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Völkerrechtler über Sparauflagen„Das ist Hartz IV für Europa“

Die Sparauflagen für EU-Mitglieder wie Griechenland verschlimmern die Lage. Und sie seien rechtswidrig, sagt Völkerrechtler Fischer-Lescano.

Selbst in Not geraten: Krankenhaus in Athen. Bild: reuters
Christian Jakob
Interview von Christian Jakob

taz: Herr Fischer-Lescano, Sie werfen der EU vor, mit ihrer Krisenpolitik ihre Kompetenzen zu überschreiten und Menschenrechte zu verletzen. Weshalb?

Andreas Fischer-Lescano: Die „Memoranden of Understanding‘, die Vereinbarungen über die Kreditauflagen, greifen in eine ganze Reihe von Grund- und Menschenrechten ein.

Welche?

Gesundheitsrechte etwa, wenn ganz konkrete Zuzahlungserhöhungen für Medikamente verlangt werden, oder das Recht auf Bildung. Vor allem aber ist der Bereich Arbeit und soziale Sicherheit betroffen: Sanktionen gegen Arbeitssuchende werden eingeführt, soziale Sicherungssysteme fallen weg. Das ist, um es zuzuspitzen, Hartz IV für Europa. Dies verletzt die Tarifautonomie, das Recht auf Berufsfreiheit und auf faire Entlohnung.

Das mag einem nicht gefallen, aber warum sollten politische Institutionen das nicht so entscheiden dürfen?

Diese Eingriffe verstoßen unter anderem gegen die Europäische Grundrechtecharta, den UN-Sozialpakt oder die Europäische Menschenrechtskonvention. Die europäischen Organe, also die Kommission und die Zentralbank, sind an diese Normen gebunden – auch und gerade in der Finanzkrise. Durch die Krise ist das Unionsrecht nicht etwa suspendiert. Die Memoranden sind als Verträge zu Lasten Dritter evident rechtswidrig.

Bild: privat
Im Interview: Andreas Fischer-Lescano

41, ist Direktor des Bremer Zentrums für Europäische Rechtspolitik. Der Professor für Völkerrecht wurde 2011 bekannt, weil er dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als Erster Plagiate in seiner Doktorarbeit nachwies. Für den Europäischen Gewerkschaftsbund hat er die Sparpolitik der EU untersucht. Das Gutachten wird im Januar in Brüssel vorgestellt.

Das bedeutet, ein griechischer Krebspatient, der seine Medikamente nicht mehr bezahlen kann, könnte gegen die Kreditauflagen klagen?

Unter bestimmten Umständen: Ja. Es gibt ja bereits Klagen, aber sie richten sich meist direkt gegen die nationalen Umsetzungsakte, also etwa die griechische Regierung. Bislang werden die Handlungen der EU-Organe selbst nicht deutlich genug problematisiert. Dabei werden auf Unionsebene die menschenrechtswidrigen Weichen gestellt.

Sie empfehlen also Klagen beim Europäischen Gerichtshof gegen die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank?

EU-Ratspräsident

Griechenland hat am 1. Januar turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft von Litauen für das erste Halbjahr 2014 übernommen. Athen führt nun die Geschäfte der EU, während es zugleich mit einer schweren Finanzkrise kämpft. Die Arbeitslosigkeit liegt bei rund 27 Prozent. Die Griechen müssen Sparauflagen der EU erfüllen, die nach Ansicht des Völkerrechtlers Andreas Fischer-Lescano die Lage nicht nur verschlimmern, sondern auch noch rechtswidrig zustande gekommen sind. Das geplante Budget für den griechischen Vorsitz ist mit rund 50 Millionen Euro das kleinste, seit es eine EU-Präsidentschaft gibt. (dpa/taz)

Die Kreditauflagen sind von der Kommission und der EZB ausgehandelt worden. Deswegen muss gegen sie vorgegangen werden können. In der Vergangenheit hat sich der Europäische Gerichtshof in solchen Fragen leider nicht gerade zum Anwalt der Entrechteten gemacht. Die jüngsten Entscheidungen, etwa zur Vorratsdatenspeicherung, geben allerdings Hoffnung, dass er in Zukunft eine aktivere Rolle einnimmt. Sinnvoll wäre es, auch andere gerichtliche Foren, vom Europäischen Sozialausschuss bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, intensiver einzuschalten als bislang.

