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Versuch zur Verkehrswende in BremenNoch keine Fahrt in lichte Zukunft

Eiken Bruhn

Kommentar von

Eiken Bruhn

Eine Nahverkehrsabgabe von 19 Euro im Monat haben auf ihrem Parteitag die Grünen in Bremen vorgeschlagen. CDU und FDP finden das total daneben.

Bremer Straßenbahn unterwegs an einem trüben Tag Foto: Hauke-Christian Dittrich/picture alliance/dpa

I n unruhigen Zeiten gibt es kaum Schöneres als verlässliche Reaktionen von Po­li­ti­ke­r:in­nen auf Neues, Unerhörtes. So geschehen diese Woche in Bremen. Da schlägt der Parteitag der Grünen eine Nahverkehrsabgabe von monatlich 19 Euro für alle vor, die es sich leisten können. So im Sinne der Mobilitätswende. Von wegen Klimaschutz, Wetterextreme, Meeresspiegel, Lebensgrundlage. Das Ganze ist nur ein Vorschlag, der in dieser Legislatur garantiert nicht umgesetzt wird. Die kleine Koalitionspartnerin, die Linke, hat zwar applaudiert, aber die große, die SPD, ohne die in Bremen nichts geht, hat abgewunken. Man könnte ja Wäh­le­r:in­nen verärgern.

Die Opposition ist dennoch auf Zinne. Geben Sie einem KI-Tool die Stichworte „Bürger“, „Ideologie“, „Grüne“ und „Steuerzahler“ vor und es wird das ausspucken, was die Bremer FDP gegiftet hat. Die CDU hat zurückhaltender formuliert, aber auch sie warnt vor gierigen Grünen, die „ins Portemonnaie der Bür­ge­r:in­nen greifen“, um allen einen guten öffentlichen Nahverkehr zu bescheren. Und das Geld auch von denen will, die lieber Auto fahren.

Was CDU und FDP nicht sagen: wie viel umgekehrt Nicht­au­to­fah­re­r:in­nen für den Autoverkehr bezahlen, nicht nur mit Gesundheit und Leben.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat die externen Kosten des Straßenverkehrs im Vergleich zu Schiene, Luft und Binnengewässern ausrechnen lassen. Also nicht nur die für Bau und Unterhalt von Straßen, Parkplätzen, Straßenreinigung, -beleuchtung, und -entwässerung. Sondern auch die für Unfälle sowie Folgeschäden für Umwelt und Klima, die von der Allgemeinheit getragen werden. Von 149 Milliarden Euro entfielen im Jahr 2017 dabei 94,5 Prozent auf den Straßenverkehr. 61 Milliarden Euro jährlich sollen alleine die mit Autos und Motorrädern verursachten Unfälle kosten.

Gar kein Kulturkampf

Aber die Bremer Grünen wollten gar keinen Kulturkampf anzetteln, sondern eigentlich nur daran erinnern, dass Bremen sich der Klimaneutralität bis 2038 verpflichtet hat, ein Beschluss, den alle Parlamentsfraktionen mitgetragen haben, auch die CDU, die den rot-rot-grünen Bremer Senat damit regelmäßig in die Pflicht nimmt. „Aber irgendwie muss man da ja auch hinkommen“, sagt Josephine Assmus, eine der beiden Lan­des­vor­stands­spre­che­r:in­nen der Grünen. Eine Stellschraube sei ein attraktiver, sozial gerechter öffentlicher Nahverkehr, wie er auch im Koalitionsvertrag versprochen werde – hier brauche es konkrete Vorschläge. „Dieses Ziel mit Haushaltsmitteln erreichen zu können, ist realitätsfern“, sagt sie.

wochentaz

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Nun fehlt das Geld aber auch anderswo – andernfalls käme man ja längst überall mit Bus und Bahn hin: verlässlich und günstig. Das gilt selbst für das verhältnismäßig reiche Baden-Württemberg. Dort ist dieses Jahr das erste Mobilitätsgesetz in Kraft getreten, das auch eine Nahverkehrsabgabe beinhaltet. Allerdings hat sich die CDU gegen die Pläne des grünen Koalitionspartners gesperrt, sodass es nun den Kommunen überlassen ist, ob sie eine solche einführen oder nicht. Etwas Ähnliches steht im schwarz-grünen Koalitionsvertrag von Nordrhein-Westfalen.

Im Ländle kann es noch dauern, bis die erste Kommune die Nahverkehrsabgabe verlangt. Freiburg werde den sogenannten Mobilitätspass trotz grüner Ratsmehrheit nicht einführen, teilt ein Sprecher der Stadt mit. Nur eine arbeitgeberfinanzierte Nahverkehrsabgabe wäre mehrheitsfähig gewesen, aber die sehe das Mobilitätsgesetz nicht vor – die CDU im Landtag war dagegen.

In Karlsruhe hingegen hat der Rat vor vier Wochen mit knapper Mehrheit beschlossen, einen entsprechenden Förderantrag beim Land zu stellen. Und jetzt raten Sie mal, was CDU und FDP dazu sagen.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; SG-zertifizierte Systemische Beraterin; in Weiterbildung zur systemischen Therapeutin.
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