piwik no script img

Vögel verhindern Offshore-AnlagenFeind der Windräder

Weil Windräder auf dem offenen Meer Seetaucher vertreiben, werden erstmal keine neuen Lizenzen für Offshore-Parks vergeben.

Bedrohte Lebenswelt der Seetaucher. Wenn nicht Windräder sie vertreiben, dann gefährdet ausgelaufenes Öl die Vögel. Bild: dpa

Fünfzig Kilometer vor Sylt, zwanzig Meter Wassertiefe, Wellenhöhe bis zehn Meter und Wind jede Menge - das ist das Urlaubsparadies der Seetaucher. Etwa 110.000 der gut entengroßen Vögel verbringen alljährlich ihren Winterurlaub auf Nord- und Ostsee, davon 10.000 im deutschen Meeresgebiet. Statistisch gesehen schwimmt etwa alle 400 Meter ein Seetaucher. Doch weil die scheuen Tauchvögel, die im Sommer auf Grönland und Island, in Lappland oder Sibirien brüten, von Oktober bis Mai ununterbrochen auf der Nordsee bleiben, ohne jemals in Landnähe zu kommen, sind sie der Aufmerksamkeit der Ornithologen lange entgangen.

Prominent wurden die Seetaucher erst durch die Pläne, auch in der Nordsee Windräder aufzustellen. Die Vögel - Sterntaucher und Prachttaucher sind die häufigsten der vier bekannten Arten - halten nämlich nachweislich mindestens zwei Kilometer Abstand zu jedem Schiff oder Bauwerk. Und sie unterliegen seit 1979 der EU-Vogelschutzrichtlinie. Durch diese ist Deutschland als Gastgeber der überwinternden Seetaucher verpflichtet, die Vögel zu erhalten. Schon durch die bislang in Deutschland genehmigten Offshore-Windräder wird etwa 1 Prozent der Vögel aus ihrem Überwinterungs-Lebensraum vertrieben. Und das ist bereits die erlaubte Obergrenze.

Daher will und kann das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) nun keine weiteren Windparks genehmigen. Erst wenn die schon bewilligten Parks gebaut sind, lässt sich abschätzen, wie die Seetaucher tatsächlich reagieren. Nur dann können weitere Offshore-Windflächen genehmigt werden.

Die Windpark-Antragsteller für den Standort "Sandbank 24" klagen bereits gegen das BSH, weil nicht sie, sondern die Antragsteller von "Windland" die letzte Lizenz zum Verscheuchen von Seetauchern bekommen haben, ehe die 1-Prozent-Grenze erreicht wurde. Ein makabres Geschacher um den Verbrauch von Meeresflächen, bei dem kein Seetaucher mit seinen charakteristischen Trompetenlauten im Gerichtssaal angehört wird.

Stattdessen bringen die Vögel derzeit in Lappland ihren Jungen das Tauchen bei. Denn darin sind Seetaucher wahre Meister: Ihre Beine mit den kräftigen Paddelfüßen sitzen wie eine Schiffsschraube ganz hinten am Körper und ermöglichen hohe Geschwindigkeiten. In nur ein bis zwei Minuten erreichen sie damit den Grund der Nordsee und fangen dort Fische und Garnelen. An Land sind Seetaucher weniger mobil: Sie können höchstens zwei Schritte aufrecht gehen und müssen daher auf dem Bauch zu ihren Nestern rutschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • BW
    Bark Wind

    Ich bin sicher, es gibt Gegenden in Nordsee und Atlantik u.s.w. wo normalerweise sehr wenige Vögel fliegen und trotzdem viel Wind weht. Die sollten besser erforscht werden. Auch andere Standorte, z.B. in Osteuropa (an Land).

     

    Zugleich müssten mehr Solaranlagen gebaut und Häuser auf Niedrigenergiebauweise gebracht werden. Energiesparen ließe sich auch sonst viel, z.B. Backwaren oder Kleidung u.a. auf Bestellung statt Überproduktion und dann Müllberge ... wäre auch zu überlegen! Es gibt tatsächlich Dinge, die ansatzweise früher besser waren als heute - ganz un-romantisch gesagt. Davon abgesehen sind nicht primär die Windräder "schuld" am Tod der Vögel, sondern die Kombination an hoher Bevölkerungszahl Europas und hohem Energieverbrauch (denn sonst wären diese Räder überflüssig -- und Kohle- u. Atomkraftwerke sind sowieso jenseits des überhaupt Diskutablen).

     

    Vielleicht sollte Europa auch zu 80 % in die Sahara verlegt werden (obwohl auch Wüsten natürlich Lebensräume sind, aber dort ließe sich mithilfe von Solarenergie, dazu solare Meerwasserentsalzung etc. sehr gut leben - falls die afrikanischen Wüstenstaaten so viel Immigration befürworten würden). Oder also doch drastisch Energiesparen?

  • F
    Falkenhagen

    Nachdem die Seetaucher am Polarkreis brüten, und ihr dortiger Lebensraum durch die Klimaveränderung gefährdet wird, wäre es für die Seetaucher wahrscheinlich das beste, wenn mehr Offshore-Windparks gebaut werden.

    Jedenfalls ist der Wert von einem Prozent (1/100)eine völlig willkürliche Grenze. Dieser Wert leitet sich ab von der Zahl der Finger des Menschen - auf der unser Zahlensystem aufgebaut ist (10*10 = 100).

    Jedenfalls - die Beschränkung für Offshore-Windparks ist eine schlechte Nachricht für die Seetaucher - und schlecht für Sandbank 24.