Vor dem EuGH gab es schon eine Klage griechischer Beamter.

Die wollten die Streichung ihres 13. Monatsgehaltes für nichtig erklären lassen. Genau das aber steht im betreffenden Memorandum so nicht explizit drin. Die griechische Regierung hatte da in der Umsetzung der Auflage Spielräume. Deswegen lehnte der EuGH eine Entscheidung ab. Es kommt jetzt darauf an, Fälle zu finden, in denen die negative Betroffenheit durch die Memoranden selbst evident ist.

Was für Fälle könnten das sein?

Beispielsweise verpflichtet das Memorandum mit Irland zur Absenkung des Mindestlohnes um einen Euro, das Memorandum mit Griechenland nennt konkrete Summen bei der Medikamentenzuzahlung. Solche Klauseln könnte man vor dem EuGH angreifen.

Sie kritisieren auch, dass die Kommission die Kreditverträge ausgehandelt hat. Warum hätte sie das nicht tun dürfen?

Wir haben es hier mit einer sogenannten Organleihe zu tun: Die Kommission verhandelt im Auftrag des Europäischen Stabilitätsmachanismus. Grundsätzlich ist so etwas möglich. Die Kompetenzen des entliehenen Organs dürfen aber nicht verfälscht oder erweitert werden. Genau das ist aber passiert. Die Kommission hat in vielen Sachbereichen der Memoranden, etwa der Tarifautonomie oder der Lohnhöhe, gar keine Kompetenz.

Ist das im Nachhinein nicht herzlich egal? Ohne den Umweg über die Kommission hätte die Eurogruppe mit Griechenland doch genau denselben Vertrag geschlossen.

Das ist keineswegs egal. Die Einhaltung der prozeduralen Vorschriften des Unionsrechts würde die Verhandlungen aus den Hinterzimmern herausholen. Sozialpartner und Europaparlament säßen mit am Tisch. In einer öffentlichen Debatte über die Bedingungen hätte man auch diskutieren können, ob die Einschnitte in die sozialen Grundrechte verhältnismäßig sind.

Wie sähen denn verhältnismäßige Einschnitte aus?

Die sozialen Menschenrechte sind nicht unantastbar und jeder politischen Einflussnahme enthoben. Aber es gibt Vorschriften für Einsparungen, die beachtet werden müssen: Dazu gehört etwa das Diskriminierungsverbot, nach dem schwächere Gruppen nicht benachteiligt werden dürfen. Doch gerade in ihrer Kombination bringen viele Sparauflagen Kinder, Rentner, Behinderte, Migranten in existenzbedrohende Situationen. Außerdem gilt das Verschlechterungsverbot: Wenn die EU-Organe Einschnitte in soziale Menschenrechte vornehmen, müssen sie die relevanten Gruppen in den Rechtssetzungsprozess einbeziehen. Im Fall der Sparauflagen wären das vor allem die Sozialpartner und das Europäische Parlament. Beides ist nicht hinreichend erfolgt. Schließlich missachten die Sparauflagen auch das Gebot, jeweils das mildeste Mittel zu wählen, also grundrechtsschonende Alternativen zu prüfen.

Und wie ließe sich denn mit milderen Mitteln der griechischen Staatshaushaltes stabilisieren?

Denkbar wären da eine vorrangige Kürzung der Militärhaushalte, eine stärkere Neuverschuldung oder eine Erhöhung der Defizitgrenzen. Man könnte auf der Einlagensicherungsseite viel tun, Vermögen stärker besteuern. Vieles in dieser sogenannten Sparpolitik hat im Übrigen mit Sparen nichts zu tun. Der Staat spart nichts durch die Einschnitte in die Tarifautonomie. Am Ende zahlt er drauf.

Das alles erinnert an die Strukturanpassungsprogramme, mit denen der Internationale Währungsfonds und die Weltbank in den 1980er Jahren politische Reformen in verschuldeten Staaten erzwungen haben.

Die Parallelen sind offenkundig. Die Konditionalisierungspolitik von IWF und Weltbank hat seit Jahrzehnten ganze Kontinente durch die neoliberale Doktrin verwüstet. Heute erleben wir das Entstehen von Massenarmut in Europa. Die Regulierungstechnik ist die gleiche: Auch die Kredite an Lateinamerika liefen über „Memoranden of Understanding“. So werden diese Einschnitte demokratischer Kontrolle entzogen.

Warum?

Die Memoranden sind eine Kategorie jenseits des völkerrechtlichen Vertrages, aus dem Beteiligungsrechte der Parlamente erwachsen …

Aber das griechische Parlament hat den Kreditauflagen zugestimmt.

Das Parlament hatte keine Wahl. Das einzige Parlament, das den supra- und internationalen Organisationen auf Augenhöhe entgegentreten könnte, war nicht ansatzweise beteiligt. Das ist, wie Jürgen Habermas es zu Recht kritisiert hat, eine „Fassadendemokratie“: Die Institutionen existieren, können ihrer Kontrollfunktion aber nicht nachkommen.

Sie sagen, die Austeritätspolitik sei ökonomisch nicht sinnvoll, um finanzielle Stabilität zu erreichen. Das ist keine sehr juristische Argumentation.

Doch. Der EuGH sagt, die Finanzmaßnahmen müssen geeignet sein, um ein legitimes Ziel zu erreichen. Das legitime Ziel, mit dem nach dem EuGH Eingriffe gerechtfertigt werden können, ist die finanzielle Stabilität. Und finanzielle Stabilität schließt soziale Stabilität ein.

Wie wären denn soziale und finanzielle Stabilität miteinander in Einklang zu bringen?

Selbst der IWF stellt fest, dass die Sparpolitik die strukturellen Probleme noch vertieft. Europas strukturelle Probleme, die unterschiedlichen Außenhandelsbilanzen, die unzureichende Bankenregulierung, die fehlende Koordinierung der Steuern, werden durch die Sparpolitik nicht gelöst, sondern verstärkt. Eine nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik müsste auf europäischer Ebene Einnahmensicherungen vorsehen, durch Vermögensteuer und Finanztransaktionsteuer. Sie müsste zur Beachtung sozialer Mindeststandards verpflichten und den Niedrigsteuerwettbewerb unterbinden. Von diesen Notwendigkeiten wird jedoch aktiv abgelenkt.

Wodurch?

Es geht ja nicht darum, wie man uns weismachen will, dass die Siesta der Griechen länger dauert als die der Deutschen. Die Menschen in Deutschland und Griechenland begleichen die Rechnung eines außer Kontrolle geratenen Wirtschaftssystems. Erst wenn wir mit der Lüge Schluss machen, die die soziale Frage Europas in zwischenstaatliche Kulturkonflikte umdeutet, können wir die nötigen Strukturveränderungen in Gang bringen.

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35 Kommentare

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  • SR
    Suche Rat

    Ich frage mich, ob es genügend intelligente Leser gibt, dass es sich rentiert, einen Artikel dieser Qualität zu erarbeiten und publizieren. Das Einfordern von Recht und Ordnung als linksextrem einzustufen ist unsäglich. Diese Forderung ist nicht links, mittig oder rechts, sondern schlicht zwingend. Wie soll sonst dem ganzen Wahnsinn noch Hoffnung entgegengesetzt werden?

  • W
    Wolfgang

    Zu: @ "ALREECH" =

     

    In Westdeutschland "... bezahlen mehr als 35 Prozent" vom Tariflohn - für alte Werktätige. (?)

     

    Merke: In Folge der EU- und Hartz-IV-"Freizügigkeit" wartet kein Kapitalist (Unternehmer bzw. "Sozialpartner") auf einen "Alten Sack" und schon gar nicht aus Gefühlsdusselei und 'Nächstenliebe'. Jetzt gibt es auch (junge) Hochqualifizierte für weniger als die Hälfte vom alten Lohn.*

     

    * [Objektive EU-BRD-Realität ist: Die Qualifizierten aus den Armutsregionen werden als Entwicklungshelfer für die Reichtumsregionen eingesetzt!]

     

    Und wer finanziert (und organisiert) eine bezahlbare Wohnung, die Wohnungsauflösung und Umzugskosten - für einen alten qualifizierten Lohnarbeiter?

     

    Berücksichtigen Sie auch die sozialen Kosten, nach mehr als 60. Lebensjahren: die Trennung von Kindern, Verwandten, Freunden und Bekannten.

     

    Übrigens, hätte ich noch finanzielle Mittel, trotz mehr als 35 Vollzeit-Arbeitsjahre, dann wäre ich nicht im offenen Hartz-IV-Strafvollzug für vormals mehrwertschöpfende Werktätige und hätte bereits BDA-GroKo-Profit-Germanya verlassen. -

     

    In Wirtschaft und Lobbypolitik können sie auch ohne eine vergleichbare Arbeits- und Lebensleistung über Vermögen und Pensionen verfügen. Für Lobbyisten und Staatsbeamten a. D. stellt sich diese soziale Frage nicht.

     

    Aufwachen, brave GroKo-"Sozialpartner" der EU-Profiteure! (?)

  • Interessantes Interview, vielen Dank dafür. Die derzeitige Krisenbewältigungspolitik geschieht wohl auf dem Rücken der großen Mehrheit der Menschen in Europa. Parteipolitisch profitieren z. Zt. vor allem die geistigen Brandstifter Haider, Le Pen, Wilders und Co., die den Menschen nichts als Ressentiments und Sündenböcke für ihre (z. T. sehr berechtigten) Ängste bieten.

     

    Wo soll das hinführen?

     

    Vielleicht ist es einfach an der Zeit, Europa neu zu begründen?

     

    http://www.europa-neu-begruenden.de/

  • HB
    Harald B.

    Schuster bleib bei deinen Leisten!

    Diesen alten Spruch möchte ich dem Autor gern ins Gedächtnis rufen. Als Völkerrechtler ökonomische Entwicklungen und Probleme zu analysieren ist etwa so, als würde ich mit einem Herzleiden zum Friseur gehen.

    Die Probleme und Dinge, die im Artikel angesprochen werden, haben eine klare Ursache- die heißt Euro. Und für Gr ebenso eine einfache Lösung, die einizge übrigens- die heißt Austritt aus dem Euro.

    ÖKONOMISCHE Gesetze kann man nicht außer Kraft setzen und nicht mit Völkerrecht bewerten.

  • G
    gast

    Vor dem EuGH gab es schon eine Klage griechischer Beamter.

     

    "Die wollten die Streichung ihres 13. Monatsgehaltes für nichtig erklären lassen"

     

    Klar, die Regierenden wollen auf nichts verzichten, während man dem Volk alles abverlangt, wie auch in Deutschland.

     

    "Die Menschen in Deutschland und Griechenland begleichen die Rechnung eines außer Kontrolle geratenen Wirtschaftssystems"

     

    Da kann man nichts mehr hinzufügen. Man kann nur hinzufügen, auch mit den Rentnern geht es steil bergab

     

    Ich habe Suchbegriff "bei Einführung des Euro wurden deutsche Rentner betrogen"

    Da kommen so richtig interessante Sachen zum Vorschein.

     

    Also ist mein Denken richtig. Wir wurden durch die Einführung des Euro betrogen, denn der wurde gegen DM nicht 1:1 getauscht, sondern eins zu 50. Und hätte Schroder und Co nicht die radikale Rentenreform durchgezogen natürlich auf Kosten der Bürger, ginge es unseren Rentnern gut, sie könnten noch am Gesellschaftsleben teilhaben, statt am kahlen Hundeknochen versuchen noch was zu finden.

     

    Natürlich nehmen die Politiker für sich keine Einsparungen vor, ganz im Gegenteil, sie erhöhen sich unverschämt die Bezüge und schmeißen Millionen für Wahlpropaganda aus dem Fenster.

     

    Diese Regierung hat es nicht verdient an der Macht zu sein, sie täuschen und belügen uns, besonders die Rentner

    • @gast:

      Griechische Beamte sind keine Regierenden. Wer Polizei, Feuerwehr, Lehrer und öffentlichen Dienst mit politisch besetzen Staatssekretären in ein Topf wirft, verlässt jede seriöse Debatte.

  • F
    Franzi1985

    Warum sagt man den Spacken nicht einfach, dass ein Sozialstaat günstiger ist, als ein Polizei- und Wettbewerbsstaat?!!! Wir hatten bis 1990 europaweit einen Sozialstaat und wären nie in die Krise gekommen, wenn man ihn nicht immer weiter abgebaut hätte!

    • @Franzi1985:

      Da sagen Sie was. Schröder gab vollmundig vor, den Sozialstaat mit der Agenda 2010 retten zu müssen. Seine Bertelsmänner wollten das gern so haben. Das Ergebnis ist - zumindest den Betroffenen - heute wohl bekannt. Anstatt bewährte europäische Strukturen weiterzuentwickeln, fängt man sich lieber amerikanische Krankheiten ein. Das europäische Selbstbewußtsein ist immer noch erstaunlich unterentwickelt.

      • @Rainer B.:

        Agenda 2010 und das heute bekannte Ergebnis sind zwei paar Schuhe. Selbst Peter Hartz hat sich von den beschlossenen Gesetzen distanziert. Laut Rot/Grün sollte Alg2 zwischen der alten Arbeitslosenhilfe liegen, die aus dem Ruder zu laufen schien, und deutlich über der alten Sozialhilfe. Nur die CDU wollte und bekam(!) Sätze unter der alten Sozialhilfe (die CSU wollte sogar Gutscheine). Auch Bedarfsgemeinschaften und Sanktionen waren eine Erfindung der Union. Trotzdem oder angesichts von 80% Beschäftigten gerade deshalb, wurde Schwarz/Gelb gewählt. Nach dem teile und herrsche Prinzip, wollte die Mehrheit die 'Hartzer' zwirbeln, wo es nur geht. Für diese mangelnde Solidarität muss sich jeder an seine eigene Nase packen.

        • @mdarge:

          Sicher, die Union hatte seinerzeit schon Gutachten zur Belastbarkeit der unteren Einkommensschichten in Auftrag gegeben und Jahre vorher schon die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe forciert. Wer eins und eins zusammenzählen konnte, wusste sehr genau was da kommt. Deshalb kann man die SPD und die Grünen auch nicht aus der Verantwortung nehmen. Viele haben damals Schröder gewählt, weil sie den Dicken einfach nicht mehr ertragen konnten oder sich von Rot/Grün eine andere Politik erhofft hatten. Eine glatte Fehleinschätzung des Kapitals. Eine kritische Aufarbeitung der Agenda-Politik hat es in der SPD aber bis heute nicht gegeben - im Gegenteil. Was die mangelnde Solidarität angeht, haben Sie leider völlig recht. Mittlerweile trifft es aber oft auch Leute, die das bei sich selbst nie für möglich gehalten hätten. In der Politik gibt es einfach kein "kleineres Übel". Es gibt nur richtig oder falsch und eine Politik, die Lohndumping fördert und ist grundsätzlich falsch.

  • Wenn der griechische Staat pleite ist, dann gibt es gar keine Beamtengehälter mehr, und keine Medikamente zu denen man was dazuzahlen müsste, dann muss man die selber kaufen.

     

    Und das Griecheland beim Militär nicht kürzt ist eine Entscheidung der Griechen gewesen, alles andere ist eine Verschwörungstheorie.

    • @Tim Leuther:

      Hätte Griechenland beim Militär gekürzt, wären vor allem die deutschen Rüstungsexporte gesunken. Wenn das mal keine Menschenleben in Deutschland gefährdet hätte.

      • B
        Blautopf
        @Rainer B.:

        Ändert das etwas an der Verantwortlichkeit der griechischen Politiker (und damit auch der griechischen Wähler) für ihre eigenen Haushaltsentscheidungen?

         

        Oder was glauben Sie, warum beispielsweise nicht auch Dänemark ein Großimporteur deutscher - und französischer - Rüstungsgüter ist?

        Etwa weil die Dänen im Gegensatz zu den Griechen nicht so weichherzig sind, dem Heulen und Zähneklappern deutscher Politiker, Aktionäre und Angestellter von Rüstungskonzernen reflexhaft und wehrlos nachzugeben?

