Verteilung der Forschung: Streben in Städte
Forschungseinrichtungen drängen in die Ballungszentren. Vor allem die öffentlichen Wissenschaftsprojekte meiden das Land.
Die Raumforscher der Leibniz-Gemeinschaft teilten für ihre Untersuchung die Bundesrepublik in zwei Raum-Typen: die Ballungsräume mit städtischer Verdichtung („Agglomerationsräume“), in denen inzwischen 77 Prozent aller Deutschen leben und arbeiten, und die dörflich-ländlichen Landesteile („agglomerationsferne Räume“) mit 23 Prozent der Bevölkerung. Die Ballungszentren wachsen weiter, und auch in den westlichen Bundesländern ziehen die Menschen aus den ländlichen Regionen weg, aber nur um 3,6 Prozent seit 2000.
In einer großen Datenanalyse wollten die Leipziger Forscher herausfinden, welche Rolle Innovation und Wirtschaftswachstum dabei spielen. Ausgewertet wurden das Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit 16.000 Betrieben, die Förderdatenbank Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums mit einem Jahresbudget von 550 Millionen Euro, die Förderdatenbank des Bundes mit 110.000 Projekten und die Projektdatenbank der Fraunhofer-Gesellschaft mit 67.000 Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.
Ein überraschender Befund war, dass vor allem öffentliche Forschungsinstitute in Ballungsräume streben und die ländlichen Räume bei ihren Kooperationsangeboten an die Wirtschaft eher meiden. So wurden von den Forschungsprojekten der Fraunhofer-Gesellschaft in den Jahren 2000 bis 2015 mit 3.486 Projekten die meisten in München abgewickelt (dem Sitz der Zentralverwaltung), gefolgt von Berlin mit 3.200 und Stuttgart mit 2.036. Führender Oststandort für Fraunhofer ist Dresden mit 1.149 Projekten. Auch bei den 80.000 ZIM-Projekten des Wirtschaftsministeriums wurden 90 Prozent in den Ballungsräumen und 10 Prozent in den ländlichen Regionen umgesetzt.
Die eigentliche Innovationsstärke einer Region erschließt sich aber erst, wenn die Projekt- mit der Bevölkerungszahl ins Verhältnis gesetzt wird. „Die höchsten Intensitäten finden sich in Wolfsburg, Jena und Aschaffenburg“, lautet das Ranking der deutschen Innovationshotspots. Es folgen die Standorte Darmstadt, Stuttgart und Leverkusen. „Neben Jena sind in den Agglomerationsräumen Ostdeutschlands Dresden, Chemnitz, Zwickau, Erfurt und Magdeburg bedeutende Standorte“, stellt die Studie fest.
Auch in der Förderdatenbank des Bundes gibt es „innovative Ausreißer“: Überdurchschnittlich viele FuE-Projekte wurden im Ilm-Kreis (Thüringen) und den Landkreisen Vorpommern-Greifswald, Nordwest-Mecklenburg und Rostock sowie dem Werra-Meißner-Kreis in Hessen gefördert. Ein bundesweites Problem ist zudem der Rückgang von Unternehmensgründungen, um 20 Prozent seit 2008, in Ostdeutschland sogar um 30 Prozent.
Um die peripheren Regionen innovativer zu machen, wird unter anderem die Unterstützung durch „neue Kommunikationstechnologien bzw. einer effektiven Kommunikationsinfrastruktur“ vorgeschlagen, mit der Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft „effektiv über Distanzen hinweg organisiert und realisiert werden können“. Noch wichtiger sei aber „der Um- und Ausbau geeigneter Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen“, um die Fachkompetenz der Mitarbeiter für die innovativen Unternehmen „zu bewahren und zu steigern“. Bessere Bildung, so das Fazit der Leipziger Raumforscher, wird der Schlüssel sein, um der Landflucht Einhalt zu gebieten.
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