Viertelfinale Frankreich – Spanien: Die Generation der großen Egos

Die Niederlage gegen Schweden ist schon verdrängt, über den Krach in der Kabine wird nicht geredet. Egal, was passiert, die Franzosen halten sich für eine Fußballmacht.

Noch müssen die Franzosen so tun, als hätten sie ein großes Team. Bild: reuters

KIEW taz | Non, non, non. „Wir sind besser, wir haben uns für das Viertelfinale qualifiziert.“ Frankreichs Trainer Laurent Blanc will die 0:2-Niederlage gegen Schweden, der die Franzosen den Gruppensieg gekostet hat, nicht wirklich erst nehmen. „Sie mussten nach Hause fahren, wir sind weiter.“ Eine Krise kann er nicht sehen nach 23 Spielen hintereinander, die die Franzosen nicht verloren haben, und dieser einen Niederlage.

Er tut so, als sei alles gut, obwohl er selbst nur eine Szene in diesem Spiel gesehen hat, über die er sich freuen konnte. In der sechsten Minute habe es eine schöne Kurzpasskombination gegeben. Keine Krise. Non, non, non.

Non, non, non. „Ja, es ging heißblütig zu. Aber nach einer guten Dusche waren wir alle wieder abgekühlt. Es gibt nichts, worüber es da noch zu reden gibt.“ Laurent Blanc weiß, dass das zumindest die Redaktion von Frankreichs täglicher Sportpostille Equipe anders sieht. Die weiß zur Zeit scheinbar alles, was sich in der Kabine der Franzosen so abspielt. Wie sich die Spieler gegenseitig beschimpft haben nach dem Schweden-Spiel, allen voran die Kreativen Samir Nasri und Hatem Ben Arfa. Letzterer soll dem Trainer angeboten haben, nach Hause zu fahren.

Und während er mit dem Trainer stritt, auch das weiß die Equipe, spielte er mit seinem Handy herum. Zoff, Aufstand gegen den Trainer, das war es, was vor zwei Jahren die WM-Kampagne in Südafrika zum Desaster werden ließ. Herrscht im französischen Camp von Kirscha bei Donezk der Geist von Knysia, jenem Ort am Eastern Cape, an dem die französische Mannschaft 2010 zerbrach? Team und Trainer streiten das vehement ab. Non, non, non.

Bescheidenheit tut gut

Es kann in der Kabine passieren, was mag, die Mannschaft kann so schlecht spielen, wie sie will, für den Trainer und die meisten Spieler bleibt Frankreich eine fußballerische Großmacht. Beinahe wohltuend sind da Sätze wie die von Jérémy Menez, der mit seinem Tor gegen die Ukraine, die Qualifikation für das Viertelfinale erst möglich gemacht hat.

Stolz sei er, meinte der Mittelfeldspieler von Paris Saint Germain, dass sein Team endlich einmal wieder die Vorrunde eines großen Turniers überstanden hat. Dass das 2:0 über die Ukraine der erste Erfolg bei einer WM oder EM seit dem Weltmeisterschaftshalbfinale von München gegen Portugal war, das war ihm vielleicht gar nicht bewusst, als er seiner Freude Ausdruck verlieh. Eines jedoch machte er deutlich. Die Qualifikation für das Viertelfinale ist für ihn schon ein großer Erfolg.

Es ist gewiss kein Zufall, dass ausgerechnet Menez den Sinn für die Realitäten nicht verloren hat. Er gehört genauso wie Ben Arfa, Nasri und dem beinahe schon bemitleidenswert tölpelhaften Stürmer Karim Benzema zum einst gefeierten Jahrgang 1987, der im Jahre 2004 U17-Europameister geworden ist. Im Gegensatz zu den drei anderen ist Menez nicht ganz so rasch in die ganz hohen Gehaltskategorien hochgeschnellt wie seine Jahrgangskollegen.

Es fehlen ein paar Jahrgänge

Die fühlen sich seit Jahren als Superstars – Karim Benzema als Spieler von Real Madrid sowieso, aber auch Samir Nasri, der sich bei Arsenal London den Feinschliff für sein Absahnerengagement beim englischen Meister Manchester City geholt hat, und auch Ben Arfa, der mit Lyon und Marseille schon fünf Mal französischer Meister war und nun in Newcastle kickt. Der auch nicht unbedingt pflegeleichte Menez ist den drei Egos, von denen – natürlich – zwei in den jüngsten Kabinenskandal verwickelt sind, immer ein wenig hinterhergehinkt. Er sieht sich und das französische Team nicht so groß.

Das wollte Blanc, nachdem er 2010 das Traineramt übernommen hatte, völlig neu aufbauen. Doch weil sein Vorgänger Raymond Domenech immer vor allem auf Erfahrung gesetzt und für die Turniere auch Fußballrentner reaktiviert hat, fehlen den Franzosen ein paar Jahrgänge, auf die man hätte bauen können. Bis 2016, wenn die Europameisterschaft in Frankreich stattfindet, will man endlich, endlich eine wirklich neue Mannschaft präsentieren. Eine große natürlich. Und so lange tut man so, als habe man noch immer ein großes Team, und muss dabei auf die schwer verdaulichen 87er setzen.

Die haben das U17-EM-Finale 2004 übrigens mit 2:1 gegen Spanien mit Gerard Piqué und Cesc Fabregas gewonnen. Auch deshalb glauben sie an ihre Chance am Samstag in Donezk. Oui. oui, oui.

Das Viertelfinale zwischen Frankreich und Spanien ist am Samstag in Donezk (20.45 Uhr, ARD)

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