        • @Blautopf:

          Nein, da haben Sie völlig recht, an den Verantwortlichkeiten ändert das nichts. Mir geht es darum, auf die verhängnisvolle Verflechtung von Rüstungsgeschäften und Staatshaushalten hinzuweisen. Diese Entwicklung vollzieht sich hier wie dort mehr und mehr ausserhalb jeglicher demokratischer Kontrolle und vernichtet Milliardenbeträge, die in anderen Bereichen wie Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft, Soziales etc. dringend benötigt werden und insbesondere auch wirtschaftspolitische Alternativen dauerhaft behindern.

  • U
    Uticensis

    Die Fragen sind schon recht gut und kritisch. Letztlich entlarvt sich die Argumentation des Herrn Professor als Versuch, linke bis extrem linke politische Konzepte - die auch unter demokratischen Auspizien letztlich keine Chance haben - als rechtliche (völker-/menschenrechtliche) Gebote zu postulieren. Das war übrigens im Kern auch das "Menschenrechtsverständnis" des verblichenen Ostblocks.

     

    Diese Versuch ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, dass er sich von selbst erledigt und zu Recht nicht ernstgenommen werden wird. Tatsächlich gibt es die von ihm behaupteten Rechte so nicht bzw. sie haben nicht den konkreten Inhalt, den er (aus seinem linken politischen Vorverständnis heraus) gerne hätte.

     

    Exemplarisch der Vergleich "Hartz IV für Europa": Hartz IV ist ja gerade nicht verfassungs- und menschenrechtswidrig - anderer Ansicht nur linksaußen (links von der SPD) anzutreffen und beruhend auf Wunschdenken statt auf juristischer Argumentation. Gleiches gilt für "Hartz IV für Europa".

    • @Uticensis:

      „Hartz IV ist ja gerade nicht verfassungs- und menschenrechtswidrig“

       

      Ich hoffe, Sie können diese Aussage juristisch begründen. Im Urteil der BverG vom 9.2. 2010 ist das Existenzminimum unverfügbar und muss eingelöst werden. Die Sanktionspraxis nach §31 a SGBII widerspricht genau diesem. Jetzt könnte man anführen, dass das Existenzminimum vom BverfG nicht definiert wurde. Wurde es aber doch, indem vom BVerfG darauf die Ungenügendheit und Intranzparenz der Regelsätze für ALGII angemahnt wurde. Damit wurde das Existenzminimum indirekt definiert und Sanktionen ausgeschlossen, denn mit jeder Sanktion wird das Existenzminimum unterschritten. Somit ist „Hartz 4“, zumindest was den § 31 SGBII betrifft, verfassungswidrig.

      • @lions:

        Hartz4 ist verfassungskonform. Es ist eine Fortentwicklung der Sozialgesetzgebung. Verfassungsfeindlich sind die später hinzugefügten Sanktionen. Über 50% erfolgreiche Klagen zeigen, dass die Sanktionspraxis noch weit über diese die Menschenwürde missachtende Gesetzgebung hinausgeht.

  • W
    Wolfgang

    Der gesetzliche Mini-"Mindestlohn", - der spezialdemokratischen GroKo und gewerkschaftlichen "Sozialpartner" - der herrschenden Finanz- und Erbschafts-Monopolbourgeoisie -, ab Januar 2017, wird auch für BRD-EU-Hochqualifizierten die Arbeitslöhne noch weiter nach unten drücken.

     

    Hierfür, für die Beseitigung der auskömmlichen Bezahlung in Deutschland und für die sozial- und lohn-ökonomische Weltmarktanpassung, ist die sozialdarwinistische und kapitalfaschistische "AGENDA 2010", der "Hartz-IV"-Strafvollzug, die "Rente ab 67/69/70" und die sog. EU-"ArbeitNEHMER"(?)-"Freizügigkeit" [- für die Steigerung der deutschen Weltmarkt-Profite und Quandtschen BDA-BDI-GroKo-Dividenden -] nur ein nützliches gesellschaftspolitisches Mittel - für die soziale Anpassung der werktätigen Bevölkerungsmehrheit nach unten!

     

    Deutschlands GroKo-Bundesregierung und Parlamentsmehrheit handelt im ausschließlichen Herrschaftsinteresse der deutsch-europäischen Finanz-, Rohstoff-, Rüstungs-, Medien- und Monopolbourgeoisie (und für eigene zukünftige Vorstandsposten und Beamten-Pensionen), aber nicht im Interesse der Bevölkerungsmehrheit! -

     

    Diese Wahrheit wird auch weiterhin erfolgreich geleugnet!

