Rainer Schmidt über Grasanbauer-Roman: „Kifferromantik ist öde"
Als Inspiration für seinen Roman "Die Cannabis GmbH" diente ihm die Geschichte eines Familienvaters, der wegen seiner Plantage ins Gefängnis musste. Obwohl Rainer Schmidt selbst nicht kifft, findet er, die Konsumenten sollten besser geschützt werden.
taz: Herr Schmidt, Ihr dritter Roman handelt von einer Art Großbauer für Cannabis. Was hat das mit Ihnen zu tun?
Rainer Schmidt: Leute kiffen mit größter Selbstverständlichkeit auf der Straße, in Parks, auf Konzerten oder in meinem Bekanntenkreis. Das ist völlig normal geworden und völlig in Ordnung. Aber derjenige, der das Zeug anbaut, geht dafür im Jahr 2014 immer noch in den Knast wie ein Schwerkrimineller? Das finde ich absolut schizophren – selbst als Nichtraucher und Nichtkiffer. Als Schüler und Student habe ich damals allerdings ab und zu ganz gerne einen durchgezogen.
Was für einen Eindruck haben diese Erfahrungen bei Ihnen hinterlassen?
Ich hatte ein paar Mal sehr viel Spaß mit Kicherflashs und Hungerattacken, aber mich hat das erschlaffte Abhängen genervt.
Trotzdem werden Drogen in Ihrem Buch nicht unbedingt schlecht dargestellt?
Nein, warum auch? Es ist in meinem Roman wie im richtigen Leben: Die Leute rauchen Gras, weil es ihnen Spaß macht, nicht weil es so furchtbar ist. Die allermeisten können damit sehr gut umgehen, ein paar nicht. Die übliche Kifferromantik finde ich genauso öde wie die offizielle Konsumverteufelung lächerlich ist. Aber an der Figur meines Großproduzenten kann man gut sehen, wie anachronistisch und unsinnig es ist, den Anbau und den Konsum eines solchen Genussmittels immer noch zu kriminalisieren. Wer die Millionen Menschen, die nichts gegen einen Joint haben, wirklich schützen will, sollte sich um Jugend- und Verbraucherschutz sorgen, nicht um Strafverfolgung.
Lohnt es sich, zwischen den verschiedenen Drogen zu unterscheiden oder sind es letztlich alles Drogen?
Tja, was gilt als Droge, was nicht? Vom Gesetzgeber und von Teilen der Gesellschaft wird ja sehr stark unterschieden. Die gefährlichsten Stoffe sind etabliert und legal: Alkohol und Tabak. Der Rest wird mehr oder weniger in einen Topf geworfen und ist illegal. Diese offizielle Unterscheidung bringt uns nicht weiter. Im Roman verabscheut mein Anbauer die Kokser. Das ist für ihn die „böse“ Droge: anderer Markt, andere Konsumenten, andere Vertriebskanäle, andere Player, vor allem aber geht es um viel mehr Geld, das die wirklich Kriminellen anlockt. Mit diesen Verbrechern und dieser Welt will er nichts zu tun haben. So geht es vermutlich den meisten Kiffern.
50, hat zehn Jahre in Hamburg gelebt. Zuletzt war er Chefredakteur des Rolling Stone und des Musikexpress. "Die Cannabis GmbH", sein dritter Roman, erscheint am 1. Oxotber bei Rogner & Bernhard.
Ihr Roman beruht auf einer wahren Geschichte.
Sagen wir so: Ein wahrer Fall hat mich inspiriert. Auf einer Party habe ich einen Typen kennengelernt, der mir nach vielen Drinks erzählte, dass er ein paar Jahre vor der Stadt eine große Plantage betrieben hätte und gerade auf seine Berufungsverhandlung warte. Das war ein großartiger Einblick in eine Parallelgesellschaft. Wir haben uns danach regelmäßig getroffen – bis dieser bisher nicht vorbestrafte Familienvater in den Knast musste.
Hat der „Dude“, ihre Titelfigur, ein Unrechtsbewusstsein?
Der echte Großanbauer hat gewusst, dass seine Plantage verboten ist, sich aber nie als Krimineller gefühlt, sondern als verantwortungsbewusster Produzent eines Biogenussmittels. Der „Dude“ sieht das genauso. Im Ernst: Der hätte gern Steuern gezahlt und seinen mittelständischen Betrieb offiziell geführt.
Ist sich die Kundschaft genauso ihrer Lage bewusst?
Keine Ahnung. Ich denke, wer kiffen will, kifft eben. Natürlich versteht kein vernünftiger Erwachsener, warum er kein Cannabis konsumieren oder produzieren darf. Die herrschenden Gesetze werden als lästig und überflüssig wahrgenommen, aber nicht als Hindernis.
Cannabis und Bio – passt das?
Mein Roman-„Dude“ will das reinste und beste Gras der Welt herstellen, weil das am besten schmeckt und in einem sehr ausdifferenzierten Markt eine lukrative Marktlücke ist. Also: Gießkanne statt Bewässerungsanlage, Brennesselsud statt Chemokeule, er arbeitet mit Käfern, die er gegen Schädlinge einsetzt. Die norddeutschen Konsumenten sind vom Ergebnis begeistert und rennen ihm die Bude ein. Das passt also sehr gut.
Nur leider ohne staatlich geprüftes Biosiegel?
Ja, bislang sind die Konsumenten von Cannabis aufgrund der Gesetzeslage in keiner Weise vor gefährlichen Produkten geschützt. Sachen werden gestreckt, teilweise auf eine extrem gesundheitsgefährdende Art. Es gibt weder Jugend- noch Verbraucherschutz. Das alles kommt im Buch zur Sprache, weil das auch eine Folge der aktuellen Gesetzeslage ist. Das sind die echten Probleme.
Auch wenn der „Dude“ sehr vernünftig wirkt, gibt es Szenen, in denen er einem ziemlich kaputt vorkommt.
Stimmt, er hat einen harten Background und kann mit der Kifferfolklore seiner Kunden nichts anfangen. Viele Cannabis-Raucher sagen: „Ich möchte nur ein bisschen entspannen.“ Das ist für ihn bloß Hippie- und Gymnasiastenquatsch, er will einfach richtig breit sein und durchdrehen. Er hat auch nichts gegen den „Mischkonsum“, ein halbes Dutzend Joints und eine halbe Flasche Brandy, das ist für ihn ein guter Abend. Sein Verhältnis zu Rausch, Gewalt und Sex ist in keinster Hinsicht politisch korrekt. Aber was wäre das sonst auch für ein Roman geworden?
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