Volksbegehren in Brandenburg: 104.000 gegen Massentierhaltung
Knapp 24.000 Stimmen mehr als nötig sammelte die Initiative gegen Mastanlagen. Jetzt muss die rot-rote Regierung reagieren – oder es kommt zum Volksentscheid.
Potsdam dpa | Der Potsdamer Landtag muss sich erneut mit der Forderung beschäftigen, riesige Mastanlagen für Geflügel und Schweine in Brandenburg nicht weiter mit öffentlichen Mitteln zu fördern. Für das Volksbegehren gegen Massentierhaltung wurden 103.891 gültige Stimmen abgegeben, wie der Landeswahlleiter am Donnerstagabend das vorläufige Ergebnis bekanntgab. Das waren demnach fast 24.000 Stimmen mehr als notwendig. Wenn die rot-roten Koalitionsfraktionen hart bleiben, können die Brandenburger in einem Volksentscheid über eine artgerechtere Tierhaltung im Land abstimmen.
„Wir sind glücklich und überwältigt, mit einem sechsstelligen Ergebnis hatten wir nicht gerechnet“, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses Agrarwende, Michael Wimmer. Im Potsdamer „Haus der Natur“ hatte etwa 60 Aktivisten der Initiative und Landtagsabgeordnete der Grünen mit Spannung auf das Ergebnis gewartet. Zuvor war mit einer knappen Entscheidung gerechnet worden.
„Jetzt geht es darum, unsere Forderungen ernsthaft mit der Politik und dem Berufsstand, vor allem mit dem Bauernverband, zu diskutieren“, sagte Wimmer. „Ich glaube nicht, dass sie jetzt noch mal den gleichen Fehler machen, uns billig abzuspeisen.“ Im vergangenen Jahr war eine Volksinitiative gegen Massentierhaltung, die rund 34.000 Brandenburger unterschrieben hatten, an der rot-roten Regierungsmehrheit im Landtag gescheitert.
„Der Ball liegt jetzt bei den Koalitionsfraktionen im Landtag und bei der Landesregierung“, sagte Martin Kündiger, Sprecher der Initiative zum Volksbegehren. „Wenn da wieder eine Ablehnung kommt, sind wir auch gewillt, in den Volksentscheid zu gehen.“
Förderung nur unter Bedingungen
„Brandenburg will die Agrarwende“, sagte der Landesvorsitzende der Grünen, Clemens Rostock. „Trotz zahlreicher Hürden – diese hohe Zahl an Stimmen zu sammeln, zeigt, dass sich was ändern muss.“ Bislang habe Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) nur halbherzige Signale gesendet. So sollen die alten Auflagen zum Tierwohl weitgehend bestehenbleiben und mit überschaubaren Verbesserungen als Premiumförderung mit 40 Prozent gefördert werden, meinte Rostock.
Das Bündnis Agrarwende fordert, nur noch Mastbetriebe mit bis zu 40 000 Tieren bei Geflügel und bis zu 2000 Schweinen mit Steuergeld zu fördern. Ein hauptamtlicher Tierschutzbeauftragter soll über die Betriebe wachen. Zudem wird ein Klagerecht von Tierschutzverbänden gegen Genehmigungen von Anlagen und bei Missständen in der Tierhaltung gefordert.
Beschränkungen für Großmastanlagen
Der Bauernbund erklärte, Vogelsänger solle baurechtliche Beschränkungen für Großmastanlagen erlassen. „Wir hoffen sehr, dass der Minister bei der Ablehnung des Verbandsklagerechts und zusätzlicher Tierschutz-Auflagen bleibt“, sagte Bauernbund-Vorstand Reinhard Benke. „Er kann aber nicht so tun als gäbe es diese über 100.000 Unterschriften nicht.“
Zustimmung kam von der Linken-Fraktion im Landtag. „Wir möchten einen Tierschutzbeauftragten beim Verbraucherschutzministerium einrichten“, sagte die agrarpolitische Sprecherin, Anke Schwarzenberg. Ein Klagerecht der Verbände ließe sich so ausgestalten, dass die von den Landwirten befürchteten Verzögerungen bei den Verfahren vermieden werden könnten.
Ein halbes Jahr lang konnten die Brandenburger auf Ämtern oder per Briefwahl für das Volksbegehren unterschreiben. Die Stimmen wurden auf den Ämtern bereits geprüft. Nach Angaben des Landeswahlleiters hatten sich fast 107.000 Bürger beteiligt. Gut 3.000 Eintragungen waren aber ungültig. Mit 13.685 Unterschriften hatten sich die Bürger in der Landeshauptstadt Potsdam am stärksten beteiligt. Über das endgültige Ergebnis berät am 27. Januar der Landesabstimmungsausschuss.
Leser*innenkommentare
Marc Aber
Wunderbar, auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist, auch wenn noch viel mehr gegen Massentierhaltung getan werden muss... Wenn solche Forderungen endlich durchkommen ist es für mich wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag. Und dann geht's stetig weiter...
tsitra
Ich es sehr erfreulich, dass es diese Initiative gibt, und auch dass sie erfolgreich ist!
Dennoch kommt es mir sehr deprimierend vor, dass so etwas überhaupt entstanden ist!
Menschen sind offenbar ziemlich unsensibel und daher gewaltbereit!
Wie kann/soll ich das jetzt verstehen?
Bis 40000 Hühner und bis zu 2000 Schweinen sei noch in Ordnung?
Alle diese Tiere gehören raus auf die Weide, natürlich mit Unterständen als Regenschutz,
auch wenn Fleisch, Milch und Eier x-mal so viel kosten würden!
Gerade Erwachsene brauchen, wenn überhaupt, nur alle halbe Jahr mal eine Portion Fleisch/Milchprodukt,
denn Vitamin B12 wird jahrelang gespeichert!
Es ist eine Möglichkeit des Menschseins
diese Greueltaten nicht zu unterstützen und zu delegieren.
Gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen Mensch und Tier, wenn man
wahrnimmt wie unbeherrscht und triebgesteuert Menschen (sogar ohne Not!) handeln?
Jörg 70
Massentierhaltung / Massentierhalter hat großes Potential zum Unwort des Jahres, da es Haltungsformen und Tierhalter pauschal verurteilt und die Menschen die mit Tieren arbeiten diskriminiert. Der Begriff wird zu meist von linken und rechten Tierschutzextremisten genutzt. Denken Sie mal darüber nach
Jandebuur
@Jörg 70 2000 Mastschweine oder 40000 Geflügel auf einen Hof sind schon eine Masse Tiere.Warum sollte das nicht Massentierhaltung heißen, zumal das auf engem Raum stattfindet.
fly
„Brandenburg will die Agrarwende“, sagte der Landesvorsitzende der Grünen, Clemens Rostock.
Die Aussage zeugt von einem etwas eingetrübten Demokratieverständnis.
Wenn 100.000 von 2,5 Mio etwas unterschreiben, dann ist das für die Organisatoren zweiflellos ein Erfolg, lässt aber keine Aussage über die allgemeine Meinung zu. Und es geht auch nicht wirklich gegen die Massentierhaltung, sondern es geht um die öffentliche Förderung dieser.
Es wäre nett, wenn man bei den Fakten bleiben würde. Das Herausreissen von Bruchstücken die einem gefallen und die dann in einen großen Kontext gestellt werden, hilft nicht die Akzeptanz, zB der Politiker, zu stärken. Der kleine Schritt in dem Referendum ist auch ohne die künstliche aufbauschende Überhöhung wichtig.