Volksinitiative Neue Wege für Berlin: In der Höhle des Baulöwen
Die wirtschaftsnahe Volksinitiative Neue Wege für Berlin hat 40.000 Unterschriften gesammelt. Ziele des Bündnisses sind schwammig.

„Es geht um die Chance, die Debatte um fehlenden Wohnraum durch zivilgesellschaftlichen Sachverstand zu ergänzen“, sagt Peter Kurth, ehemaliger CDU-Finanzsenator und Präsident des Bundesverbandes für Rohstoffwirtschaft. Kurz darauf bezeichnete er die Politik der „arroganten“ Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) als „asozial“.
Beides wirkt befremdlich: Zum einen sieht der Ort, an dem die „Volksinitiative“ ihre Forderungen verdeutlicht, so gar nicht nach Zivilgesellschaft aus. Die Pressekonferenz fand am Dienstagvormittag in den Büros einer Gesellschaft für Immobilien-Investitionen namens Bauconcept statt. Im Flur hängen Bilder von neuem Hochglanz-Berlin und altem Preußenprunk: Potsdamer Platz, Sony Center und Unter den Linden im Jahr 1820.
Zum anderen hat just eine Umfrage der ARD ergeben, dass bundesweit 71 Prozent der Bevölkerung Berlins Mietendeckel befürworten. Selbst eine Mehrheit unter FDP-Anhängern ist für das Gesetz, dessen Schärfe wesentlich auch dem Hause Lompscher zuzuschreiben ist.
Riesiger Bauüberhang
Und so wirken dann auch die vom Verein vorgetragenen Ziele von einem Neubauprogramm für 100.000 zusätzliche Wohnungen etwas schwammig: Neben dem üblichen „Bauen Bauen Bauen“ bräuchte es weniger Behördenbürokratie und mehr Ausverkauf landeseigener Flächen. Wie das konkret gehen soll, bleibt offen.
Denn der Senat wäre beim Bauen von preiswertem Wohnraum selbst gerne weiter. Der Neubau stockt dabei vor allem auch deshalb, weil die Kapazitäten der Bauwirtschaft nicht ausreichen. Berlin hat neben fehlendem sozialem Wohnraum laut Statistischem Bundesamt nämlich einen riesigen Bauüberhang: 64.000 genehmigte Bauvorhaben warteten 2018 etwa auf Durchführung – ähnlich viele wie in großen Flächenländern. Zu zäher Wohnungsbau liege allerdings weder am Mietendeckel noch an langsamen Genehmigungen. Laut Wirtschaftsverwaltung und IG Bau steigt die Auftragslage weiter.
Thomas McGath, Sprecher der Volksinitiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, sagt zum Neubau-Mantra der Wohnungswirtschaft: „Der Bau von mehr Wohnungen wird das Problem unseres eklatant ungleichen und destruktiven Wohnungsmarktes nicht lösen.“ In der Geschichte finde sich kein Beispiel dafür, dass ein privates Unternehmen ohne Subvention eine Sozialwohnung gebaut hätte.
Thomas McGath, Enteigungs-Volksbegehren
Neubau von Bauunternehmen bedeute entweder teure Eigentumswohnungen oder teure Mietwohnungen. So stiegen Preise weiter – Bauen ohne Vergesellschaftung sei nur ein verschleiertes Mittel zur Verdrängung, sagt McGath: „Nur Enteignungen und die Erhöhung des Anteils von öffentlichen Wohnraum könnten die Mieten tatsächlich senken und ein bezahlbares Niveau halten.“
Der Senat fährt derweil mehrgleisig: Er hat mit dem Mietendeckel Erhöhungen für fünf Jahre gestoppt und will beim Bau von Wohnungen aufholen. Neue Wege für Berlin will weiter Unterschriften sammeln und diese dann im März der Verwaltung übergeben. Wenn sich mindestens 20.000 davon als gültig erweisen, muss sich das Abgeordnetenhaus mit den Forderungen der Initiative befassen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder