Vögel in der Stadt: Beim Nisten nichts Neues
Eine Anfrage der Grünen ergibt: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften legen sich beim Schutz von Gebäudebrütern nicht gerade ins Zeug.
Sperling, Meise, Schwalbe, Star: Mit dem Frühjahr ist auch an den Fassaden und unter den Dachkanten der Hauptstadt wieder einiges los. Sogenannte Gebäudebrüter wie die erwähnten Arten, aber auch Mauersegler, Turmfalken und viele Fledermäuse nutzen zur Aufzucht ihrer Brut keine Bäume oder Sträucher, sondern Ritzen und Spalten in menschengemachten urbanen Strukturen. Dass ihre Habitate im Zuge der Stadtverdichtung und energetischer Sanierungen gefährdet sind, ist bekannt.
Wie die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften diesbezüglich ihrer Verantwortung nachkommen, hat eine Anfrage der beiden Grünen-Abgeordneten Turgut Altuğ und Andreas Otto an den Senat in Erfahrung gebracht: Der naturschutz- und der baupolitische Fraktionssprecher wollten wissen, ob sich die sechs Unternehmen Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land sowie WBM, aber auch die landeseigenen Immobilienverwalter BIM und Berlinovo proaktiv verhalten, wenn es darum geht, Nist- beziehungsweise Brutmöglichkeiten an ihren Gebäuden anzubringen und zu erhalten.
Das Fazit laut der Antwort von Umweltstaatssekretärin Silke Karcher: nicht wirklich. Allein die BIM scheint ihre Rolle hier wirklich ernst zu nehmen. Als einzige der acht Gesellschaften beantwortete sie die vom Senat weitergeleiteten Fragen ausführlich. Über die sechs Wohnungsbaugesellschaften konnte Karcher lediglich mitteilen, dass diese das Thema Nistmöglichkeiten „nicht statistisch erfassen“, die Stadt und Land ließ wissen, dass „aktuell an ca. 40 Gebäuden 230 Nistmöglichkeiten angebracht“ seien.
Dagegen lieferte die BIM eine detaillierte Liste der aktuellen Entwicklungsvorhaben und der davon betroffenen Arten sowie der erfolgten oder geplanten Ersatzmaßnahmen wie der Anbringung von Nistkästen und Nisthilfen. Grundsätzlich ist zwar gesetzlich festgelegt, dass alle Vögel – bis auf Straßentauben – und Fledermäuse geschützt sind, und das Bundesnaturschutzgesetz stellt auch die Nist- und Wohnstätten dieser Tiere unter Schutz. Auf dieser Grundlage müssen bei allen Bauvorhaben Gutachten über eventuell gefährdete Habitate und Arten angefordert werden. Im Einzelfall entscheidet aber auch auf das Engagement der Bauträger über die Qualität von Prüfung und Umsetzung.
Im Gegensatz zu den anderen Gesellschaften, die nur bei entsprechenden Artenschutzfachgutachten in Aktion treten, wird die BIM offenbar proaktiv tätig: Das Unternehmen plane „grundsätzlich bei entsprechenden Sanierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle“ sowie bei den wenigen von ihm beauftragten Neubauvorhaben Nistmöglichkeiten ein, ließ es mitteilen. Man gebe auch einen eigenen Leitfaden zum Umgang mit Natur- und Artenschutz heraus, der „als Unterstützung für die Mitarbeiter:innen und anhängigen Planungsbüros dieses Thema sach- und fachgerecht in den Bauvorhaben zu berücksichtigen“ sei.
Ruf nach Ausstattungspflicht
Altuğ und Otto loben das Engagement der BIM, bemängeln aber, dass der Anbau von Nistmöglichkeiten kein Standard bei landeseigenen Bauvorhaben ist: „Angesichts des Klimawandels in der Stadt und der vielfältigen Bautätigkeit verschlechtern sich die Lebensbedingungen für viele Gebäudebrüter stark“, so die beiden Grünen. „Bei Sanierungsvorhaben verschwinden Nisthöhlen, im Neubau gibt es keine Lücken im Dachstuhl, auch Bäume mit Nistgelegenheiten verschwinden häufig im Zuge von Bauprojekten. Angesichts dieser Entwicklung sind bei allen Bauvorhaben künstliche Nistmöglichkeiten dringend erforderlich.“
Eine gesetzliche Ausstattungspflicht im Rahmen der Landesbauordnung sei weiterhin unverzichtbar, teilten die Abgeordneten mit. Rot-Grün-Rot habe dies vorgehabt, nun müsse die kommende CDU-SPD-Regierung dies umsetzen.
Wer am Schutz von Gebäudebrütern und Fledermäusen interessiert ist, kann übrigens ehrenamtlich im Rahmen des Berlin Naturschutzbunds Nabu aktiv werden: Die sogenannte Gebäudebrütergruppe kartiert Nistorte in der Stadt und meldet sie den bei den Bezirken angesiedelten Unteren Naturschutzbehörden. So könne verhindert werden, dass das Brutgeschehen während Baumaßnahmen gestört wird oder den Tieren der Zugang zu ihren Nestern versperrt wird, teilt der Verein mit.
Gleichzeitig betreibt der Nabu im Rahmen des von der Umweltverwaltung geförderten Projekts „Artenschutz am Gebäude“ eine Aufklärungskampagne mit Schulungen und Informationsveranstaltungen. „Sanierungen sind die häufigste Ursache für den Verlust der Fortpflanzungs- und Ruheplätze“, so die Projektverantwortlichen, „die Gründe hierfür reichen von Unwissenheit bis zum Vertuschen des Vorhandenseins von Lebensstätten – da Sorge besteht, die Tiere könnten das Bauvorhaben verzögern.“
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