Verwaltungsgerichts-Urteil: Null-Toleranz für Kiffer am Steuer
Der Führerschein ist auch weiterhin schon beim Nachweis geringster Mengen THC weg. Damit wies ein Leipziger Gericht die Klage eines BWL-Studenten ab.
FREIBURG taz | Kiffer können auch künftig schnell den Führerschein verlieren. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hielt am bisherigen strengen Grenzwert fest. Geklagt hatte ein BWL-Student aus Baden-Württemberg. Sein Blut war 2008 bei einer Verkehrskontrolle überprüft worden, weil er etwas träge wirkte und erweiterte Pupillen hatte.
Das Labor fand 1,3 Nanogramm THC pro Milligramm Blut. THC (Tetrahydrocannabinol) ist der psychoaktive Wirkstoff von Cannabis. Daraufhin entzog ihm das Landratsamt Rottweil den Führerschein. Dagegen klagte der Student erfolglos durch alle Instanzen, jetzt auch in Leipzig.
Laut Straßenverkehrsordnung ist es verboten, unter dem Einfluss berauschender Mittel Auto zu fahren. Nur für Alkohol gibt es eine Toleranzgrenze von 0,5 Promille. Bei sonstigen Drogen gilt eigentlich das Prinzip der Null-Toleranz. Allerdings stellte sich heraus, dass der Cannabis-Wirkstoff THC im Blut auch dann noch nachweisbar ist, wenn er gar nicht mehr wirkt.
Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb 2004 gefordert, auch für THC eine Art Grenzwert einzuführen. Fast alle Oberverwaltungsgerichte haben diese Grenze inzwischen bei einem Nanogramm THC gezogen. Dieser Grenzwert ist immer noch streng. Es sei jedoch eine charakterliche Frage, so die Rechtsprechung, solange mit dem Autofahren zu warten, bis ganz sicher keine THC-Wirkung mehr vorhanden sei.
Sachverständige wie Professor Volker Auwärter von der Freiburger Rechtsmedizin halten diese Grenze für deutlich zu niedrig. Er schlägt eine Grenze von zwei Nanogramm vor. Erst bei zwei bis fünf Nanogramm THC komme es bei ungeübten Konsumenten zu spürbaren Leistungseinschränkungen.
Orientierung an Zwei-Nanogramm-Grenze
Bei regelmäßigen Kiffern liege der Wert sogar noch höher. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof orientiert sich in seiner Rechtsprechung bisher an der Grenze von zwei Nanogramm. Der Student und sein Freiburger Anwalt Sebastian Glathe hatten deshalb die Hoffnung, dass das Bundesverwaltungsgericht sich den etwas großzügigeren Stimmen anschließt. Doch diese Hoffnung trog. Die Richter hielten die Grenze von einem Nanogramm in vollem Umfang aufrecht. Sie gaben nicht einmal einen Puffer für Mess-Ungenauigkeiten.
Der Student konnte an der Verhandlung nicht teilnehmen. Er macht gerade ein Praktikum im Ausland, bei einem internationalen Konzern, wie es hieß. Bisher fährt er immer noch Fahrrad. Anwalt Glathe will ihn nun überzeugen, auch noch den Schritt nach Karlsruhe zu gehen. Er hält die sehr niedrige THC-Grenze für "Willkür" und spricht von einer „verkehrsrechtlichen Zusatzstrafe für Kiffer“. Rügen will Glathe auch die Ungleichbehandlung mit Alkohol, wo - dank 0,5 Promille-Grenze - eine leichte Wirkung vom Gesetzgeber ausdrücklich akzeptiert werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe