: „Viele hatten erstmals Kontakt mit digitaler Lehre“
Im Sommersemester wurden die Unis geschlossen, der Unterricht wanderte ins Netz. Barbara Wagner berät Hochschulen in Sachen digitale Lehre und kennt die Probleme
Interview Paula Bäurich
taz: Frau Wagner, das letzte Semester war für Lehrende und Studierende nicht leicht. Warum fällt die Umstellung auf digitale Lehre so schwer?
Barbara Wagner: Das liegt vor allem daran, dass den Studierenden und Lehrenden die Erfahrung und Übung fehlt. Zudem war die Umstellung sehr radikal: Von meist vollständiger Präsenzlehre auf fast ausschließliche Online-Lehre innerhalb kürzester Zeit.
Also hat es Sie nicht überrascht, dass Probleme aufgetreten sind?
Nein, überhaupt nicht. Die Universitäten hatten kaum Zeit zu planen. Dafür lief die Ad-hoc-Umstellung aber insgesamt erstaunlich gut.
Von den Studierenden gab es aber schon viel Kritik, unter anderem zur Qualität der Lehre.
Viele Lehrende hatten im letzten Sommersemester zum ersten Mal überhaupt Kontakt mit digitaler Lehre. Das wirkt sich natürlich auch auf die Qualität aus. Hier könnte es helfen, Lehrende gezielt weiterzubilden. Grundsätzlich ist es ja aber so, dass die Qualität der Lehre, wenn sie in der Präsenz nicht vorhanden ist, auch online nicht da ist.
Fällt es online dann nur mehr auf?
Ja, davon kann man schon ausgehen. Online-Lehre erfordert aktuell eine andere Reflexion der Lehrenden. Sie überdenken beispielsweise ihren didaktischen Ansatz stärker und ob ihre Art und Form der Vermittlung die richtige ist.
Feedback ist also noch wichtiger als sonst?
Ja, offen für Feedback zu sein, ist enorm wichtig. Ein guter Ansatz ist auch, im Team seine Fragen und Probleme zu besprechen und gemeinsam daran zu arbeiten, zum Beispiel mit Didaktiker*innen oder Kolleg*innen. Meiner Erfahrung nach kommen dabei die besten Lehrveranstaltungen heraus.
Trotzdem bleibt die große räumliche Distanz. Kann Kommunikation so überhaupt richtig funktionieren?
Barbara Wagner
32, hat Tourismus-Management in Kempten studiert und arbeitete dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für digitale Lehrformen, heute ist sie beim Stifterverband für digitale Strategien der Hochschulbildung zuständig und berät Unis.
Ja, ich denke schon. Die räumliche Distanz lässt sich gut überwinden, dafür gibt es gute Online-Tools. Digitale Sprechstunden sind sehr verbreitet, und die gab es auch schon vor dem letzten Semester an den Hochschulen. Das funktioniert, wenn die persönliche Bereitschaft der Beteiligten da ist, kommunizieren zu wollen.
Und, ist sie da?
Ich habe von Studierenden gehört, dass in einigen ihrer Veranstaltungen wieder auf ältere Lehrformen zurückgegriffen wurde, zum Beispiel auf Frontalunterricht. Allerdings denke ich, dass diese Gefahr bei digitaler Lehre eher sogar geringer ist. Online-Lehre bietet deutlich mehr Möglichkeiten für Diskussionen und Gruppenarbeiten als vielen bekannt ist.
Wie könnte das aussehen?
Ein guter Tipp ist, synchrone und asynchrone Einheiten zu verbinden. Das kann zum Beispiel dadurch passieren, dass eine Vorlesung aufgenommen und hochgeladen wird, darauf aber eine Live-Diskussion zum Inhalt folgt. Auch Arbeiten in Kleingruppen lässt sich gut online organisieren.
Viele Studierende hatten Datenschutzbedenken.
Ich habe durchaus Verständnis für Studierende, die ihre Daten nicht teilen oder ihren privaten Raum über Zoom nicht zeigen wollen. Häufig ist das ja auch der einzige private Raum, der den Studierenden zur Verfügung steht.
Wie kann man denn am besten zu Hause arbeiten?
Grundsätzlich würde ich mir immer feste Zeiten einplanen, zu denen ich arbeite oder mir Pausen einlege. Man sollte versuchen, die Vermischung von Privatem und Arbeit zu lösen, beispielsweise indem man den Arbeitsplatz an freien Tagen abbaut. Auch Arbeitsgruppen sind immer eine gute Idee, um sich gegenseitig zu motivieren und durch die schwierige Zeit zu helfen.
Glauben Sie, dass die Präsenzlehre verschwinden wird?
Nein, die Zukunft ist die sinnvolle Verbindung von Präsenz- und Online-Lehre. Letztere ist zeitlich deutlich flexibler und besser mit dem privaten Leben vereinbar als Präsenzlehre. Aber auch die räumliche Flexibilität ist ein großer Vorteil: Man kann an Kursen an anderen Universitäten teilnehmen, ohne in der Stadt sein zu müssen, oder internationale Konferenzen problemlos besuchen.
Wie kann die Situation jetzt verbessert werden?
Ich denke, dass wir dieses Semester auf den Erfahrungen des letzten Semesters aufbauen können: Den Studierenden muss zugehört und auf ihr Feedback eingegangen werden. Auch im Semester sollte evaluiert werden, wie es gerade aus Sicht der Studierenden läuft. Verständnis für die erhöhte Belastung auf allen Seiten zu zeigen, ist jetzt besonders wichtig.
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