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Verstaatlichung in RusslandDie großen Geschütze

Viele ausländische Unternehmen haben den Betrieb in Russland eingestellt. Moskau bereitet jetzt Schritte vor, sie zu enteignen.

Bei Moskau produzierte Mercedes bis vor kurzem Autos. Jetzt könnte das Werk verstaatlicht werden Foto: picture alliance

Berlin taz | Sie seien ein „echter Krieg nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen dessen Bevölkerung“. Das sagte Andrei Turtschak, der Generalsekretär der russischen Regierungspartei Einiges Russland, Anfang der Woche über die Wirtschaftssanktionen von EU und USA. Als Antwort schlug er vor, die Fabriken der Unternehmen zu verstaatlichen, die ihre Produktion in Russland einstellen. Dazu gehören in Deutschland unter anderem die Autohersteller VW, Mercedes Benz und BMW, der Zulieferer Continental und die Baumarktkette Obi.

Nur wenige Tage nach Turtschaks Vorstoß wird das Vorhaben konkreter: Wie die russische Zeitung Kommersant berichtet, hat eine Regierungskommission nun einen Gesetzentwurf der Regierungspartei gebilligt, der als Nächstes im Parlament verhandelt werden muss. Der Vorschlag sieht vor, dass ein Gericht über die Einsetzung eines „externen Managements“ entscheidet, wenn ausländische Unternehmen ihre Produktion in Russland einstellen. Ausländische Eigentümer hätten danach fünf Tage Zeit, die Tätigkeit in Russland wieder aufzunehmen – oder ihre Anteile zu verkaufen. Andernfalls werde für drei Monate eine Verwaltung eingesetzt und das Unternehmen danach versteigert.

Bislang hat nur die Mercedes-Benz-Gruppe angekündigt, ihre 15-prozentige Beteiligung am russischen Lkw-Hersteller Kamaz abstoßen zu wollen. Alle anderen großen Unternehmen haben die Produktion auf Eis gelegt. Auch sie wären von den Enteignungen betroffen. Keines der Unternehmen wollte sich auf die Anfrage der taz äußern, ob es in einem solchen Fall den Betrieb wieder aufnehmen würde.

Christiane Schuchert, die Regionaldirektorin Russland des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, gibt aber zu bedenken, dass eine Verstaatlichung Russland keine Probleme löse, sondern neue schaffe: „Aktuell liegt die Produktion vor allem still, weil Teile fehlen.“ Bei einer Enteignung würden zusätzlich „das Management und die Technologie“ fehlen.

Die etwa 3.500 deutschen Unternehmen in Russland beschäftigen mehr als 200.000 Mitarbeiter*innen. Die angedrohten Enteignungen könnten bis zu 25 Milliarden Euro Investitionsvolumen betreffen.

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8 Kommentare

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  • Aha, deswegen ist Schröder beim Russen!

  • Mein Mitleid ist begrenzt. Wer in Diktaturen investiert, dem gehört es nicht besser.

    Vielleicht sollte man sich auf China --> Taiwan ein wenig besser vorbereiten und Kapital JETZT zurück holen und den Markt China abschreiben. Sonst wird das gejammer nur größer.

  • Das wird absehbar in China auch so laufen.



    Wäre eine gute Gelegenheit für unsere Unternehmen, zukünftig lieber wieder in Europa zu produzieren.



    Dort sind Investments allemal sicherer.

  • Deutschland hat einen knallharten Wirtschaftskrieg gegen Russland begonnen.



    Wir sollten uns nicht wundern, wenn die Russen sich jetzt mit gleicher Münze wehren.



    Die Begeisterung über die möglichst harten Sanktionen verdeckt hierzulande eine Diskussion über ihre Auswirkungen für uns.



    Wir nehmen aus Solidarität mit einem fremden Land massive wirtschaftliche Einschränkungen in Kauf.

    • @neu_mann:

      Dabei geht es mitnichten nur um Solidarität, sondern darum zu vermeiden, dass sich das was derzeit in der Ukraine abspielt mittelfristig in Polen oder im Baltikum wiederholt. Es geht darum Putin die ökonomischen Mittel aus der Hand zu nehmen halb Europa mit Krieg zu überziehen und das dürfte wohl recht klar in unserem Interesse liegen.

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Dann wird niemals jemand mehr in Russland investieren. Auch die Chinesen nicht. Keiner ist so blöd!

    Russland entwickelt sich zu Nordkorea!

  • Wenn Putin das Land noch schnellet ruinieren will, dann ist das mit den Enteignungen ein guter Plan.

    Man steht dann mit Fabriken da die wegen der unterbrochenen Lieferketten weiterhin nicht produzieren können, hat dann aber auch noch die laufenden Kosten zu stemmen

  • Wie steht es mit der Enteignung der Gasspeicher von Gazprom? Wann erfolgen die Strafzahlungen aufgrund unzureichender Speicherfüllung - nach Vertrag eine Vertragsverletzung. Wann werden die vertraglichen Konsequenzen von der Bundesregierung und der Verwaltung umgesetzt?



    Oder soll das von Gerhard Schröder verwaltete Vermögen nicht angetastet werden?



    Es hieß doch das alles dafür getan wird die Sanktionen wirksam werden zu lassen. Schlimm genug das täglich bis zu 1 Mrd. Euro an die Kriegsverbrecher bezahlt werden.



    Das gejammere über die bei uns zu tragenden wirtschaftlichen Einschränkungen sind im angesicht der menschlichen Tragödie in der Ukraine jammern auf höchstem Niveau.



    Es wird zeit, dass wir den Kriegsverbrechern endlich zeigen wo der Hammer hängt. Oder hatten wir den auch an Gazprom verkauft?