piwik no script img

Videos von übergriffigen PolizistenGewalt und Drohungen

Im Netz sind Videos von Polizeieinsätzen aufgetaucht: Eins zeigt wie ein Beamter einen 19-Jährigen schlägt. Im anderen droht ein Polizist auf Demonstrant:innen zu schießen.

Revolverheld in Uniform? Ein Polizist hat in Dresden Demonstrant:innen bedroht Foto: picture alliance/Oliver Killig/zb/dpa

Dresden dpa | Das Verhalten eines Polizei-Einsatzleiters bei einer Demonstration mit rund 250 Teilnehmer:innen am Sonntag in Dresden wird nach öffentlicher Kritik untersucht. In einem über Twitter verbreiteten Video ist von ihm der Satz „Schubs mich und du fängst Dir 'ne Kugel“ zu hören. Dabei legt er die Hand über seine Dienstwaffe. Dies habe er getan, um vorsorglich zu verhindern, dass ihm die Waffe weggenommen werde, teilte die Polizeidirektion am Sontagabend mit.

„Der Satz ist so gefallen“, bestätigte Polizeipräsident Jörg Kubiessa. „Der Kollege hat es eingeräumt und sich dafür entschuldigt.“ Der Vorfall soll untersucht werden – unter Einbeziehung der Umstände. Laut Kubiessa herrschte „eine hektische, unübersichtliche Situation“. Anlass für disziplinarrechtliche Schritte, wie in Kommentaren im Netz gefordert, sah Kubiessa jedoch nicht. „Dennoch ist es unterm Strich für mich unstrittig, dass so ein Satz nicht fallen darf.“

Laut Polizei war ein Nebeltopf aus der Versammlung heraus geworfen worden. Als der Einsatzleiter diesen als Beweismittel sichern wollte, sei er von 25 bis 30 vermummten Teilnehmer:innen bedrängt worden. „Der Beamte verspürte dabei einen Stoß in Brusthöhe“, hieß es. Das Sichern der Dienstwaffe in so einer Lage sei „richtig und absolut angemessen“, erklärte Kubiessa.

Das Handeln des Beamten widerspreche jedoch den Grundsätzen der Eigensicherung. Laut der Mitteilung habe der Beamte versichert, „dass die Anwendung der Schusswaffe oder auch nur deren Androhung nie eine Handlungsoption für ihn war“.

Schlag ins Gesicht

Am Sonntag sorgte auch ein weiteres Video von einem Polizeieinsatz für Aufsehen. Darin schlägt ein Polizist einem 19-Jährigen bei einem Einsatz in Göttingen ins Gesicht. „Was sich im Vorfeld der Entgleisung abgespielt hat, ergibt sich nicht im Detail“, erklärte die Polizei in einer Mitteilung am Sonntagnachmittag. Eine Sprecherin hatte zuvor bestätigt, dass es sich um Beamte aus Göttingen handelt.

Der Polizist und drei weitere Beamte seien am Donnerstagmorgen wegen einer wiederholten, „massiven Ruhestörung“ zu der Wohnung des 19-Jährigen gefahren, so die Sprecherin. Laut Mitteilung war es der dritte Einsatz allein an diesem Morgen. Auch in den Tagen zuvor hatte die Polizei wegen gleichlautender Beschwerden von Nachbar:innen zu der Wohnung ausrücken müssen. Während der Einsätze habe der junge Mann die Polizisten mehrfach beleidigt, heißt es in der Mitteilung. Vor diesem Hintergrund habe der Beamte den jungen Mann geschlagen.

Nach einer erneuten Ruhestörung am Donnerstagabend nahmen die Polizisten den 19-Jährigen dann in Gewahrsam. Gegen ihn wurden Ermittlungen wegen Beleidigung und Ruhestörung eingeleitet. Diese Verfahren bleiben zur weiteren Bearbeitung bei der Polizei Göttingen.

Von der Existenz des Bildmaterials erfuhr die Polizei nach eigenen Angaben am Freitagvormittag über soziale Medien. Das Geschehen wurde ins Internet übertragen, weil der 19-Jährige zum Zeitpunkt des Einsatzes in einer Videokonferenz war. Die Übertragung wurde von anderen mitgeschnitten und später ohne Ton im Netz verbreitet.

Der Polizist, der den Schlag ausführte, konnte identifiziert werden. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet. „Die Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung laufen, werden aber von einer anderen Polizeiinspektion übernommen“, erklärte die Sprecherin. Dies sei aus Gründen der Neutralität eine übliche Verfahrensweise. Der Fall wurde an die Polizei in Hildesheim abgegeben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • taz: "… „Schubs mich und du fängst Dir 'ne Kugel“ zu hören. Dabei legt er die Hand über seine Dienstwaffe. Dies habe er getan, um vorsorglich zu verhindern, dass ihm die Waffe weggenommen werde, teilte die Polizeidirektion am Sonntagabend mit."

    Die Polizeidirektion sollte vielleicht noch einmal darüber nachdenken, ob man solchen "Polizeibeamten" - die bei einer Demonstration harmlose Bürger damit bedrohen, von ihrer Schusswaffe Gebrauch zu machen - nicht lieber nahe legen sollte, sich einen anderen Beruf zu suchen.

    taz: "Während der Einsätze habe der junge Mann die Polizisten mehrfach beleidigt, heißt es in der Mitteilung. Vor diesem Hintergrund habe der Beamte den jungen Mann geschlagen."

    Auch in diesem Fall sollte man sich lieber von so einem "Polizeibeamten" trennen, bevor noch etwas Gravierenderes passiert.

    Polizisten haben natürlich keinen leichten Job, denn ständig werden sie beleidigt, bedroht und haben täglich mit "merkwürdigen Typen" zu tun, von denen sich der Normalbürger lieber fernhält. Ein Polizeibeamter muss sich aber dennoch immer in der Gewalt haben, sonst ist er als Polizist - der eine scharfe Waffe bei sich trägt - für die Bürger eher ein Sicherheitsrisiko, als ein Schutz. Solche Verhältnisse wie in den USA, wo Polizisten auf unschuldige Bürger schießen oder ihnen die Luft abschnüren, will in Deutschland sicherlich niemand haben.

  • Wenn ein Polizist nicht mehr weiß, was er machen soll, braucht es eine bessere Ausbildung.

    • @Kappert Joachim:

      Wenn viele oder gar alle Polizisten nicht mehr wissen, was sie machen sollen, braucht es eine bessere Ausbildung.

      Wenn nur einer oder wenige das nicht tun, dann braucht es Entlassungen mit Verwirkung etwaiger Versorgungsansprüche.

      Wir reden hier über die Exekutivgewalt, und nicht über eine Förderschule.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Die Handlungen des Beamten kann ich teilweise noch nachvollziehen.. Auch die Waffe ein Stück aus dem Holster zu ziehen gehört zum Sichern dazu (weil man sonst nicht immer sauber an den Griff kommt, also nicht fest zupacken kann), ebenso wie der Schritt nach hinten um Abstand zu gewinnen. Das ist alles noch verständlich, wirkt aber auf den Laien bedrohlich.



    Der Spruch passt allerdings nicht dazu. Da sind wohl wem die Nerven durchgegangen (Rauch, deutliche Unterzahl, schwarz gekleidete und "legal" maskierte Demonstranten, ggf. aggressive Stimmung bzw. Kommunikation)

    Daran sieht man, dass Polizisten nur Menschen sind. Fehlerhaft wie die Anderen auch.

    Wenn solche Dinge - wie meistens - im Sand verlaufen, schwächt das das Vertrauen in den Rechtsstaat stärker als die Handlung selbst. Das ist die Tragik daran.

    • @83191 (Profil gelöscht):

      Stimmt im Großen und Ganzen - vorausgesetzt, Kubiessas Darstellung des zeitlichen Ablaufs der Ereignisse und der daraus resultierenden Gefahrensituation ist korrekt.

      www.n-tv.de/panora...ticle22049308.html



      "Die Demonstranten befinden sich dort hinter dem meterlangen Transparent, der Polizist steht auf der anderen Seite."

      Auf welche Quellen stützt Kubiessa seine Meinung? Auf die Aussage des Polizisten und das Video, oder nur auf die Aussage des Polizisten?

      • 8G
        83191 (Profil gelöscht)
        @Ajuga:

        keine Ahnung auf welche Quellen Kubiessa sich stützt :-)

        Aus meiner Wahrnehmung heraus: Ein Einzelner, in einfacher Streifenkleidung ausgerüsteter Beamter mit Klemmbrett, versucht eine Gruppe schwarz gekleideter, Kapuzen und Mundschutz tragende Transparentträger am weitergehen bzw. blockieren einer Hauptverkehrsader in Dresden zu hindern. Diese rücken vor, bis sie halt auf

  • "Dies habe er getan, um vorsorglich zu verhindern, dass ihm die Waffe weggenommen werde, teilte die Polizeidirektion am Sontagabend mit."

    "Das Sichern der Dienstwaffe in so einer Lage sei „richtig und absolut angemessen“, erklärte Kubiessa"

    Verharmlosen, Leugnen,...

    Ich kanns nicht mehr hören. Widerlich.

    "Im Netz sind Videos von Polizeieinsätzen aufgetaucht: Eins zeigt wie ein Beamter einen 19-Jährigen schlägt. Im anderen droht ein Polizist auf Demonstrant:innen zu schießen."

    Ach? Hey sowas wurde schon in X Dokus im ÖR gezeigt! Passiert nie was.

    Und die TÄTER! wissen das ihnen nix passiert.

  • Sicher leben wir hier nicht in einem totalitärem Regime aber ich frage mich zunehmend, ob das ein qualitativer Unterschied ist oder nur ein quantitativer.

    Denn man kann ja nicht behaupten bei uns gäbe es keine unangemessene Gewalt durch Polizisten, keinen Rassismus durch Polizeibeamte, keine Mißhandlung von Gefangenen durch Wachpersonal, keine Todesfälle im Gewahrsam.



    All das gibt es ja - wenn auch viel seltener wie in totalitären Regimen.



    Bedenklich wird es allerdings, wenn diese Taten nicht konsequent verfolgt werden.

    • @Bolzkopf:

      Es wäre schön, wenn die Grenze zwischen qualitativ und quantitativ scharf ziehbar ist.

      Und wenn Wolin recht hat en.wikipedia.org/w...ed_totalitarianism (und es spricht ziemlich viel dafür - schon 2003 den "Markenkern" der Systeme Trump/Putin/Orbán/Bolsonaro etc vorausschauend zu erfassen, ist eine Leistung), dann ist nicht nur der prinzipielle oder theoretische Übergang fließend, sondern in westlichen/westernisierten Kulturen gehen die qualitativ unterschiedlichen Zustände verlässlich aus quantitativ unterschiedlichen hervor.