Vetternwirtschaft in USA und Deutschland: Houston, wir haben ein Korruptionsproblem
Donald Trump macht kein Geheimnis daraus, dass er käuflich ist. Das anzuprangern ist leicht. Doch auch Deutschland kann Korruption – bloß diskreter.

V or Antritt seiner Reise in den Nahen Osten vergangene Woche bestätigte US-Präsident Trump einen krassen Verdacht – dass er ein 400 Millionen Dollar teures Luxusgeschenk von der katarischen Königsfamilie annehmen möchte. Es handelt sich um einen „fliegenden Palast“, eine Bling-Bling-Variante der Boeing 747-8 mit goldfarbener, auf Glanz polierter Innenausstattung mit reichlich Seide und Leder.
Seinen neuen Präsidentenflieger besichtigte er noch im Februar, als er gerade am Flughafen in West Palm Beach parkte. „Ich meine, ich könnte eine dumme Person sein und sagen, ‚Nein, wir wollen kein sehr teures Gratisflugzeug haben‘, kommentierte Trump seine Entscheidung. Er finde, das sei eine großartige Geste von Katar.
Vor Trumps Reise tourten schon seine Söhne Donald Jr. und Eric, die aktuell das Familienbusiness verwalten, durch den Nahen Osten und machten Deals klar. Doch das sind bei Weitem nicht die einzigen Fälle persönlicher Bereicherung im Oval Office. 220 Topbuyer seiner persönlichen Kryptowährung $TRUMP sollen am 22. Mai ein exklusives Abendessen in Trumps Golfclub bei Washington erhalten und die Top 25 gar einen „ultra-exklusiven privaten VIP-Empfang“ mit ihrem „Lieblingspräsidenten“.
Was an Trumps Verhalten schockiert, ist nicht, dass er korrupt ist, sondern wie unverschämt offen er seine Bestechlichkeit zur Schau stellt. Dementsprechend groß war die Empörung, die auch in deutschen Medien zum Ausdruck kam, als Trump das geschenkte Flugzeug bestätigte. Dabei sollte man sich, was Korruption angeht, an die eigene Nase fassen, auch wenn es bei uns meist diskreter zugeht.
Luxusreise nach Baku
Kürzlich kam heraus, dass einflussreiche Politiker und Ex-Politiker aus Deutschland, wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner und ehemalige Bundeskanzleramtschef Ronald Pofalla, im April zu einem Geheimtreffen mit russischen Vertretern in ein Luxushotel in Baku gereist waren. Eigentlich war der „Petersburger Dialog“ – ein „deutsch-russisches Gesprächsforum“ aka eine Lobbyveranstaltung, die einst Altkanzler Schröder und sein Kumpel Putin 2001 ins Leben gerufen hatten – wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgesetzt worden. Offenbar folgte jetzt eine Fortsetzung hinter verschlossenen Türen.
„Ich finde es immer wichtig, dass man Gesprächskanäle aufrechterhält“, sagte Stegner zu seiner Verteidigung. Und überhaupt sei die Reise „privat“ gewesen. Der Politiker gehörte in der vergangenen Legislaturperiode dem Kontrollgremium für die Geheimdienste an, dessen Vorsitz er aktuell anstreben soll.
Hochgradig fragwürdig in Zeiten, in denen Russland nicht nur täglich Zivilist:innen in der Ukraine tötet, sondern auch einen hybriden Krieg mit Desinformation, Cyberangriffen und Wegwerfagenten gegen Deutschland führt. Besonders bizarr wirkt Stegners Engagement vor dem aktuellen Hintergrund, dass Putin am Donnerstag nicht zu seinen selbst vorgeschlagenen Friedensverhandlungen nach Istanbul gekommen war. Hat der russische Diktator etwa gar kein Interesse an Frieden? Guten Morgen!
Bloß Schröder ist den Deutschen peinlich
Die Baku-Crew ist nicht allein, denn die Liste der Kreml-Freunde in der deutschen Politik ist lang, wie Steffen Dobbert und Ulrich Thiele in ihrem jüngst erschienenen Nord-Stream-Buch zeigten. Manuela Schwesig etwa ist immer noch Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Um US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu umgehen, hatte sie eine vermeintliche Umweltstiftung ins Leben gerufen, deren wahrer Zweck die Fertigstellung der Pipelines war. Als die russische Großinvasion losging, wollte sie die Stiftung plötzlich loswerden.
Zu einem richtigen Skandal wurden die korrupten deutsch-russischen Verflechtungen nie, anders als die Maskenaffäre oder Cum-Ex. Dabei hatten sie den Krieg gegen die Ukraine in Teilen finanziert. Allein Schröder scheint den Deutschen peinlich, vermutlich weil er über die Stränge schlug. 2005 vollzog er einen fliegenden Wechsel aus der deutschen Politik zum Lobbyisten, als Aufsichtsratsvorsitzender der Gazprom-Tochter Nord Stream AG, wo er eine Jahresgage von satten 250.000 Euro und zugleich ein Ruhegehalt vom deutschen Staat kassierte. Aber nicht nur er verhielt sich naiv gegenüber dem Kreml.
In einer am Wochenende veröffentlichten Recherche der SZ kam nun heraus, dass sich Ex-Kanzlerin Merkel hinter den Kulissen persönlich dafür einsetzte, die Gasgeschäfte mit Russland trotz massiver Bedenken – Russland hatte seine Aggression gegen die Ukraine bereits begonnen – zu erweitern, Nord Stream 2 zu bauen und deutsche Gasspeicher an Gazprom zu verkaufen.
Das ist eine Katastrophe, doch es gibt Hoffnung. Im Korruptionswahrnehmungsindex 2024 von Transparency International rutschte Deutschland zwar im Vergleich zum Vorjahr von Rang 9 auf 15 von 180 erfassten Ländern ab, liegt aber wenigstens noch vor den USA, die es auf Rang 28 brachten.
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