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Volksentscheid in BerlinKein Gesetz für weniger Werbung

Im Abgeordnetenhaus gibt es keine Mehrheit. Die Initiative „Volksentscheid Berlin werbefrei“ will nun über das Thema abstimmen lassen.

Schon 2018 hatte die Volksinitiative mehr als 40.000 Unterschriften gesammelt Foto: picture alliance/dpa | Soeren Stache

taz/dpa | Die Initiative für den „Volksentscheid Berlin werbefrei“ ist mit ihrem Anliegen im Abgeordnetenhaus nicht durchgedrungen. Das Landesparlament hat deren Gesetzentwurf, der eine stärkere Regulierung der Außenwerbung und ein Verbot digitaler kommerzieller Werbung im öffentlichen Raum vorsieht, bisher nicht übernommen.

Damit kann die Initiative nun die zweite Stufe eines Volksbegehrens dazu starten. Kommen dabei innerhalb von vier Monaten die Unterschriften von mindestens sieben Prozent der Wahlberechtigten zusammen, würde ein Volksentscheid folgen. Dabei wird über den Gesetzentwurf abgestimmt. Ein möglicher Termin dafür ist die Abgeordnetenhauswahl am 20. September 2026.

Der Senat hatte im August den von den Initiatoren schon vor längerer Zeit vorgelegten Gesetzentwurf einerseits für zulässig erklärt. Andererseits lehnte er dessen Ziel ab, insbesondere digitale kommerzielle Werbung im öffentlichen Raum in Berlin zu verbieten.

Initiative will bald Unterschriften sammeln

Anschließend hatte das Abgeordnetenhaus vier Monate Zeit, sich mit dem Thema zu befassen und den Entwurf zu übernehmen. Am Donnerstagnachmittag wurde bei der jüngsten Plenarsitzung zwar über das Anliegen der Initiative debattiert, aber nicht über den Gesetzentwurf abgestimmt. Die Initiative wies darauf hin, dass die Viermonatsfrist am 13. Dezember verstreiche. Bis dahin sei keine reguläre Sitzung des Landesparlaments mehr vorgesehen.

Die Unterschriftensammlung soll voraussichtlich am 9. Januar beginnen. Hundertprozentig sicher ist das laut Initiativen-Sprecher Fadi El-Ghazi aber noch nicht: „Wir gehen gerade gegen die amtliche Kostenschätzung gerichtlich vor und haben gestern einen Antrag beim Verfassungsgerichtshof eingereicht“, sagte er.

Bei dem Antrag, über den das Gericht im Eilverfahren abstimmen muss, geht es um die Frage, ob der Senat die mutmaßlichen Mindereinnahmen der Werbewirtschaft in der amtlichen Kostenschätzung nennen darf. Diese ist den Unterschriftenlisten beigefügt, mit denen „Berlin Werbefrei“ auf die Straße ziehen wird.

„Zahlen kommen von der Lobby“

„Von 325 Millionen Euro Kosten, die der Senat aufführt, entfallen 275 Millionen auf die Werbewirtschaft“, so El-Ghazi zur taz. Diese beträfen ganz offensichtlich nicht den Landeshaushalt und gehörten deshalb auch nicht in die Schätzung. Außerdem stamme die Zahl von der Werbelobby in Gestalt des Fachverbands Außenwerbung.

Auch die geschätzten knapp 50 Millionen Euro, die den landeseigenen Betrieben wie der BVG für den Verkauf von Werbeflächen entgehen sollen, gehören nach Ansicht der Initiative nicht hinein. „Das wäre nur dann der Fall, wenn das Land die Betriebe als direkte Folge davon bezuschussen müsste“, meint El-Ghazi.

Sollte das Landesverfassungsgericht kurzfristig vor dem 9. Januar zu Gunsten von „Berlin Werbefrei“ entscheiden, müsste der Senat dem Landesabstimmungsleiter eine korrigierte Fassung der Kostenschätzung zukommen lassen. Dadurch würde sich der Beginn der Unterschriftensammlung verschieben, nach Einschätzung der Initiative jedoch höchstens um zwei Wochen.

Laut Fadi El-Ghazi ist die Initiative „frohen Mutes“, dass sich viele Freiwillige an der Unterschriftensammlung beteiligen würden – rund 120 Anmeldungen gebe es jetzt schon. Hinzu komme, dass nicht nur Grüne und Linke das Anliegen explizit unterstützten, sondern es auch in der SPD Sympathien für die Forderungen gebe. Nur die CDU habe im Ringen um eine Verhandlunglösung mit dem Abgeordnetenhaus klargemacht, „dass für sie flackernde Video-Boards zum öffentlichen Raum gehörten“, so El-Ghazi zur taz.

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