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Viele Streitthemen sind ausgeklammertEs ist Zeit, miteinander zu reden

Afrika will sich von Europa keine Vorschriften mehr machen lassen. Das könnte zu heißen Debatten in Lissabon führen. Etwa über Freihandel. Aber nicht über Menschenrechte.

BMW-Werk in Pretoria - Südafrika ist auf dem Kontinent der wichtigste Handelspartner der Europäer. : dpa

JOHANNESBURG/NAIROBI/BERLIN taz "Es ist Zeit, dass Europa und Afrika miteinander reden", sagt Gert Grobler. Der stellvertretende Direktor im südafrikanischen Außenministerium sieht die Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten auf einem völlig anderen Niveau als beim bisher einzigen EU-Afrika-Gipfel 2000 in Kairo. Die Afrikanische Union (AU) gab es damals noch gar nicht, und die EU hat seither ihre Mitgliederzahl verdoppelt. "Die Welt hat sich verändert", so Grobler. "In Kairo stand Klimawandel nicht zur Debatte, die Globalisierung ist inzwischen fortgeschritten, die Staaten sind stärker voneinander abhängig."

Südafrika ist mit Abstand der wichtigste Wirtschaftspartner Europas in Afrika, auch bei der Vorbereitung des Gipfels durch eine EU-AU-Expertengruppe hat das Land eine Schlüsselrolle gespielt. In der Praxis geht es bei der geplanten Erklärung von Lissabon um die Reduzierung von Armut und die bessere Integration Afrikas in die Weltwirtschaft.

Die EU könne besonders ihre Erfahrung bei der regionalen Integration mit Afrika teilen, findet Grobler. Wichtig sind ihm zudem demokratische Regierungsführung und Industrialisierung. "Zweifelsohne hat Afrika in den Augen des Westens und der EU eine neue strategische Bedeutung gewonnen", sagt der Südafrikaner. "Daher gehen wir davon aus, dass wir nicht nur über eine gemeinsame Vision reden, sondern mit praktischen Schritten vom Gipfel abreisen." In Lissabon werden die 80 Teilnehmerstaaten die Finanzierung der einzelnen Aktionsschritte diskutiert müssen, außerdem die Mechanismen zur Überwachung der Fortschritte bis zum nächsten Gipfel 2010.

Europa und Afrika sind historisch eng miteinander verbunden - aber eine Beziehung, die von den Wunden der europäischen Kolonialherrschaft geprägt ist, kann keine gleichberechtigte Partnerschaft darstellen. Dies erklärt, warum das Streitthema Simbabwe ein so wunder Punkt ist. Afrika will bei der Gestaltung seiner Beziehungen zu Europa eine stärkere Führung übernehmen - die Ablehnung europäischer Vorschriften ist da von zentraler symbolischer Bedeutung. Bei der Frage, ob Simbabwes Präsident Robert Mugabe zum Gipfel darf, hat sich nun Afrika durchgesetzt - um den Preis eines Gipfelboykotts mehrerer EU-Regierungschefs, darunter Großbritannien.

Zudem bahnt sich ein weiteres Streitthema an: Die EU-Freihandelsabkommen mit Afrika (EPAs), die nach dem Willen Europas beim Gipfel ausgeklammert werden sollen, während afrikanische Kritiker sie als das genaue Gegenteil von Partnerschaft ansehen. "Statt mit afrikanischen Staaten gleichberechtigt zu verhandeln, droht die EU zögernden Regierungen mit der drastischen Erhöhung von Zöllen zum Jahreswechsel", wettert John Ochola von der kenianischen Umweltorganisation EcoNews. Zollfreie Einfuhren aus Afrika in die EU sollen in Zukunft nur möglich sein, wenn im Gegenzug auch EU-Firmen unbeschränkten Marktzugang erhalten. Brüssel droht, dass die ärmsten Länder Afrikas ihre Zollvorteile zum Jahresende verlieren, wenn sie bis dahin kein Abkommen unterzeichnen.

Dreizehn Länder - aber nicht Südafrika - haben bereits nachgegeben. Das unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelte EPA-Rahmenabkommen für Ostafrika von letzter Woche verpflichtet die ostafrikanischen Staaten, bis Mitte 2009 einer Öffnung ihrer Märkte auch im Dienstleistungs- und Investmentsektor zuzustimmen.

Afrikanische Nichtregierungsorganisationen wollen das Thema EPAs in Lissabon auf die Straße tragen. So manche Regierung will dabei helfen. Senegals Präsident Abdoulaye Wade, der gerne undiplomatisch drauflospoltert, hat angedroht, auf dem Gipfel über die EPAs zu reden, ob die EU das will oder nicht. "Er wird alles tun, damit die anderen afrikanischen Länder keine Abkommen unterzeichnen", kündigt sein Sprecher El Hadj Amadou Sall an.

Das neue afrikanische Selbstbewusstsein kann aber auch dazu führen, dass unschöne Realitäten ausgeblendet werden. Beim Gipfel in Lissabon wird über vieles nicht gesprochen: über Simbabwe nicht, auch nicht über das sudanesische Darfur oder Somalia. Reed Brody von Human Rights Watch spricht schon von Schaumschlägerei: "Werden die Regierungen Afrikas und die EU konkrete Beschlüsse fällen, um die Zivilbevölkerung zu beschützen?" Alles spricht dagegen. Eine Resolution gegen den AU-Mitgliedstaat Sudan ist für AU-Diplomaten undenkbar.

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