Völkermord an den Armeniern: Virtuelles Gedenken
Wegen Corona ist das Mahnmal in Jerewan, das am 24. April normalerweise Hunderttausende besuchen, gesperrt. Die Mahnwache findet online statt.
„Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich an diesem Tag zu Hause eingesperrt“, sagt Armine Karapetjan. „Das macht mich wirklich nervös.“ Jedes Jahr, am 24. April, geht die Studentin mit ihren Freunden zur Genozid-Gedenkstätte in der Hauptstadt Jerewan. Auf dem Hügel Zizernakaberd versammeln sich an diesem Tag Hunderttausende zu einer Mahnwache und legen Blumen sowie Kränze an der ewigen Flamme nieder.
Doch an diesem Freitag ist der Zugang zur Gedenkstätte aufgrund der Coronavirus-Pandemie gesperrt. Die Menschen müssen zu Hause bleiben. „Da können sich die Türken freuen“, sagt Karapetjan wütend.
Auch die traditionelle Mahnwache mit Fackeln am Vorabend des 24. April wurde abgesagt. Doch die zwölf gewaltigen Pylonen aus Basalt, die sich in einem Kreis über der ewigen Flamme erheben, erstrahlten in blauem Licht. Der 40 Meter hohe Obelisk daneben leuchtete in Rot.
Systematische Vernichtung
Am 24. April 1915 hatten die türkischen Behörden in Istanbul die gesamte armenische Führungsschicht verhaften und ermorden lassen. Dies war der Beginn der Vertreibung und systematischen Vernichtung von schätzungsweise bis zu 1,5 Millionen ArmenierInnen durch das Osmanische Reich. Die Türkei leugnet diesen Genozid bis heute. Demgegenüber haben mittlerweile über 30 Länder haben diese Massaker als Völkermord anerkannt – der Bundestag verabschiedete 2016 eine entsprechende Resolution.
„Völkermord verjährt nicht. Die Anerkennung dieses Völkermordes an den Armeniern durch die Türkei und die Beseitigung seiner Folgen ist eine Sicherheitsgarantie für Armenien, das armenische Volk sowie für die ganze Region“, sagte der armenischen Präsident Armen Sargsjan in seiner Erklärung an Freitag.
Doch die Gedenkstätte war nicht ganz verwaist. Die armenische Regierung legte 105.000 Blumen an der ewigen Flamme nieder. Regierungschef Nikol Paschinjan und der armenischen Katholikos gedachten der Opfer.
Weltweit erinnerten Armenierinnen im Internet an den Gedenktag. Eine Online-Mahnwache wurde ins Leben gerufen unter dem Motto: „Wir müssen an diesem 24. April zu Hause bleiben, aber wir nehmen an der Online-Mahnwache teil. Wir fordern Gerechtigkeit.“
Seit dem vergangenen Monat gilt in Armenien der Ausnahmezustand Damit soll die Ausbreitung von Infektionen eingedämmt werden. Offiziellen Angaben wurden bis jetzt 1596 Coronavirus-Fälle gemeldet, 27 Menschen starben. (Stand vom 24. April)
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