    • @Wolfgang:

      "Diese Wahrheit wird auch weiterhin erfolgreich geleugnet!"

      Nicht schummeln , Wolfgang ! "Die Bevölkerung" hatte vor kurzem die Wahl : sie bzw. 'die Wähler' haben die GroKo gewählt ! Sie könnten also nur sagen : 'Selber schuld !' , mehr aber nicht . Die Bevölkerungsmehrheit will keinen radikalen Systemwechsel . Und CDUCSUSPDGRÜNELINKE wollen eigentlich auch nur alles tun , damit das wegen Wachstumsschwindsucht am Rollator gehende System nicht zusammenbricht . Die Nebenwirkungen der Therapie sind "alternativlos" , und für Heilung können die "Ärzte" nicht garantieren .

      Nun ja , wir müssen alle mal sterben , ... darin liegt doch Hoffnung ! lol

  • W
    Wolfgang

    Anmerkung zu "faire Entlohnung" heute:

     

    Nach mehr als 35 Vollzeitarbeitsjahren, als Facharbeiter und Meister, nach einem "befristeten Arbeitsvertrag" im KBB/MGB Berlin, und nach ALG I, im offenen "Hartz-IV"-Strafvollzug.

     

    Bereits über 60. Lebensjahre und mehr als 47. Erwerbslebensjahre, einschließlich Arbeitslosigkeit.

     

    Ein Telefonanruf vom zuständigen "Jobcenter" Berlin Tempelhof-Schöneberg:

     

    "Sie müssen auch für weniger (als 35 Prozent) vom Tariflohn arbeiten."

     

    Im Dezember 2014 zur "Eingliederungsvereinbarung" beim "Jobcenter" (Merke: als Meister/Ausbilder, ohne Vorstrafen, zur "Eingliederungsvereinbarung", nach über 60. Altersjahren):

     

    "Sie sind verpflichtet jede (unterbezahlte und zumutbare) Arbeit anzunehmen!" -

     

    "Ich müsste eine Sanktionsmaßnahme gegen Sie verhängen." (= O-Ton, des Beamten)

     

    Anm.: Demnächst befinde ich mich in Altersarmut. -

     

    Da keine Rentenpunkte (im "Hartz-IV"-Vollzug) und zusätzlich noch RV-Abschläge (Rentenkürzung)!

    • @Wolfgang:

      Ganz bitteres Kino! Wolfgang: Kopf immer schön oben tragen! Der Umgang mit dir ist eine Riesensauerei! Du bist der klassische H4 Verlierer.

    • A
      Alreech
      @Wolfgang:

      Und muss es unbedingt Berlin sein ?

      In Hessen, Baden-Württemberg und Bayern bekommt man als Meister mehr als 35% vom Tariflohn.

      • @Alreech:

        Ja, es muss Berlin sein. Allgemein gilt Freizügigkeit. Zudem sollen Kosten durch unnötige Umzüge vermieden werden. Solche Sanktionen verletzen die Grundrechte. 'Wolfgang' sollte unbedingt dagegen klagen. Man kann auch solche Stellen unter Protest annehmen und sich weiter bewerben. Nur die 'Eingliederungsvereinbarung' darf nicht unterzeichnet werden. Allerdings befindet man sich dann bereits auf dem Klageweg.

  • Ein interessantes Interview.

    Was mir allerdings nicht verstaendlich ist:

    Im ersten Teil wird das Unrecht besprochen (Sachebene). Im zweiten Teil werden Alternativen besprochen (Politikebene).

    Waere denn eine Vermoegensssteuer nicht ein Angriff auf die Grundrechte? (Unabhaengig von der Sympathie fuer eine solche Steuer).

    Wie sieht der Auror die Grundrechtkonformitaet einer solchen Massnahme?

    Das bste ware wirklich ein kompletter Stop der Kriegsausgaben. So viele Feinde hat GR ja nun wirklich nicht.

    • @Demokrat:

      Von Grundrechten angesichts einer Vermoegensssteuer zu sprechen, ist etwas übertrieben. Dem Verfassungsgericht missfiel eine konkrete Ausführungsbestimmung. Die NeoLiberalen und NeoCons sind politisch dagegen. Die FDP wurde dafür knallend abgewählt!

  • Wären alle Verträge gehalten worden und wäre es beim *no bail out* geblieben, würde es Griechenlnd überdeutlich besser gehen. Unsere *Eliten* haben uns an die Finazwortschaft verkauft. Na ja, die Presse hat ja deutlich mitgezündelt inkl TAZ.

  • Gerade ist der Chaos Communication Congress zu Ende gegangen. Wo wir uns heute über die NSA aufregen, befindet sich der Überwachungsstaat erst im Aufbau. Die Machteliten verabschieden sich vom demokratischen Staat. In der Wirtschaft wir auch nicht nach Mehrheit entschieden. Eine dem Geld verpflichtete Gesellschaft kennt nur Befehl und Gehorsam.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    "Die Menschen in Deutschland und Griechenland begleichen die Rechnung eines außer Kontrolle geratenen Wirtschaftssystems." - Leider haben das bisher nur ein paar Prozent erkannt. Aber auch das Lohndumping wird dieses miese System nicht retten.

  • Es geht dabei nicht ansatzweise um die Einheit von finanzieller und sozialer Stabilität. Finanzielle Stabilität ist der Vorwand für die soziale Destabilisiereung mit dem Ziel, die Löhne zu drücken, um auf das soziale Niveau von China und Indien anzugleichen. Globalisierung der Märkte bedeutet auch die der sozialen Sicherungssysteme.

  • L
    Lowandorder

    Endlich!!!!

     

    aber short cut - Redaktionsversehen:

    "… Die Kompetenzen des entliehenen Organs dürfen aber nicht verfälscht oder erweitert werden. …"

     

    muß - des entleihenden Organs - heißen.

    • @Lowandorder:

      Das scheint im Artikel so richtig zu sein. Die Kommission wird von der EU an den Europäischen Stabilitätsmechanismus ent- oder verliehen. Und sie soll, wenn sie Aufgaben im Auftrag des Aufgaben des ESM erfüllt, nicht mehr dürfen als bei ihren originären Aufgaben auch.

      • L
        Lowandorder
        @Moderation:

        korrekt,

        (wenn man "des Aufgaben" vor des ESM streicht)

         

        hatte ich nicht überrissen;

        vulgo: dürfen nicht über den Tellerrand fressen.

  • K
    keetenheuve

    Herr Fischer-Lescano beliebt zu scherzen..... Oder was soll man davon halten, wenn er vehement auf der "Einhaltung von prozeduralen Vorschriften des Unionrechts" besteht? Was ist denn mit dem Bruch zahlreicher Abkommen und Verträge am Beginn der Währungsunion? Maastricht bzw. die no-bail-out-Klausel wurde einfach gebrochen, ebenso mit dem ESM. Im übrigen ist Griechenland nur durch Trickserei ins Euro-Land gekommen, unter heftigem Wegschauen aller anderen. Vor diesem Hintergrund auf die "Austeritätspolitik" zu schimpfen, ist nicht sehr glaubwürdig.

  • K
    Klarsteller

    "Gesundheitsrechte etwa, wenn ganz konkrete Zuzahlungserhöhungen für Medikamente verlangt werden, oder das Recht auf Bildung. Vor allem aber ist der Bereich Arbeit und soziale Sicherheit betroffen: Sanktionen gegen Arbeitssuchende werden eingeführt, soziale Sicherungssysteme fallen weg. Das ist, um es zuzuspitzen, Hartz IV für Europa."

     

    Dann lebe ich also in einem Staat, in dem die Menschenrechte täglich auf vielfältige Weise schwerst verletzt werden?

     

    Weiterlesen wäre Zeitvergeudung gewesen.

  • G
    Gastname

    Sehr witzig. Die EU bestraft die Deutschen, weil deren Arbeitsleistung zu einem Ausfuhrüberschuss führt, statt den Franzosen für die Deindustralisierung die Leviten zu lesen.

     

    DAS ist ein Verstoss und sollte entsprechend geahndet werden! Wobei gerade die EU zusammen mit der politischen Kaste in Griechenland für deren Hyperverschuldung (und die geschönten Zahlen) die Verantwortung tragen!