Komitee abgesegnet werden. Laut Wang Chen, dem Vize-Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses, sollen nur noch „Patrioten“ Hongkong regieren dürfen, ohne jedoch näher auf den Begriff einzugehen. Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua titelte mit „demokratischem Wahlsystem mit Hongkonger Eigenschaften“.
Rund eine Woche dauert der diesjährige Volkskongress. Aus demokratischer Sicht sind die Sitzungen zwar eine Farce, bei denen Abgeordnete praktisch einstimmig Gesetze abnicken, die sie nie zuvor gesehen haben. Doch für Beobachter ist die Veranstaltung ein wichtiger Gradmesser für den zukünftigen Kurs des Landes.
Normalerweise wird vor allem auf eine einzelne Zahl geschaut: das alljährliche Wachstumsziel. Nachdem 2020, also nur wenige Monate nach Ausbruch der Pandemie, erstmals kein konkreter Richtwert ausgegeben wurde, schlug die Staatsführung dieses Mal eine Kompromisslösung ein. Man wolle ein Wachstum von „über sechs Prozent“ erreichen, heißt es. Das bescheidene Ziel liegt rund zwei Prozent hinter den Prognosen von Ökonomen für Chinas tatsächliches Wachstum.
Gute Nachrichten
Doch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind es gute Nachrichten, dass sich die Bürokraten nun nicht mehr auf eine starre, überambitionierte Planzahl fokussieren müssen. Wie Premierminister Li Keqiang am Freitag begründete, lasse dies mehr Spielraum zu, um sich auf Reformen und Innovationen zu konzentrieren, die sich nicht unmittelbar in empirisch messbarem Wachstum niederschlagen.
In seiner Grundsatzrede ging der auf dem Papier zweitmächtigste Mann des Landes immer wieder auf die Notwendigkeit ein, dass sich die Volksrepublik im Bereich der Hochtechnologie von der Außenwelt unabhängig machen müsse. Die Botschaft ist eindeutig an die Vereinigten Staaten gerichtet, die aus Sicht Pekings mit Handelskrieg und Boykottdrohungen den wirtschaftlichen Aufstieg der neuen Weltmacht sabotieren wollen. Dementsprechend werden Chinas Forschungsausgaben bis 2025 jährlich um sieben Prozent steigen.
Ähnlich hoch fällt auch die Steigerung des diesjährigen Militärbudgets aus. Damit hinkt die Volksrepublik zwar nach wie vor den Vereinigten Staaten deutlich hinterher. Dennoch ist die technologische „Modernisierung“ der Volksbefreiungsarmee, wie sie Staatschef Xi Jinping immer offensiver mit künstlicher Intelligenz und autonomen Waffensystemen vorantreibt, insbesondere für die angrenzenden Nachbarländer in der Region besorgniserregend.
Letztendlich kann der streng orchestrierte Volkskongress nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese scheinbar vor Selbstbewusstsein strotzende Staatsführung aus tiefer Unsicherheit agiert. Die drastisch gestiegene Zensur und systematische Unterdrückung von Andersdenkenden unter Parteisekretär Xi Jinping demonstriert deutlich, dass Pekings Elite seiner eigenen Bevölkerung misstraut, ja sogar Angst vor ihr hat.
Wie paranoid die chinesische Regierung agiert, zeigte sich auch bei der Berichterstattung über den Volkskongress am Freitag. Als der US-Sender CNN, der ohnehin nur in einigen wenigen Hotelfernsehern in China zu empfangen ist, kritisch über die Wahlreform für Hongkong berichtete, bracht der Empfang plötzlich ab.
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