Verstöße gegen EU-Bioverordnung: Biokontrolleure verlieren Erlaubnis
Die EU-Kommission entzieht wegen Gift im Sesam großen Ökokontrollstellen die Zulassung für Importe aus Indien. Die Inspekteurslobby kritisiert das.
Der Fall könnte Zweifel an der Zuverlässigkeit der Biokontrolle wecken. Control Union aus den Niederlanden und Ecocert aus Frankreich gehören zu den weltweit größten Unternehmen, die mit Erlaubnis der Behörden prüfen, ob Biolebensmittel gemäß den Gesetzen für den Ökolandbau erzeugt worden sind. Der Fall zeigt erneut, dass private Kontrollstellen und Behörden sich gegenseitig die Verantwortung für Bioskandale zuschieben. Ökobauern müssen unter anderem auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten.
Die EU-Kommission begründete die Sanktion mit der „Kontamination einer großen Anzahl von Sendungen von Erzeugnissen, die in Indien produziert und von diesen Kontrollstellen als ökologisch/biologisch zertifiziert wurden“. Dabei gehe es um Verunreinigungen mit Stoffen, die in der Öko- und/oder der konventionellen Produktion in der EU verboten seien. In den Produkten seien oft bei Weitem mehr Ethylenoxid und andere Chemikalien enthalten gewesen als erlaubt. Die Kontrollstellen wiesen laut EU-Kommission nicht nach, dass sie die Waren wie von der Ökoverordnung vorgeschrieben überprüft hätten. „Außerdem haben diese Kontrollstellen keine Abhilfemaßnahmen gegen die festgestellten Unregelmäßigkeiten und Verstöße ergriffen“, so die Behörde. Die Kontrollstellen ließen eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Schon früher unzuverlässig
Jochen Neuendorff vom Vorstand des europäischen Dachverband der Ökokontrollstellen (EOCC) kritisierte die Bestrafung der Zertifizierer. „An erster Stelle haben die amtlichen Kontrollen nicht gegriffen“, sagte Neuendorff der Branchenzeitschrift BioHandel. Denn die belastete Ware hätte nicht nur nach Biorecht, sondern auch nach dem allgemeinen Lebensmittelrecht nie auf den Markt kommen dürfen. Doch weder die indischen noch die Lebensmittelkontrollbehörden der EU hätten die kontaminierte Ware beanstandet.
Speziell Control Union ist schon mehrfach negativ aufgefallen. 2019 verbot die EU-Kommission der Kontrollstelle wegen Unzuverlässigkeit, Importe aus der Türkei und weiteren vier Staaten zu zertifizieren. Damals räumte Control Union auch ein, dass Mitarbeiter einer für zwölf Staaten zuständigen Niederlassung in der Türkei inkompetent seien. Die USA untersagten dem Büro seinerzeit, Produkten das US-Biosiegel zu geben.
Als Erstes hatte ein konventionelles Unternehmen aus Belgien Ethylenoxid in indischen Sesamsamen im September 2020 gemeldet. Daraufhin begann eine EU-weite Welle von Rückrufen auch von Bioprodukten. Die EU ordnete deshalb mehr Kontrollen an. In Indien und anderen Ländern ist die Chemikalie weiter zugelassen, etwa um Krankheitserreger abzutöten. Die Alternative wäre eine effizientere Hygiene bei Produktion und Transport.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen